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Das Grundgesetz im Wandel der Zeit

Prof. Dr. Christoph Gusy Christoph Gusy

/ 8 Minuten zu lesen

Das Grundgesetz war ursprünglich als Provisorium geplant. Seit der Wiedervereinigung gilt es als gesamtdeutsche Verfassung. In 60 Jahren hat es 52 Verfassungsänderungen erlebt, aber noch keine schwere Verfassungskrise. Hat sich das Grundgesetz bewährt, weil es offen für Änderungen war?

Die Unterschriften von Konrad Adenauer, Adolph Schönfelder und Hermann Schäfer auf dem Grundgsetz von 1949. (© HDG)

In den 60 Jahren seit seiner Verabschiedung hat sich das Grundgesetz bewährt, weil es offen für Änderungen war. Darin lag ein schwieriger Spagat: Einerseits ist es eine relevante Verfassung, welche dem politischen Prozess wirksame Leitlinien und Grenzen gezogen hat. Andererseits hat es unabweisbaren Änderungsbedürfnissen keine unüberwindlichen Grenzen entgegengesetzt. Eine schwere Verfassungskrise hat es daher in den 60 Jahren seit Bestehen des Grundgesetzes nicht gegeben.

Vom Provisorium zur Verfassung

Als der Parlamentarische Rat das Grundgesetz verabschiedete, war dessen Anspruch recht bescheiden. Es sollte eine provisorische Ordnung sein, welche nur für die Übergangszeit bis zur Wiederherstellung der deutschen Einheit gelten sollte. Diese Spanne wurde damals als eher kurz eingeschätzt. Zudem waren wichtige politische Streitfragen der Zeit ausgeklammert: Wo der Parlamentarische Rat sich nicht hatte einigen können, hat man entweder zu abstrakten Formeln gegriffen oder die Materie dem zukünftigen Gesetzgeber zur Regelung überantwortet. Schließlich war die zu gründende Bundesrepublik erst ein Staat im Werden mit begrenzter Souveränität.

All dies sprach für einen gewissen Minimalismus des Verfassunggebers. Die neue Ordnung war eher zurückhaltend, eher rechtlich begrenzend als politisch wegweisend und eher detailfreudig ausgestaltet. Große Verheißungen wie etwa ein Recht auf Arbeit oder soziale Unterstützung hätten angesichts der Nachkriegswirklichkeit politisch ohnehin bestenfalls unrealistisch, wenn nicht gar illusorisch gewirkt.

Wege des Wandels

60 Jahre danach sieht das Grundgesetz anders aus. Bislang 52 Verfassungsänderungen haben nicht weniger als 109 Artikel geändert, neu hinzugefügt oder aufgehoben. Waren es ursprünglich 146 Artikel, so sind es nun 181. Schon äußerlich ist die Differenz also leicht zu erkennen. Aber das allein würde nicht ausreichen, das Maß an Veränderung zu beschreiben. Denn damit wären nur die Gesetze gezählt, welche den Text ausdrücklich geändert haben. Mindestens ebenso wichtig waren zwei andere Wege des Wandels.

Da ist zunächst die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, welche das Grundgesetz von einem bloßen Text zu einem ausgelegten und angewandten Regelwerk umgeformt hat. Und da sind die Aktivitäten der diversen Gesetzgeber, welche nach dem Plan des Parlamentarischen Rates die offenen Fragen regeln sollten und vielfach geregelt haben. Auch sie haben wichtige Bedeutungsänderungen bewirkt: Sowohl unterhalb der Grundgesetzebene durch Bundes- und Landesgesetze als auch im höherrangigen (europäischen) Zusammenhang.

Die Grundgesetzänderungen verliefen ungleichmäßig. Während in den fünfziger und sechziger Jahren relativ regelmäßig Änderungsgesetze ergingen, trat in den siebziger und achtziger Jahren eine gewisse Beruhigung ein. Erst in der Zeit der deutschen und der etwa zeitgleichen europäischen Einigung kam es erneut zu einer Intensivierung. Im Schnitt erging knapp ein Änderungsgesetz pro Jahr.

