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Bergbau in Lateinamerika

zibechi Raúl Zibechi

/ 13 Minuten zu lesen

Der Ausbau des großindustriellen Bergbaus in Lateinamerika weckt vermehrt Widerstand in der Bevölkerung der betroffenen Dorfgemeinschaften. Soziale Bewegungen engagieren sich gegen die großen internationalen Bergbaukonzerne. Wichtigste Basisorganisation ist dabei der Nationale Verband der vom Bergbau betroffenen Gemeinden in Peru CONACAMI.

Im Dezember 2007 machten sich hunderte von Bauern zu Fuß auf den 200 Kilometer langen Weg von Ayabaca nach Piura, um die Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses zu fordern.

Lateinamerika hat sich zu einem wahren Eldorado für Bergbau-Investitionen entwickelt. Betrug der Anteil an den globalen Investitionen in diesem Sektor Anfang der 90er Jahre noch 12%, so ist er heute auf 35% gestiegen (Quelle: Externer Link: conflictosmineros.net). Entsprechend sind in Lateinamerika die Mineralienexporte stark gestiegen. Als problematisch erweisen sich dabei der offene Tagebau und die Anwendung chemischer Gewinnungsmethoden.

So wird im Goldabbau zum Beispiel Blausäuresalz (Zyanid) eingesetzt. Die in den 90er Jahren abgeschlossenen Verträge berücksichtigen weder die Umweltproblematik noch die sozialen Belange der in der Minenregion ansässigen Bevölkerung. Die Bergbauindustrie in Lateinamerika wird daher zunehmend zu einer sozialen und umweltpolitischen Zeitbombe.

Der Widerstand gegen die Bergbauindustrie nimmt zu

In den letzten Jahren ist es im gesamten lateinamerikanischen Andengebiet immer wieder zu Protestaktionen gegen den ungeregelten Abbau von Erzvorkommen im Tageabbau gekommen. So versammelten sich etwa am 23. März 2008 die Einwohner der im Süden Argentiniens gelegenen Ortschaft Esquel, um an die vor fünf Jahren abgehaltene Volksabstimmung zu erinnern. Damals hatten 80% der Bewohner gegen die Goldmine der Firma Meridain Gold gestimmt. Beinahe gleichzeitig jährte sich zum ersten Mal die Straßenblockade vor dem Bergwerk Famatina in der argtentinischen Provinz La Rioja, die der Firma Barrick Gold gehört. Um auf den über ein ganzes Jahr lang geleisteten Widerstand aufmerksam zu machen, blockierten Einwohner aus verschiedenen von Bergwerkprojekten betroffenen Ortschaften des Landes elf Stunden lang die Zufahrtsstraßen.

In Chile reichten am 19. März soziale Organisationen, die sich dem Milliardenprojekt Pascua Lama (eines der größten Goldvorkommen der Welt) widersetzen, bei den Gerichten von Santiago eine Nichtigkeitsklage gegen das Dekret 116 aus dem Jahre 2003 ein. Das Dekret wurde allein aus der Notwendigkeit der Bergbaufirma Barrick Gold erlassen, über eine "eigene" Zollstation in Externer Link: Pascua Lama zu verfügen. Am 2. April wurde in drei Provinzen Chiles (Azuay, Loja und Morona Santiago) ein Streik ausgerufen und die Annullierung der Bergwerkkonzessionen wegen Verfassungswidrigkeit gefordert. Unterstützt wurde der Streik von der landesweiten Koordination zur Verteidigung des Lebens und der Souveränität (Coordinadora Nacional por la Defensa de la Vida y la Soberanía): Externer Link: Agencia de los Pueblos en Pie, Ecuador, 3. April 2008. Während des Streiks kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit Polizei und Heer, bei denen die Teilnehmer brutal auseinandergetrieben wurden. Zwanzig Demonstranten, darunter ein Priester und die Vorsitzende der Frauenvereinigung Frente de Mujeres, wurden festgenommen. Das Koordinationsbüro rief daraufhin zu einer nationalen Kundgebung gegen den Bergbau am 21. April auf. Die zeitgleich tagende Verfassungsgebende Versammlung könnte die vergebenen Bergbaukonzessionen für verfassungswidrig erklären.

