Die Zerstörung der letzten Regenwälder ist eines der größten globalen Umweltprobleme. Die Regenwälder konzentrieren eine guten Teil der Biodiversität des Planeten und mit der Zerstörung der Wälder verschwindet auch der Lebensraum indigener Völker. Inzwischen ist auch erkannt, dass das Abbrennen der tropischen Wälder einen beträchtlichen Anteil – die Schätzungen schwanken zwischen 10-20 Prozent – am Ausstoß des Treibhausgase CO2 hat. Die Entwaldung tropischer Wälder zu stoppen, ist damit auch Gegenstand der internationalen Klimaverhandlungen geworden. Brasilien als das Land mit den größten Tropenwaldgebieten der Welt, steht dabei im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.
2012 richten sich die Blicke der Welt auf Brasilien – in Rio fand die Rio+20, das UN Gipfeltreffen, das zwanzig Jahre nach der Rio-Konferenz von 1992, oft als Earth Summit bezeichnet, Bilanz ziehen sollte. Ausgerechnet in diesem Jahr stritt sich die brasilianische Politik über eine Revision des Waldgesetzes. Nach dem bestehenden Gesetz dürfen Landbesitzer in Amazonien nur 20 Prozent ihrer Waldfläche abholzen – der Rest muss als Waldreserve erhalten bleiben. Auch wenn diese Bestimmungen nicht immer eingehalten wurden, waren sie vielen Grundbesitzern ein Dorn im Auge. Im Parlament versuchte daher eine mächtige Allianz von Grundbesitzern – als bancada rurarlista bekannt – die bestehenden gesetzlichen Bestimmungen zu "flexibilisieren". National und internationale Umweltorganisationen schlugen Alarm. Die brasilianische Präsidenten Dilma Rousseff, die eigentlich in Rio die Erfolge ihres Landes in der Waldpolitik rühmen wollte, sah sich unter Druck. In zähen Auseinandersetzungen endete das Ringen um die Reform des Waldgesetzes mit einem Kompromiss. Die Präsidentin legte ein Veto gegen viele Bestimmungen ein, so dass die Vorschrift, 80 Prozent der Waldfläche zu schützen, weitgehend erhalten blieb – wenn auch ihre Umsetzung nun flexibler gestaltet ist. Eine der umstrittensten Bestimmungen wurde von der Präsidentin nicht angetastet: eine quasi Amnestie für Entwaldungen in der Vergangenheit.
Der Wald weicht den Rindern
Wo vorher Wald war, finden sich nach dessen Zerstörung meistens Weideflächen. Dies lässt sich durch Satellitenbeobachtung inzwischen recht zuverlässige feststellen. Nach Angaben des angesehen brasilianischen Regierungsinstituts für Fernbeobachtung (Inpe) sind 62.2 Prozent der entwaldeten Fläche Viehweiden. Lediglich 4,9 Prozent werden landwirtschaftlich genutzt, und 21 Prozent werden gar nicht genutzt, hier breite sich Sekundärvegetation aus.
Tatsächlich ist die Rinderzucht der große Flächenverbraucher in Brasilien. 194 Millionen Menschen leben im Land, aber noch mehr Rinder: 212,8 Millionen zählte das offizielle Statistikinstitut IBGE 2011. Unvorstellbare 172 Millionen Hektar werden als Rinderweiden genutzt, 70 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche des Landes. Brasilien ist inzwischen der größte Rindfleischexporteur der Welt. Ein Teil dieser Exporterfolge geht auf Kosten des Regenwaldes. Denn die Ausweitung der Rinderzucht hat sich in den letzten zwanzig Jahren hauptsächlich in und um das Amazonsgebiet abgespielt.
Neben der Rinderzucht spielt zumindest in einigen Teilen der Amazonasgebiets, insbesondere im Boomstaat Mato Grosso – auch der Sojaanabau eine wichtige Rolle bei der Umwandlung von Waldgebieten. Soja expandiert von allen Anbauprodukten am stärksten. Auch für Soja ist Brasilien inzwischen der größte Exporteur der Welt, der größte Teil des Sojas wird zu Futtermittel verarbeitet. Es ist also der weltweit steigende Fleischkonsum, der den Druck auf den Regenwald verstärkt.
Straßen und Großprojekte
Aber es sind nicht nur Viehzucht und Landwirtschaft, die den Druck auf den Wald erhöhen. Das Amazonasgebiet ist seit 2003, dem Regierungsantritt von Inácio Lula da Silva, wieder verstärkt in das Blickfeld nationaler Entwicklungspolitik geraten. Deutlichstes Signal dafür ist die Wiederaufnahme des Baus umstrittener Großprojekte im Amazonasgebiet. Zur Zeit baut Brasilien mitten im Regenwald, am Xingu Fluss, den drittgrößten Staudamm der Welt – trotz zahlreicher nationaler und internationaler Proteste. Aber mit den Bau des Megastaudamms Belo Monte sind die Ambitionen lange nicht befriedigt. Der größte Teil des Potentials für neue Wasserkraftwerke findet sich im Amazonasgebiet, das daher eine strategische Rolle für die Zukunft der Energiepolitik besitzt: 38 Staudämme sollen nach den Plänen der Regierung in den nächsten Jahre in der Region gebaut werden.
Der Bau neuer Straßen oder der Ausbau bestehender – etwa in den Sojaanbaugebieten Mato Grossos – und der weltweite Rohstoffboom, der auch die Ausbeutung von Bodenschätzen in der Amazonasregion antreibt, sind weitere Faktoren, die den Regenwald bedrohen.