Im Parlamentarischen Rat
Im Sommer 1948 wird Wilhelm Heile vom Niedersächsischen Landtag in den Parlamentarischen Rat gewählt. Er gehört dem Ausschuss für Grundsatzfragen und dem Ausschuss für Organisation des Bunds sowie Verfassungsgerichtshof und Rechtspflege und nach dessen Teilung dem Ausschuss für Verfassungs-
gerichtshof und Rechtspflege an, nimmt aber auch häufig als Gast an Sitzungen des Ausschusses für Wahlrechtsfragen teil. Dabei wirbt er für ein absolutes Mehrheitswahlrecht, das es auch kleineren Parteien ermöglicht, über Wahlabsprachen ins Parlament zu gelangen.
Hinsichtlich des Bundesstaats lässt er sich von den Vorstellungen eines "organischen" Aufbaus auf der Grundlage des älteren Stammesföderalismus leiten. An den Sitzungen des Ausschusses für Grundsatzfragen nimmt er nur gelegentlich teil. Er bemängelt, dass seine Anregung zu einer breit angelegten rechtsphilosophischen und staatspolitischen Grundsatzdebatte keine hinreichende Resonanz findet. In der Schlussabstimmung vom 8. Mai 1949 lehnt Heile zusammen mit seinem Fraktionskollegen Hans-Christoph Seebohm das Grundgesetz ab. Dabei bestimmt ihn vor allem die Auffassung, dass dieses zu "positivistisch" geraten sei. Er vermisst eine hinreichende organische, föderalistische Gliederung des Staats, die zugleich in eine europäische und umfassende Menschheitsordnung eingebettet ist.
Biografie
Geboren am 18. Dezember 1881 in Diepholz bei Hannover, gestorben am 17. August 1969 in Harpstedt, zunächst evangelisch-lutherisch, 1909 Kirchenaustritt.
Wilhelm Heile entstammt einem alten niedersächsischen Bauerngeschlecht mit enger Bindung an das einstige Land Hannover. 1901-1905 Studium des Maschinenbaus an der Technischen Hochschule Hannover. Seit der Schulzeit Anhänger Friedrich Naumanns, u.a. aktiv im Verein Deutscher Studenten. 1905 als Anführer des radikaleren Flügels der Studentenschaft zeitweise Relegation und schließlich Studienabbruch. Danach publizistisch tätig, u.a. bei der Berliner "Nationalzeitung". 1906-1908 Herausgeber und Schriftleiter der "Deutschen Hochschule". Ab 1908 Mitglied der Freisinnigen Vereinigung bzw. ab 1910 der Fortschrittlichen Volkspartei, 1910-1912 deren Generalsekretär im Provinzialverband Hannover. 1912-1919 Hauptschriftleiter und 1919-1923 Mitherausgeber der politischen Wochenschrift "Die Hilfe".
1914-1915 als Freiwilliger im Kriegseinsatz, mehrmals verwundet. 1918 Mitbegründer und erster Rektor der Staatsbürgerschule in Berlin (später Hochschule für Politik). 1917-1918 Stadtverordneter in Schöneberg. Ab Ende 1918 Mitglied der Deutschen Demokratischen Partei. 1919-1920 in der Weimarer Nationalversammlung. 1920-1924 Mitglied des Reichstags. Tritt vor allem für eine betont föderalistische Gliederung des Reichs und ein selbständiges Land Hannover ein. Stellvertretender Vorsitzender des "Österreichisch-Deutschen Volks-bundes für den Anschluss Österreichs an die deutsche Republik" (Vorsitzender Paul Löbe, SPD). Betätigt sich überdies in zahlreichen Verbänden zugunsten der Schaffung einer europäischen Zollunion mit dem Ziel der Vereinigten Staaten von Europa.
Bewirtschaftet nach der nationalsozialistischen "Machtergreifung" ein Landgut im Landkreis Sorau (Niederlausitz), 1936 Aufgabe des Guts wegen Überschuldung. 1936-1941 Übersetzer bei der Deutschen Reichsbank. Danach Übersiedlung nach Colnrade bei Syke (Hoya).
1945-1949 Landrat im Landkreis Grafschaft Hoya. 1946 Stellvertretender Ministerpräsident des Lands Hannover und Mitglied zunächst des Hannoverschen und 1947-1951 des Niedersächsischen Landtags. Herbst 1945 Gründungsmitglied des FDP-Kreisverbands Hoya und des FDP-Zonenverbands, zunächst Erster Vorsitzender, ab Mai 1946 Präsident. Urheber der "Syker Programmatischen Richtlinien", die u.a. einen "organischen" Aufbau der Staats- und Völkergemeinschaft von den Gemeinden bis hin zu den "Vereinigten Staaten der Welt" zum Gegenstand haben. Ende 1946 Gründer der Europaunion Deutschlands (Interimsvorsitzender). Frühjahr 1947 Übertritt zur Niedersächsischen Landespartei (später in Deutsche Partei umbenannt). Zieht sich Anfang der 1950er Jahre aus der aktiven Parteipolitik zurück.
Nachlass: Bundesarchiv, Koblenz.