Der Konflikt um den Bergbau zeigt inzwischen auch politische Auswirkungen. So war in Peru der Wahlkampf 2006 im Wesentlichen von der Diskussion um die Bergbaupolitik bestimmt. Rafael Correa, der im Januar 2007 die Regierungsgeschäfte in Ecuador übernommen hatte, warnte während seines Wahlkampfes vor einem drohenden sozialen Ausstand aufgrund der durch die Bergbaukonzessionen verursachten Konflikte. Nach der Amtsübernahme hat er sich allerdings wiederholt für die Bergbauprojekte ausgesprochen. Obwohl 40 Jahre Erdölförderung "ein gespaltenes Land hinterlassen haben, in dem die Kluft zwischen reich und arm afrikanische Ausmaße angenommen hat und gut 25% der Bevölkerung ausgewandert ist" - wie die konservative Zeitung El Comercio schreibt, hat Correa jüngstens versichert, Ecuador werde ein "Bergbauland" bleiben: Diario El Comercio, Quito, 29.3. 2008, S. 27.

Salvador Quishpe, Mitglied des Koordinierungsausschusses des Landesweiten Bündnisses zur Verteidigung der natürlichen Ressourcen (Coalición Nacional por la Defensa de los Recursos Naturales) von Ecuador, forderte Präsident Correa auf "sich entweder für das Volk und seine Souveränität oder für die kanadischen Unternehmen zu entscheiden". Externer Link: Boletín de Prensa de la Coalición Nacional por la Defensa de los Recursos Naturales, 7. April 2008. Die Frage des Bergbaus ist eines der Hauptprobleme, denen sich die Regierung eines Landes stellen muss, in dem die erstarkten sozialen Bewegungen bereits das Freihandelsabkommen mit den USA und mit mehreren multinationalen Erdölgesellschaften verhindert haben. Beim Aufruf zur Kundgebung am 21. April 2008 bezog Quishpe eindeutig Stellung: "Wenn uns der Staat und die Regierung nicht verteidigen, so werden wir uns selbst verteidigen, so wie wir es bereits im Zusammenhang mit der US-amerikanischen Erdölgesellschaft OXY und dem Freihandelsabkommen mit den USA getan haben. Selbst wenn wir deswegen ins Gefängnis müssen, werden wir nicht tatenlos zusehen, wie man uns ausraubt".

Die noch junge Bewegung gegen die Bergbauindustrie und den Tageabbau wächst auf dem ganzen Kontinent stetig. 2002 war die von den Bewohnern von Esquel (Argentinien) gegründete Vereinigung die erste überhaupt, die sich dem Bergbau widersetzte. Inzwischen haben sich auf dem ganzen Kontinent über hundert "Asambleas" gebildet. Dabei handelt es sich um spontan einberufene Versammlungen der von den Bergbauprojekten betroffenen Gemeinden. Sie widersetzen sich nicht nur den großen Bergbauprojekten multinationaler Konzerne, sondern auch der Ansiedelung von Papierfabriken und einer auf Monokultur ausgerichteten Landwirtschaft. Die größte soziale Bewegung gegen den Bergbau ist jedoch der Nationale Verband der vom Bergbau betroffenen Dorfgemeinden in Peru (Confederación Nacional de Comunidades del Perú Afectadas por la Minería –Externer Link: CONACAMI).

