Im Parlamentarischen Rat
Heinrich von Brentano wird im Sommer 1948 vom Hessischen Landtag in den Parlamentarischen Rat gewählt. Hier gehört er jeweils als Stellvertretender Vorsitzender dem Hauptausschuss und dem Ausschuss für das Besatzungsstatut an. Zudem ist er ab April 1949 Mitglied im Ausschuss für Finanzfragen.
Von Brentano beteiligt sich als einer der Hauptsprecher der CDU/CSU-Fraktion oft an den Beratungen anderer Ausschüsse. Als Mitglied des Allgemeinen Redaktionsausschusses, des Siebenerausschusses und des Fünferausschusses nimmt er innerhalb der Unionsfraktion eine Schlüsselstellung bei der Verständigung mit den anderen Fraktionen ein. Vor allem ist ihm an einem Kompromiss mit den Sozialdemokraten gelegen. Seine freundschaftliche Beziehung zu Georg August Zinn (SPD), die sich bereits bei den Beratungen zur hessischen Landesverfassung bewährt hat, kommt ihm besonders zugute.
Inhaltlich tritt er für einen föderalistischen Staatsaufbau ein. Dabei ist er Anhänger des Bundesratsprinzips. Große Bedeutung weist er dem Schutz des Bürgers gegenüber der Verwaltung zu und will die Kompetenz der Exekutive zum Erlass von Rechtsverordnungen an enge Voraussetzungen binden. Vergeblich setzt er sich für die Einführung eines Mehrheitswahlrechts und für eine Volksabstimmung über das Grundgesetz ein. Dabei versteht er das Grundgesetz im Sinne Carlo Schmids (SPD) nur als eine provisorische Ordnung, die einer künftigen gesamtdeutschen Verfassung zwar als Vorbild dienen, diese jedoch nicht ersetzen soll. So äußert er bei der Verabschiedung des Grundgesetzes am 8. Mai 1949 im Plenum die Hoffnung, "daß der Tag bald kommen" möge, an dem sich die ganze Arbeit "als überholt erweisen" werde.
Biografie
Geboren am 20. Juni 1904 in Offenbach, gestorben am 14. November 1964 in Darmstadt, römisch-katholisch.
Heinrich von Brentano wächst als Sohn des hessischen Zentrumspolitikers Otto Rudolf von Brentano in Offenbach und Darmstadt auf. 1922-1925 Studium der Rechtswissenschaft in Frankfurt am Main, Grenoble, München und Gießen. 1925 Erste Juristische Staatsprüfung, 1929 Assessorexamen, 1930 Promotion in Gießen. Seit 1929 Rechtsanwalt, 1932 eigene Sozietät in Darmstadt. 1943 dienstverpflichtet.
Nach Kriegsende erneut Anwalt und zusätzlich Notar. Präsident der Darmstädter Rechtsanwalts- und Notarkammer. Mitgründer der hessischen CDU. Seit 1946 Vorsitzender des CDU-Bezirksverbands Darmstadt. 1946 Mitglied aller verfassungsberatenden Gremien im Land (Groß-) Hessen: Vorbereitender Verfassungsausschuss, Beratender Landesausschuss, Verfassungsberatende Landesversammlung. 1946-1949 Mitglied des Hessischen Landtags. Seit Sommer 1947 Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion. Tritt im Sinne des linkskatholischen Darmstädter CDU-Gründerkreises (Eugen Kogon, Walter Dirks u.a.) für eine grundlegende soziale Erneuerung ein.
Seit 1947 Vorsitzender des von der Arbeitsgemeinschaft der CDU und CSU eingesetzten Verfassungsausschusses. Als Gründungsmitglied der Deutschen Wählergesellschaft Anhänger eines Mehrheitswahlrechts. 1949-1964 Mitglied des Deutschen Bundestags,1949-1955 und 1961-1964 Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion. 1950-1955 Vizepräsident der Beratenden Versammlung des Europarats. 1952-1955 Mitglied der Gemeinsamen Versammlung der Montanunion. 1952-1954 Vorsitzender des Verfassungsausschusses der Ad-hoc-Versammlung zur Vorbereitung eines Statuts für die Europäische Politische Gemein-schaft. 1955-1961 Bundesaußenminister.
Nachlass: Bundesarchiv, Koblenz.