Bundeswehr, Notstandsgesetze und Föderalismusreform

Aber diese Änderungsgesetze waren ganz unterschiedlich ausgestaltet. Die meisten von ihnen betrafen nur eine oder ganz wenige Verfassungsbestimmungen, insbesondere Zuständigkeitsfragen. Wichtiger waren grundsätzliche Umgestaltungen, welche eine größere Zahl von Einzelregelungen änderten. Dazu zählte im Jahre 1956 die – damals äußerst umstrittene – Einführung von Bundeswehr und Wehrpflicht (16 Einzeländerungen). Bis dahin hatte das Grundgesetz nur die Kriegsdienstverweigerung, aber keine Armee und keinen Wehrdienst gekannt.

Ihr folgten (1968) als zweite "große" Neuerung die damals extrem umkämpften Notstandsgesetze (29 Änderungen), denen in den Auseinandersetzungen der Zeit hoher Symbolwert zukam. Damals gingen manche Befürworter und viele Gegner davon aus, dass die neuen Gesetze auch angewandt würden, möglicherweise gar gegen die "68er" selbst – was seitdem aber nie geschah.

Weniger spektakulär, aber dennoch wichtig war (1969) die Reform der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern (9 Änderungen). Damit waren alle größeren Lücken geschlossen, welche der ursprünglich provisorische Charakter des Grundgesetzes gelassen hatte. Nunmehr verfügte die "alte" Bundesrepublik über eine voll ausgebaute Verfassung. Deren Umbau zur gesamtdeutschen Verfassung erfolgte anlässlich der Vereinigung in zwei Stufen (1990, 1994) mit insgesamt 19 Einzeländerungen, welche zumeist inhaltlich wenig Berührungspunkte mit der deutschen Einigung aufwiesen.

Die letzte große Verfassungsreform war die Föderalismusreform 2006 (25 Neuerungen). Deren Fortsetzung ist gegenwärtig geplant. Was hier detailliert aufgezählt wurde, bewirkte nicht weniger als den Übergang von der provisorischen Grundordnung des westdeutschen Staats hin zur voll ausgebauten Verfassung Gesamtdeutschlands als Mitgliedstaat eines sich einigenden Europas.

Das Demokratiekonzept

Inhaltlich bezogen sich die Neuerungen auf eine Vielzahl grundgesetzlicher Materien. Am Anfang stand der Ausbau des grundgesetzlichen Demokratiekonzepts. In den fünfziger Jahren dominierte dessen eher defensive Sicherung gegenüber einem Volk, dessen man sich damals in demokratischer Hinsicht jedenfalls nicht sicher sein konnte. Zu nah war die Vergangenheit mit dem Ende der Weimarer Republik und dem Nationalsozialismus. So war das Grundgesetz anfangs eher auf Förderung der Stabilität als auf Förderung der Bürgermitwirkung angelegt (kaum Volksabstimmungen; ausschließlich konstruktives Misstrauensvotum gegen den Bundeskanzler).

Zudem wurde zur Bundestagswahl 1953 durch Gesetz die Fünf-Prozent-Klausel in das Wahlrecht eingefügt. Ihre Folge war das Ende der kleinen Fraktionen und Parteien. Dagegen haben Grundgesetz und Bundesverfassungsgericht Versuche der Bundesregierung, sich ein eigenes Fernsehprogramm zuzulegen, ebenso verhindert wie Bestrebungen der großen Parteien, sich rechtlich weitere Vorteile gegenüber kleineren Konkurrenten und Bürgerinitiativen zu verschaffen.

Inzwischen wird die demokratische Reife des Volkes höher eingeschätzt: Die vermehrte Zulassung von Volksabstimmungen auf Landes- und Gemeindeebene, das Wahlrecht für alle EU-Bürger zu den Kommunalvertretungen und die nahezu flächendeckende Abschaffung der Fünf-Prozent-Klauseln auf Gemeindeebene legen davon Zeugnis ab. Ob die Klausel zur Stabilisierung parlamentarischer Regierungen überhaupt oder in dieser Höhe noch notwendig ist, ist umstritten. Im Vordergrund steht gegenwärtig eher die Verhinderung des Einzugs radikaler Splittergruppen in die Volksvertretungen.