CONACAMI ist ein erst 1999 gegründeter Verband, der als Reaktion auf den 1993 einsetzenden "Bergbau-Boom" unter dem autoritären Regime von Alberto Fujimori ins Leben gerufen wurde. Der Ausbau des großindustriellen Bergbaus wurde 1995 durch die Novellierung des Bodengesetzes noch weiter gefördert. Bei einem Konflikt zwischen Landeigentümern und Investoren räumt die neue Gesetzesfassung den Interessen des Bergbaus Priorität ein. Vielfach setzen die internationalen Konzerne die Bewohner der Dorfgemeinschaften so lange unter Druck, bis sie ihnen ihr Land verkaufen. Heute liegen laut Statistiken 3.126 indigene Dorfgemeinschaften in Regionen, in denen die Belastung der Umwelt durch die Bergbauindustrie - etwa die Verseuchung der Flüsse mit Quecksilber und Blei - die Bevölkerung existentiell bedroht. Insgesamt sind etwa drei Millionen Menschen betroffen. (Quelle: Externer Link: : Exsisten varias fuentes: Observatorio de Conflictos Mineros de América Latina, Revista Bajo La Lupa, Lima, August 2007, S 4 bis 7.) Vergleiche hierzu die Externer Link: Entscheidung des Verfassungsgerichtes von Peru vom 12. Mai 2006 über mit Blei vergiftete Personen in La Oroya.

Der Bergbau-Boom hat Peru zum weltweit größten Silberproduzenten aufsteigen lassen. Das Land ist ferner der drittgrößte Produzent von Zinn und Zink und der viertgrößte Blei- und Kupferproduzent. Zudem ist Peru der fünfgrößte Exporteur von Molybdän und Gold. Während die Erze 45 Prozent der peruanischen Exporte ausmachen, steuert die Bergbautätigkeit aber nur vier Prozent der Einnahmen des Staates bei und beschäftigt lediglich ein Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung. Dagegen wird die durch den Bergbau verursachte Umweltverschmutzung mit 4% des BIP beziffert. Schätzungsweise sind rund 25 Millionen Hektar - knapp ein Viertel der Landoberfläche - an Bergbauunternehmen in Konzession vergeben worden. (Quelle: Externer Link: minerals.usgs.gov - PDF)

Eine neuartige Form sozialer Bewegung

Protestaktion des CONACAMI: "Das Wasser von Saltogrande ist für den Landbau!" "Das Wasser muss weiter leben!"

Der im Oktober 1999 gegründete Verband CONACAMI ist aus dem Zusammenschluss von neun regionalen Koordinierungsstellen der vom Bergbau betroffenen Gemeinden entstanden. CONACAMI bringt sich nicht nur aktiv für die Interessen seiner Mitglieder im Kampf gegen den Bergbau ein, sondern tritt auch mit dem Anspruch an, ein gemeinsames andines Denken und Fühlen zu vertreten. Gegenwärtig sind in dieser Dachorganisation 1.650 Dorfgemeinschaften zusammengeschlossen. 2005 wurden fünf ihrer führenden Mitglieder ermordet. Gegen 746 aktive Mitglieder verschiedener Dorfgemeinden wird wegen Widerstand gegen die Bergbauunternehmen ermittelt.

CONACAMI richtet sich in seiner noch im Aufbau befindlichen Struktur an offenen und horizontalen Organisationsformen aus. Mario Palacios, führendes Mitglied der Bewegung, beschreibt den Wandel der Organisation wie folgt: "Ursprünglich hatten wir eine pyramidenförmige Organisation gewerkschaftlicher Prägung wie sie für Peru typisch ist. Wir hielten die horizontalen Strukturen unserer Dorfgemeinschaften für ungeeignet bei einem landesweiten Verband. Heute sehen wir das anders. Der Aufbau von CONACAMI folgt zu 40 bis 50 Prozent den Strukturen unserer Dorfgemeinschaften". (Quelle: Interview von Raúl Zibechi mit Mario Palacios, Vorsitzender von CONACAMI, Lima, 20. September 2007)

Palacios, wichtigstes Sprachrohr von CONACAMI, hat in Lima studiert und ist anschließend in seine Gemeinde zurückgekehrt. "Während die Gewerkschaft vertikal und nach dem repräsentativen Prinzip aufgebaut ist, weisen unsere Dorfgemeinschaften horizontale und partizipative Strukturen auf. In den letzten Jahren haben wir unsere Organisation immer mehr an der Dorfgemeinschaft ausgerichtet, was sich auch darin zeigt, dass der eigentlich 12 Mitglieder zählende Vorstand heute facto rund 60 Mitglieder umfasst, da die kommunalen und regionalen Führer dazugekommen sind", erklärt er das Organisationskonzept des indigenen Verbandes. Ebenso wie andere moderne soziale Bewegungen auch legt CONACAMI besonderen Wert auf die Aus- und Weiterbildung von aktiven Mitgliedern und Führungskräften. Dabei sorgen regionale und kommunale Versammlungen, Workshops und Plenarsitzungen für eine dezentrale Organisation.

