Im Parlamentarischen Rat
Obwohl Hans Reif als Berliner Vertreter aufgrund des Sonderstatus von Berlin nur beratend am Parlamentarischen Rat teilnehmen kann, entsendet ihn die FDP-Fraktion als ordentliches Mitglied in den Ausschuss für Zuständigkeitsabgrenzung. In seinen wenigen Beiträgen betont er vor allem die Treuhänderrolle des Rats für die Menschen in der Sowjetischen Besatzungszone.
Reif tritt im Unterschied zu seinen Fraktionskollegen Thomas Dehler und Max Becker, die ein Präsidialsystem bevorzugen, für ein parlamentarisches Regierungssystem ein. Er neigt einer Bundesratslösung als Zweiter Kammer zu. Seine Absicht ist überdies darauf gerichtet, wirtschaftslenkende und sozialisierende Maßnahmen zu erschweren. Im Falle einer Wiedervereinigung sei die östliche Bodenreform rückgängig zu machen.
Biografie
Geboren am 19. Januar 1899 in Leipzig, gestorben am 11. November 1984 in Berlin, evangelisch-lutherisch.
Hans Reif wächst in Leipzig als Sohn eines liberalen, berufständischen Verbandsfunktionärs auf. 1917-1918 zum Heeresdienst eingezogen. 1919-1922 Studium der Nationalökonomie, 1922 Promotion. Ab 1918/1919 in der Deutschen Demokratischen Partei (DDP, ab 1930 Deutsche Staatspartei), Vorsitzender des Demokratischen Studentenvereins Leipzig. Mitglied des Reichsführerrats der demokratischen Jugend. 1922 Tätigkeit bei einer Leipziger Effektenbank. 1923 beim Gewerkschaftsbund der Angestellten Berlin. Freier Berater des Präsidenten der Leipziger Industrie- und Handelskammer in Geld- und Währungsfragen.
1924-1933 Geschäftsführer des Reichsmittelstandsausschusses und später des "Reichsausschusses für Handel, Industrie und Gewerbe beim Hauptausschuss der Deutschen Staatspartei". Dazu zahlreiche weitere Funktionen, u.a. im Hansabund und als Schriftleiter des Wirtschaftsteils des "Demokratischen Zeitungsdienstes".
Nach der nationalsozialistischen "Machtergreifung" 1933 Verlust aller Ämter. Tätigkeit als Handelsreisender. 1941-1943 kommissarischer Leiter der Fachgruppe Schuhhandel innerhalb der Wirtschaftsgruppe Großhandel. Seit Sommer 1943 Wehrdienst in Italien. 1940-1943 Kontakte zum innerdeutschen Widerstand, u.a. zu Carl Goerdeler und Wilhelm Leuschner. Zusammen mit seiner Frau während der NS-Zeit Aufnahme und Erziehung von vier Kindern, deren Mutter als Jüdin nach Schweden emigriert.
Nach der Entlassung aus US-Kriegsgefangenschaft im Sommer 1945 in Leipzig Mitbegründer der Demokratischen Partei Deutschlands. Wenig später Umzug nach Berlin und Beitritt zur Liberal-Demokratischen Partei (LDP), hier zahlreiche innerparteiliche Funktionen, u.a. Vorsitzender des LDP-(später FDP-) Bezirksverbands Zehlendorf sowie 1947-1951 Stellvertretender Vorsitzender des Landesvorstands. Zählt innerhalb der Partei zum sozialliberalen Flügel. 1946-1951 und 1963-1971 Mitglied der Stadtverordnetenversammlung bzw. des Berliner Abgeordnetenhauses.
1963-1971 Vizepräsident des Abgeordnetenhauses. 1949-1957 Mitglied des Deutschen Bundestags. 1950-1951 und 1955-1958 stellvertretendes Mitglied des Europarats in Straßburg. 1958-1959 Vorsitzender des FDP-Landesverbands Berlin. Lehrtätigkeit an der Hochschule für Politik (seit 1958 der Freien Universität). Ab Ende 1953 Professor für Politische Wirtschaftslehre mit dem Sondergebiet Europäische Integration. 1957 Gründungsmitglied der Friedrich-Naumann-Stiftung.
Nachlass: Archiv des Liberalismus, Gummersbach.