Die Rolle der Länder

Als Vertretung der Länder ist der Bundesrat unmittelbar an der Willensentscheidung des Bundes beteiligt. (© AP)

Gleichfalls wichtig war der Umbau des Föderalismus. Stand am Anfang die Eigenständigkeit der einzelnen Länder im Vordergrund, so dominierten seit den fünfziger Jahren Zentralisierungs-
tendenzen. Die Länder verloren immer mehr Zuständigkeiten; im Gegenzug erhielten sie immer mehr Mitwirkungsrechte an Entscheidungen des Bundes und finanzielle Zuschüsse.

In dem sich so entwickelnden "kooperativen Föderalismus" verloren die einzelnen Länder – bis auf wenige große - an Bedeutung; wichtiger wurde die Bedeutung der "Länderschiene" namentlich durch Mitgestaltungsrechte im Bundesrat. Parallel dazu wurde dieser vom "Forum der Teilstaaten" zum "Forum der Opposition".

Diese Entwicklung soll durch die Föderalismusreform 2006 partiell rückgängig gemacht werden. Das Programm lautet: Mehr Eigenverantwortlichkeit und Eigenstaatlichkeit der Länder durch Stärkung ihrer Aufgaben und – noch in der Planung – ihrer Finanzen. Dadurch soll auch die Idee des Konkurrenzföderalismus gefördert werden. Ein Programm mit noch ungewissem Ausgang.

Ausbau der Grundrechte

Der Ausbau der Grund- und Menschenrechte war von Anfang an ein zentrales Anliegen der Grundgesetzentwicklung. Im Parlamentarischen Rat hatte eher die Vorstellung dominiert, dass die Freiheit gegen den Staat geschützt werden müsste. Freiheitsrechte waren als Verbote an die öffentliche Hand formuliert, die Freiheit der Menschen zu beeinträchtigen. Das entsprach den elementaren Menschenrechtsstandards der damaligen Zeit. Politische Mitwirkungsrechte und soziale Garantien fanden sich allenfalls in Ansätzen.

Hier hat die Rechtsprechung fördernd gewirkt. Verfassungsänderungen haben kaum neue Grundrechte geschaffen, am ehesten noch die Diskriminierungsverbote (Art. 3 Abs. 2, 3 GG) eingeführt: Alte Vorrechte der Männer im Familienrecht wurden aufgehoben. Die Gleichstellung von Frauen, Behinderten und anderen benachteiligten Gruppen ist rechtlich erleichtert. Für die Ausländer aus der EU hat insbesondere das Europarecht zahlreiche Benachteiligungen beseitigt oder zumindest gemildert.

Doch bleibt die Bilanz insgesamt ambivalent: Verfassungsänderungen blieb es vorbehalten, einzelne Grundrechte erheblich einzuschränken: Beschränkungen des Post- und Fernmeldegeheimnisses wurden zum Zweck des Schutzes der Verfassung erleichtert; die Unverletzlichkeit der Wohnung durch Zulassung des "Großen Lauschangriffs" eingeschränkt; das Asylrecht politisch Verfolgter in weiten Teilen abgeschafft.

Jedenfalls auf der Textebene lässt sich festhalten: Die EU-Grundrechtecharta und manche deutsche Landesverfassung wirken moderner als der Erste Abschnitt des Grundgesetzes. Auf der Auslegungsebene sind die Unterschiede allerdings geringer.

Die Sicherheitsarchitektur des Grundgesetzes

Die gegenwärtig viel diskutierte Sicherheitsarchitektur des Grundgesetzes basiert auf der Trennung von zivilen und militärischen Sicherheitsaufgaben (letztere sind für den Verteidigungsfall reserviert). Getrennt sein sollen auch Polizei (für die Abwehr bevorstehender und die Aufklärung begangener Straftaten) und Nachrichtendienste (für weiter entfernte Bedrohungsszenarien und die Auslandsaufklärung).

Grundsätzlich unterschieden sind schließlich Länderkompetenzen (überwiegend für die Alltagsgefahren und –kriminalität) sowie die Bundesaufgaben für die Kriminalpolizei über Ländergrenzen hinweg und solche mit Auslandsbezug. Auch wenn hier manches etwas kleinteilig und fein ziseliert erscheint: Das differenzierte System hat seinen Sinn. Die Sicherheitsorgane sind ausbalanciert, auf wechselseitige Kooperation und Koordination angelegt und moderieren sich partiell gegenseitig. Dadurch können einerseits größere Sicherheitslücken, andererseits demokratie- und grundrechtsabträgliche Machtzusammenballungen vermieden werden.