Das zweite Aufgabengebiet von CONACAMI ist die Stärkung der Quechua-Kultur. Zusammen mit anderen indigenen Bewegungen in Lateinamerika kämpft der Verband für Selbstbestimmung und Selbstverwaltung der Urvölker. Für Palacios handelt es sich dabei um einen Prozess der Selbstfindung. "Deswegen tragen wir auch unsere Symbole und Rituale wie Opfergaben und Feste, aber auch unsere Beziehung zur Mutter Erde, die eigentlich Ausdruck unserer Spiritualität und somit privat sind, an die Öffentlichkeit. Wir treten aber auch deswegen an die Öffentlichkeit, weil wir uns unserer Identität nicht mehr schämen", führt er aus.

Es handelt sich hier nicht um einen zufalls- oder ideologiebedingten Prozess. Forciert wurde er durch den Bergbau und die neoliberale Globalisierung selbst, die die indigenen Dorfgemeinschaften in ihrer Existenz bedrohen. "Der Bergbau und die Usurpierung unseres Landes haben uns in unserer Identität bestärkt und die Beziehungen der Dorfgemeinschaften untereinander enger gestalten lassen, weil sie für die Mittel sind, mit denen wir unseren Kampf austragen. Dagegen sind die Dorfgemeinschaften für den Neoliberalismus ein lästiges Hindernis. Ihre Zerschlagung bedeutet aber eine Schwächung unserer Territorien, ähnlich wie ein Maiskolben, der sich langsam entkörnt. Ich habe viele Gemeinden erlebt, die anfänglich gewillt waren Land, Wasser und Boden aufzuteilen, dann aber wieder das gemeinschaftlichen System übernommen haben", sagt Palacios.

Als Wahrzeichen hat CONACAMI die in den Farben des Regenbogens gehaltene Whipala, die Fahne der andinen Urvölker, gewählt. Hinzu kommen Rituale, Symbole, Ursprachen und Organisationsformen der andinen Vorfahren. Damit ist der Verband eine wirklich indigene Organisation, die erste dieser Größenordnung in Peru. Sie setzt sich für die "andine Dualität bei Organisation und Regierungsorganen (Mann und Frau)" ein sowie für die Verteidigung des Territoriums und die Achtung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte. Wie jede Organisation dieser Art auch setzt sie sich für die "Selbstbestimmung der Völker und die kommunale Selbstverwaltung" ein.

Letztendlich geht es um neue Formen der Macht zum Aufbau einer anders gearteten Welt, für die auch die indigenen Völker in Mexiko, Bolivien und Ecuador kämpfen. "Seit der Bewegung der Zapatistas ist vieles auch theoretisch umgesetzt worden. Wir haben festgestellt, dass die Kulturen der Mayas (Mexiko) und die der Quechuas (Perú, Bolivien, Ecuador) große Ähnlichkeiten aufweisen. In unseren Gemeinschaften bedeutet Befehlen auch gehorchen. Die Macht wird kollektiv ausgeübt. Funktioniert die ursprünglich gewählte Verwaltung nicht, so wird sie undramatisch ersetzt, denn in letzter Instanz regieren die Versammlungen die Gemeinschaften", führt Palacios aus. : Interview von Raúl Zibechi mit Mario Palacios, Vorsitzender von CONACAMI, Lima, 20. September 2007.)

