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Wirtschaftliche Impulse des Marshallplans in Deutschland Wiederaufbau und Demontage

Dr. Elke Kimmel

/ 3 Minuten zu lesen

Auch wenn die genauen Folgen des Marshallplans bis heute umstritten sind: Ohne ihn hätte der Aufschwung wohl länger auf sich warten lassen. Seine ganz wesentliche Bedeutung lag allerdings im Aufbau des europäischen Marktes.

Zug mit Reparationsgütern, Berlin 1946. (© Bundesregierung, B 145 Bild-00072739, Foto: Puck-Archiv)

Für Westdeutschland bedeutete die Umsetzung des Marshallplans auch ein rascheres Ende der Reparationen. Die USA hatten diesen von Anfang an skeptisch gegenüber gestanden und die Briten bis 1947 eine kritischere Haltung zu diesen entwickelt. Aber für Frankreich waren sie profitabel und zudem ein geeignetes Mittel zur Schwächung des östlichen Nachbarn. Erst als deutlich wurde, dass die im Marshallplan für Frankreich vorgesehenen Mittel wesentlich sinnvoller für den französischen Wiederaufbau eingesetzt werden sollten, revidierte Frankreich seine abwehrende Haltung. Die USA knüpften die Bereitstellung weiterer Gelder daran, dass Frankreich seine Positionen in der Reparationspolitik aufgab. Dennoch konnten die Demontagen erst 1951 endgültig eingestellt werden. Ihr Umfang aber war infolge des Marshallplans in den westlichen Besatzungszonen geringer als ursprünglich beabsichtigt.

Ein weiteres Zugeständnis zugunsten des deutschen und europäischen Wiederaufbaus bedeutete die Überschreitung der im Potsdamer Abkommen festgelegten Industriekapazität: Dort war beschlossen worden, das deutsche Industrieniveau auf dem Stand von 1932 einzufrieren. Angesichts des europäischen und amerikanischen Bedarfs an deutschen Produkten wurde diese Beschränkung auf Drängen der USA aufgehoben. Vor allem der Beginn des "Kalten Krieges" ließ die vorsätzliche wirtschaftliche Schwächung eines Partners nicht zu. Die Widersinnigkeit von parallelen Aufbauhilfen und Demontagen löste sich für die Bundesrepublik positiv auf: Häufig wurden veraltete Anlagen demontiert und durch moderne Varianten ersetzt, die unter anderem mit ERP-Mitteln angeschafft werden konnten. Auch hier liegt ein Impuls für das "Wirtschaftswunder".

Streitpunkt Wirksamkeit

Die tatsächlichen ökonomischen Impulse des Marshallplans sind bis heute umstritten. Insbesondere der spätere Wirtschaftsminister Ludwig Erhard bestritt dessen weitreichende Folgen für Deutschland. Allerdings hatte dies wohl auch damit zu tun, dass der Politiker seine eigene Leistung nicht geschmälert sehen wollte. Tatsächlich hätte der Aufschwung ohne den Marshallplan wohl länger auf sich warten lassen. Ohne die zuvor eingeleitete Währungsreform vom Juni 1948 aber hätte auch der Marshallplan wenig ausrichten können. Zudem muss berücksichtigt werden, dass schon vorher erhebliche finanzielle Mittel in die westlichen Besatzungszonen geflossen waren.

Gegenwertfonds

Grundlegend für Deutschland war aber die Anlage der Gegenwertfonds bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau. Zunächst waren diese Fonds komplett der Aufsicht der Amerikaner unterstellt, ab Dezember 1949 existierten sie als "Sondervermögen" unter Verwaltung des Bundestags, das nicht für den Bundeshaushalt eingesetzt werden durfte und darf. Aus diesen Fonds wurden fortlaufend Existenzgründungsdarlehen zu guten Konditionen gewährt. Nur in der Anfangszeit - bis etwa 1949 - war die Kreditvergabe sehr zögerlich; die deutsche Seite forderte rascheres Handeln, während die ECA sich unter Hinweis auf den deflationären Charakter der Anlagen weigerte, Kredite zu vergeben. Die Darlehen kamen später insbesondere in West-Berlin und im Zonenrandgebiet zum Einsatz, die niedrigen Zinsen wurden kontinuierlich in die Fonds zurückgezahlt. Durch dieses revolvierende Verfahren wuchs das Vermögen in den Fonds bis 2005 auf über 12 Milliarden Euro an. Unter anderem wurden beim Zusammenbruch der DDR zahlreiche Existenzgründungen aus ihnen finanziert.

Europäischer Markt

Eine ganz wesentliche, über Deutschland hinausreichende Bedeutung des Marshallplans lag im Aufbau des europäischen Marktes. Im September 1950 wurde hier mit dem Abkommen über die "Europäische Zahlungsunion" (EZU) ein wesentlicher Schritt unternommen. Die EZU wurde mit Marshallplanmitteln ausgestattet, um einzelnen Staaten für den Fall auszuhelfen, dass deren nationale Devisendecken unzureichend waren. Sie war so als Hilfsinstrument für den Freihandel bis zu dem Zeitpunkt gedacht, an dem die europäischen Währungen konvertierbar wären. Dies war 1958 der Fall. Neben dem Aufbau eines multilateralen Systems war dabei die grundsätzliche Festlegung für ein Freihandelssystem wichtig. Dies war eine Hauptforderung Marshalls gewesen, dem an der Schaffung langfristiger Absatzmärkte für amerikanische Produkte gelegen sein musste.

Im innereuropäischen Austausch bedeutete dies den sukzessiven Abbau von Kontingenten für bestimmte Warengruppen bis zur völligen Freigabe des Handels mit ihnen. Die Bundesrepublik war in dieser Frage als einziges nicht souveränes Mitglied gezwungen voranzugehen – hatte allerdings wegen der Nachfrage nach den hier produzierten Investitionsgütern auch tatsächlich keine Nachteile durch den Freihandel zu befürchten. 1951 allerdings geriet sie tatsächlich an den Rand der Zahlungsunfähigkeit, als infolge des Korea-Kriegs die Rohstoffpreise extrem anstiegen und durch Exporteinnahmen nicht gedeckt werden konnten. Allerdings war diese Krise nur vorübergehend: Ihr folgte schon in der zweiten Jahreshälfte eine starke Nachfrage nach deutschen Industrieprodukten. 1952 erzielte die Bundesrepublik erstmals einen Zahlungsbilanzüberschuss und beschritt von dort an den Weg als "Exportweltmeister".

Fussnoten

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Dr. Elke Kimmel, selbständige Historikerin.