Dieses System hat sich – trotz mancher Missstände im Einzelnen – grundsätzlich bewährt. Die schwierige Gratwanderung zwischen Freiheit und Sicherheit kann jedenfalls mit diesem Instrumentarium bewältigt werden – bleibt aber eine sensible Aufgabe.

Das Grundgesetz und Europa

Die vielleicht wichtigsten Änderungen des Grundgesetzes fanden außerhalb seines Textes statt. Die bescheidene Formulierung, wonach der Bund "Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen übertragen" kann (Art. 24 Abs. 1), hat eine ungeahnte Karriere gemacht. In den fünfziger Jahren hätte niemand gedacht, welch rasanten Aufschwung Europa nehmen würde. Seit 1992 hat die EU ihren eigenen Platz im Grundgesetz (Art. 23). Wichtiger ist: Europarecht geht deutschem Recht vor, solange es nicht gegen die unantastbaren Grundsätze der Art. 1 und 20 GG verstößt.

Immer mehr Beobachtern will es erscheinen, als habe der alte deutsche Föderalismus ein zusätzliches Stockwerk nach oben bekommen: Ihnen erscheint das Grundgesetz als Verfassung eines deutschen Teilstaats der EU. Solche Formulierungen mögen überzeichnen. Doch ist so das Grundgesetz einerseits offen für Internationalisierung und – in Maßen – "Globalisierung", andererseits hinreichend modern, um diesen Prozess nicht bloß passiv hinzunehmen, sondern aktiv mitzugestalten. Zugleich passt es sich europäischen Entwicklungen an – auch ohne förmliche Verfassungsänderungen.

Für die Zukunft gewappnet?

Hat sich das Grundgesetz bewährt? Als die DDR zusammengebrochen war, beriet dort ein Runder Tisch über Verfassungsfragen. Heraus kam ein Entwurf, der zwar als Alternative zum Grundgesetz geplant war, sich aber inhaltlich von diesem eher in Marginalien unterschied.

Welche bessere Bestätigung könnte es für eine Verfassung geben, die – in den Ruinen der Nachkriegszeit entstanden - den wirtschaftlichen, politischen und demokratischen Wiederaufbau, die deutsche Einigung und die europäische Integration mitgestaltet und überstanden hat und immer noch den Anspruch erheben kann, auch für die Zukunft gestaltend zu wirken?

Gewiss: Es hat auch Fehlentwicklungen gegeben. Und jene Leistungen sind keineswegs allein dem Grundgesetz zuzuschreiben. Sie sind mindestens auch Folgen einer glückhaften wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung und einer politischen Kultur, welcher existenzielle Grundkonflikte bislang erspart blieben.

Insgesamt sind zumindest wichtige Voraussetzungen gelegt, um auf seiner Grundlage auch die Konflikte der Zukunft angehen zu können: Globalisierung, Migration, Multikulturalität, demographischer Wandel u.a.

Das offene Grundgesetz

Die Verfassung der USA gilt seit über 200 Jahren. Ihr Text umfasst 10 Druckseiten, lässt also Vieles offen, ist aber auch erst 27mal ergänzt worden. Eine erstaunliche Stabilität, welche dazu geführt hat, dass der maßgebliche politische Wandel von der Rechtsprechung vorgenommen wurde.

Das Grundgesetz ist diesen Weg nicht gegangen. Es ist deutlich länger (58 Druckseiten), regelt also auch viel mehr Einzelheiten und ist viel häufiger geändert worden. Dies geschah jeweils durch Zwei-Drittel-Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat. So soll das Grundgesetz einerseits den politischen Grundkonsens bewahren, andererseits diesem gegenüber aber auch offen sein, um die Notwendigkeiten politischer Stabilität und friedlichen Wandels zu vereinen.

Das ist ein anderer Weg als derjenige der amerikanischen Verfassung. Beide haben ihre Vorzüge und ihre Nachteile. Aber für beide gilt: Nur was sich ändert, kann bleiben; und nur was bleibt, kann sich ändern ....

Fussnoten

Christoph Gusy ist Professor am Lehrstuhl für öffentliches Recht, Staatslehre und Verfassungsgeschichte der Universität Bielefeld. Seine Forschungsschwerpunkte sind die neuere Verfassungsgeschichte und Verfassungsrecht.