Bergbau ohne Bergleute

Der Bergbau ist ein fester Bezugspunkt in der Geschichte vieler lateinamerikanischer Länder. Seit der Kolonialzeit hat er immer eine herausragende Rolle gespielt. Für die spanischen Kolonialherren war er eine Quelle des Reichtums, für die Völker, die unter Tage arbeiteten, ein einziger Leidensweg. Unter der sozialistischen Regierung von Salvador Allende wurden in Chile die Bergwerke verstaatlicht und ein berühmter Satz geprägt: "Der Bergbau ist der Lohn Chiles". Die "Mineros", die Bergleute, haben auch eine entscheidende Rolle in der jüngsten Geschichte Boliviens und Perus gespielt. (Quelle: Intervieuw von Raúl Zibechi mit Mario Palacios, Vorsitzender von CONACAMI, Lima, 20. September 2007)

Um die Minen herum sind ganze Dörfer entstanden und haben sich in das Bewusstsein von Millionen von Menschen eingeprägt: Chuquicamata in Chile, Siglo XX und Catavi in Bolivien, Cerro de Pasco in Peru. Die Figur des Bergmanns, der mit Schutzhelm, Schlägel und Eisen ausgerüstet im Stollen der Erzader nachgeht, wurde auf Briefmarken abgebildet, aber auch in der Literatur porträtiert. Die Lager der Bergleute wurden zu Schulen sozialer und politischer Aktivisten. Das Aufkommen des Tagebaus läutete das Ende dieser Welt der Bergleute ein.

Seit etwa 25 Jahren sind die neuen Technologien im Einsatz. Die chemischen Gewinnungsmethoden machen den Abbau auch dann noch rentabel, wenn der Felsen nur einen geringen Prozentsatz an Erz aufweist. Verwendet wird eine sehr billige Technologie, mit der große Massen an Steinmaterial umgewälzt und manchmal ganze Berge gesprengt werden. Der Felsen wird gemahlen und anschließend chemisch das Erz herausgewaschen, das dann über Rohre bzw. Pipelines bis zum Ort der Veredlung geführt wird. Es handelt sich um eine die Umwelt stark belastende Technologie, die große Mengen Wasser benötigt, das dann verseucht wieder in die Flüsse eingeleitet wird. Das mit Chemikalien verunreinigte Gestein, das als Abfall des Bergbaus zurückbleibt, wird an den Quellen der Wasserläufe gelagert.

In der Nähe der Minen gibt es keine festen Lager oder Dörfer mehr. Durch die neuen Fördermethoden sind sie überflüssig geworden. Zudem stellten sie in der Vergangenheit für die Unternehmen ein Problem dar, da sie zum Mittelpunkt gewerkschaftlicher Aktivitäten wurden. Heute arbeiten die Bergbauleute schichtweise jeweils sieben Tage lang, um dann für die folgenden drei freie Tage mit dem Flugzeug oder mit unternehmenseigenen Bussen wieder nach Hause gebracht zu werden. Sie ziehen nicht mehr mit der Familie in die Nähe des Bergwerks. Das System ähnelt damit dem einer Ölplattform auf hoher See.

So sind heute nur noch wenig Bergarbeiter gewerkschaftlich organisiert. Dort, wo früher noch tausend Bergleute arbeiteten, werden bei den modernen Gewinnungsmethoden zudem nur noch 150 Arbeiter benötigt. In Chile hat sich die Bergbauproduktion zwischen 1991 und 2005 verdreifacht, während die Beschäftigung um 40% zurückgegangen ist. Zum einen hat die moderne Technik den Bergmann ersetzt, zum anderen ist auch der handwerkliche Bergbau überhaupt verdrängt worden. So kommt der eigentliche Widerstand gegen den heutigen Bergbau auch nicht von den Arbeitern in den Minen, sondern von der Landbevölkerung der umliegenden von Umweltverschmutzung bedrohten Gegenden.

