Im Parlamentarischen Rat
Im Sommer 1948 wird Jakob Kaiser als Vertreter Berlins in den Parlamentarischen Rat entsandt, an dem er aufgrund des Sonderstatus von Berlin als Gast mit nur beratender Stimme teilnimmt. Dabei beansprucht er, für Gesamtberlin und für die Sowjetische Besatzungszone zu sprechen.
Aus diesem Grund nutzt er jede Gelegenheit, diesen Anspruch auch symbolisch zum Ausdruck zu bringen, insbesondere bei offiziellen Begegnungen von Abgeordneten mit den Westalliierten. Inhaltlich tritt er für die Regelungen ein, in denen ein gesamtdeutsches Selbstverständnis zum Ausdruck gebracht wird. Den Traditionsnamen "Deutsches Reich" hätte er daher gerne beibehalten. In Bezug auf Groß-Berlin erstrebt er die volle Einbeziehung in den Geltungsbereich des Grundgesetzes, was die Westalliierten jedoch unterbinden.
Biografie
Geboren am 8. Februar 1888 in Hammelburg (Unterfranken), gestorben am 7. Mai. 1961 in Berlin, römisch-katholisch.
Jakob Kaiser ergreift 1901 nach Abschluss der Volksschule wie der Vater zunächst den Beruf des Buchbinders. Ab 1904 Mitglied des Katholischen Gesellenverbands des Kolpingwerks, seit 1906 des Volksvereins für das katholische Deutschland und in der Christlichen Gewerkschaft. Seit 1912 hauptamtlicher Kartellsekretär der Christlichen Gewerkschaften in Köln und ferner Mitglied der Zentrumspartei. 1914-1917 Soldat im Ersten Weltkrieg, mehrfach verwundet.
Seit Mitte März 1918 Leiter der Jugendabteilung im Gesamtverband der Christlichen Gewerkschaften und Stellvertretender Vorsitzender der Kölner Zentrumspartei. Sucht einen Ausgleich zwischen Kapitalismus und Sozialismus sowie die Überwindung der konfessionellen Spaltung im Politischen. Tritt für die Erhaltung der Reichseinheit unter Einbeziehung Österreichs ein.
Seit Sommer 1919 Geschäftsführer im Generalsekretariat des Gesamtverbands der Christlichen Gewerkschaften (Köln bzw. Berlin), 1925-1933 Landesgeschäftsführer in Rheinland und Westfalen. 1921-1933 Stellvertretender Vorsitzender der rheinischen Zentrumspartei, seit 1928 im Geschäftsführenden Reichsvorstand. März bis Juli 1933 Mitglied des Deutschen Reichstags. Versucht vergeblich, durch Zusammenschluss der drei demokratischen Richtungsgewerkschaften ein Gegengewicht gegen die Hitler-Bewegung zu schaffen.
Nach Verlust seiner Ämter 1934 Rückkehr nach Berlin und ohne regelmäßige Einkünfte. Wird im Widerstand tätig, seit 1934/35 Kontakte zu oppositionellen Wehrmachtskreisen, zur kirchlichen Opposition, später zu Carl Goerdeler und Graf von Stauffenberg. Gerät im Frühjahr 1938 zeitweise in Gestapo-Haft, hält sich nach dem 20. Juli 1944 in Potsdam-Babelsberg bis zum Kriegsende verborgen. "Sippenhaft" der Familie.
Beteiligt sich 1945 in Berlin an der Gründung der Einheitsgewerkschaft Freier Deutscher Gewerkschaftsbund (FDGB) und der CDU in der Sowjetischen Besatzungszone, deren Parteivorsitz er Ende 1945 übernimmt. Dabei weist er Deutschland die politische Funktion zu, als "Brücke" zwischen Ost und West zu fungieren sowie zwischen Kapitalismus und Sozialismus zu vermitteln. Gerät in heftigen Gegensatz zur Sowjetischen Militäradministration, die ihn im Dezember 1947 als Parteivorsitzenden absetzt. 1946-1949 Stadtverordneter von Groß-Berlin. 1949-1957 Mitglied des Deutschen Bundestags. 1949-1957 Bundesminister für Gesamtdeutsche Fragen.
Mitinitiator des Kuratoriums Unteilbares Deutschland. 1949-1958 Vorsitzender der Sozialausschüsse, 1950-1961 Vorsitzender der Exil-CDU, 1950-1958 Stellvertretender Vorsitzender der Gesamtpartei. Das Verhältnis zu Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) bleibt, wie bereits in der Gründungsphase der Partei, auch in der Zeit als Bundesminister durch zahlreiche Konflikte gekennzeichnet.
Nachlass: Bundesarchiv, Koblenz.