Argentinien – ein Eldorado für Bergbaufirmen

In Argentinien sind neun Gold-, Silber- und Kupferminen in Betrieb, fünf weitere sollen demnächst in Betrieb genommen werden und in weiteren 140 finden Schürfungsarbeiten statt. 70 Ortschaften in 13 Provinzen sind von der großangelegten Bergbautätigkeit betroffen. Es handelt sich um einen 5.000 Kilometer langen Landstreifen in der Andenregion, wo sich Unternehmen aus USA, Südafrika, Großbritannien, Schweiz und Japan aber vor allem auch die großen kanadischen Bergbaukonzerne angesiedelt haben. (Quelle: Zeitschrift "MU", Buenos Aires, April 2007, S. 7.)

Die MineExterner Link: Bajo la Alumbrera in der Provinz Catamarca gehört zu den zehn wichtigsten Kupferminen und den fünfzehn größten Goldminen der Welt. Die angewandte Technologie besteht in der Sprengung der Felsen, die dann zu Pulver gemahlen und in einer säurehaltigen Brühe aufgelöst werden. Das gewonnene Konzentrat wird über eine unterirdische Pipeline 350 Kilometer nach Tucumán abtransportiert. Von dort aus wird es mit einem Zug zum Hafen Rosario gebracht und anschließend zur Veredelung ins Ausland verschifft. Der Förderprozess verbraucht vier Millionen Liter Wasser pro Stunde, die anschließend verunreinigt wieder in die Flüsse abgeleitet werden. Zusätzlich zu den giftigen Abwässern belasten noch feste Abfallstoffe die Umwelt. (Quelle: Firmenwebsite Externer Link: alumbrera.com.ar Webseite der Bewegungen gegen den Bergbau Externer Link: noalamina.org)

Das in dem argentinisch-chilenischen Grenzgebiet gelegene Goldvorkommen Pascua Lama ist das erste binationale Bergbauprojekt beider Länder und wird von der kanadischen Firma Barrick Gold betrieben. Gefördert werden sollen Gold und Silber, wobei 370 Liter Wasser pro Sekunde verbraucht und 45 Tausend Tonnen Bergland pro Tag gesprengt werden. Die Goldreserven der Mine werden auf mindestens 20 Millionen Unzen geschätzt (ca. 20 Milliarden Dollar). Aufgrund bestehender Differenzen zwischen Chile und Argentinien und des Widerstands der sozialen Bewegungen ruht das Projekt zurzeit noch. (Quelle: Zeitschrift "MU", Buenos Aires, März 2007, Ss. 12-14.)

Die Bergbaugesetze in Argentinien bieten den Unternehmen große Vorteile. Es werden keine Exportabgaben erhoben und weder Steuern auf Treibstoffe noch Importzölle auf Maschinenimporte gezahlt. Darüber hinaus zahlen die Bergbaufirmen in den ersten fünf Jahren weder Bundes-, Provinz- oder Gemeindesteuern. Das Gesetz 24.196 legt darüber hinaus fest, dass anfallende Transport-, Versicherung-, Mahl-, Vermarktungs- Verwaltungs-, Schmelzungs- und Veredlungskosten von den 3% zu entrichtenden Royalties abgezogen werden können. "Ein Großteil der monomentalen Bauten wird somit vom Staat bezahlt", fasst der Verband der Bürgerversammlungen Unión de Asambleas zusammen, in dem sich Umweltschutzorganisationen des ganzen Landes zusammengeschlossen haben. (Quelle: Zeitschrift "MU", Buenos Aires, August 2007, S. 6-7. und "Las empresas transnacionales en la minería argentina", Observatorio de las Empresas Transnacionales, Buenos Aires, 2007.)

Wachsende Macht der Dorfgemeinden

Am 16. September riefen drei Gemeinden des an der Nordgrenze zu Ecuador gelegenen Departements Piura in Peru zu einer Volksabstimmung auf, bei der sich 60% der 40.000 Einwohner eindeutig gegen ein geplantes Bergbauprojekt ausgesprochen haben. Das Projekt war zuvor auch nicht von den betroffenen Gemeinden befürwortet worden.

Zu der Abstimmung hatten die Bürgermeister der Gemeinden Ayabaca, Pacaipampa und El Carmen de la Frontera aufgerufen, um so den Tätigkeiten der Bergbaufirma Majaz (dazu Raphael Hoetmer, "Externer Link: Marcha de sacrificio afirma rechazo popular a la minería en Ayabaca", ALAI, 8 de enero de 2008) Einhalt zu gebieten, die seit 1999 die Rechte für den Kupferabbau in der Region hält. Hier entspringen die Flüsse, die Dutzende von Gemeinden mit Wasser versorgen. Im August 2005 marschierten tausende von Einwohnern bis zu dem Sitz der Firma Majaz. Bei Auseinandersetzungen mit der Polizei kam ein Demonstrant ums Leben, vier weitere wurden verwundet und Dutzende verhaftet und später gefoltert. (Quelle: Zeitschrift "MU", Buenos Aires, August 2007, S. 6-7.)

Trotz der von der Regierung Alan Garcia erhaltenen Drohungen sprach sich 95% der Befragten gegen das Bergbauprojekt aus. Besondere Bedeutung kam der weitreichenden Mobilisierung der indigenen Bevölkerung zu. Tausende von Indigenen haben bis zu zwölf Stunden lange Fußmärsche auf sich genommen, um in den Gemeinden ihre Stimme abzugeben. An den Tagen zuvor hatte die Regierung im Fernsehen die "Comuneros" (Bewohner der Dorfgemeinschaften) als "Terroristen" bezeichnet und die Absicht angekündigt, das Militär in die Gemeinden zu schicken, in denen abgestimmt wurde. Die Abstimmung wurde damit als ein zentrales Thema auf die nationale politische Agenda gesetzt, bei dem die Regierung sich deutlich als Verbündete der multinationalen Bergbaufirmen zeigte. (Quelle: Ediciones de La República y La Primera del 10 al 19 de setiembre der 2007. Externer Link: www.larepublica.com.pe und Externer Link: www.diariolaprimeraperu.com)

Die gewonnene Abstimmung ist einer der wichtigsten Erfolge von CONACAMI. Der Verband ist damit zum einflussreichsten Sprachrohr der sozialen Bewegungen in Perú geworden. Im Leitartikel der Zeitung La República vom 17. September heißt es, dass die Abstimmung "das Ende des neoliberales Modells im Dienste der Bergbauinteressen darstellt, das durch die von der Diktatur Fujimoris verabschiedeten Gesetzgebung unter völligen Außerachtlassung der betroffenen Völker festgeschrieben wurde". (Diario La República, Lima, 17. September 2007)

In der Zeit vom 10. bis zum 15. Dezember machten sich Hunderte von Bauern zu Fuß auf den 200 Kilometer lagen Weg von Ayabaca nach Piura, um die Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses zu fordern. Zeitgleich fand das zweite Treffen der Gemeinden und sozialen Organisationen des Nordens Perus statt, das zu einer massivern Demonstration gegen den Bergbau in Piura wurde. In der Schlusserklärung des Treffens wurde auf die Notwendigkeit hingewiesen "Gemeinde- und Volksmacht aufzubauen", um ein "Entwicklungsprojekt in Harmonie mit der Natur als Alternative gegen das vorherrschende "Modell einer exportorientierten Primärwirtschaft" umzusetzen. (Quelle: Raphael Hoetmer, "Externer Link: Marcha de sacrificio afirma rechazo popular a la minería en Ayabaca", ALAI, 8. Januar 2008.)

Fussnoten

Raúl Zibechi, Jahrgang 1952 geb. in Montevideo, Uruguay, ist Journalist und für die Seiten "Internationales" bei der Wochenzeitung Brecha (Uruguay) verantwortlich, von 1990–1997 war er Korrespondent der argentinischen Tageszeitung Página 12. Er arbeitet als Kolumnist für die Tageszeitung La Jornada in Mexiko und ist Gewinner des Lateinamerikanischen Journalistenpreis "José Martí" 2003.Daneben ist als er Dozent und Forscher an der "Multiversidad Franciscana de América Latina" (Institut für Allgemeinbildung), Uruguay tätig.