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Die Rolle der Frau in der brasilianischen Fußballkultur | Brasilien | bpb.de

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Die Rolle der Frau in der brasilianischen Fußballkultur

Dr. Leda Costa Leda Costa

/ 9 Minuten zu lesen

Auch in Brasilien wird der Fußball von Männern dominiert. Während der Frauenfußball eine eher randständige Erscheinung ist, spielen weibliche Fußballfans aber seit jeher eine bedeutsame Rolle auf den Tribünen der Stadien.

Zwei Fans der brasilianischen Mannschaft vor dem Stadion in São Paulo. (© picture-alliance/dpa)

Für die Konstruktion des Bildes sowie des Selbstbildes Brasiliens sind drei kulturelle und sich überlagernde Ausdrucksformen in der Geschichte grundlegend: Fußball, Samba und Karneval. Der landläufige Begriff der Fußballkunst setzt einen Körpereinsatz voraus, der an den Tanz, insbesondere den Samba, heranreicht. Der bedeutende brasilianische Soziologe Gilberto Freyre folgerte 1938 in seinem Text "Football Mulato", dass der brasilianische Fußball sich vom europäischen unterscheide, weil er sich Elemente körperlicher Ausdrucksformen aus verschiedenen Teilen des Landes, wie Capoeria und Samba, einverleibt habe. Indem der Fußball in die Nähe des Sambas rückte, wurde er nach Gilberto Freyre dionysisch. Das heißt er wurde zu einem Fußball, der sich stärker der individuellen Begabung und des Improvisationstalents bediente, um den europäischen Fußballstil zu überwinden, den man für geometrisch und geordnet hielt.

Die Verbindung von Samba und Fußball kann man zum Beispiel darin erkennen, wie brasilianische Spieler wie Robinho und Neymar Jr. die Tore, die sie für ihre Mannschaft schießen – und insbesondere wenn es sich dabei um die Seleção, die brasilianische Nationalmannschaft, handelt –, feiern: Sie führen ein kurzes Samba-Tänzchen auf. Dieser Rückgriff auf den Samba – und im erweiterten Sinn auf den Karneval – beeinflusst die Wahrnehmung eines Fußballstils, der die brasilianische Kultur, geprägt durch Hybridität, Spontanität und Freude, direkt widerspiegelt. Dem Land von Samba, Karneval und Fußball ist es gelungen, diese drei Elemente zu etwas zu verbinden, das sich in den Beinen der Spieler der brasilianischen Seleção manifestiert, vor allem bei Stars wie Garrincha mit seinem verwirrenden Dribbling. Innerhalb der Triade von Fußball, Samba und Karneval stoßen wir allerdings auf einen auffälligen Aspekt: die Rolle der Frau. Während Frauen sowohl beim Samba, als auch im Karneval einen zentralen Platz einnehmen, können wir vom Fußball nicht dasselbe behaupten. Es gibt Samba-Sängerinnen und -komponistinnen, die beim Publikum wie auch bei anderen Musikern hohen Respekt und Ansehen genießen. Im Karneval, speziell beim Umzug der Sambaschulen in Rio de Janeiro, ist der weibliche Körper im Zentrum jener kulturellen Ausdrucksform.

Im Fußball ergibt sich ein anderes Bild. Wenn man sagt, Brasilien sei das "Land des Fußballs", darf man nicht übersehen, dass man über einen Fußball spricht, der konkret und symbolisch mit einem Universum von Werten und Gewohnheiten in Verbindung steht, die als maskulin betrachtet werden. Es ist deshalb nicht ungewöhnlich, in Brasilien den Satz "Fußball ist Männersache" zu hören – oder seine gröbere Variante "Fußball ist was für echte Kerle". Der populäre Spruch verweist darauf, dass Fußball historisch und gesellschaftlich als ein Raum betrachtet wurde und bis heute wird, in dem Virilität zum Ausdruck kommt – vor allem auf dem Spielfeld.

Zur Situation des Frauenfußballs

Das enge Verhältnis von Fußball und Männlichkeit in Brasilien ist verantwortlich für eine Reihe von Hindernissen, die es Frauen erschwerten, das fußballerische Terrain zu betreten. Dies wird an erster Stelle bei der Entwicklung des Frauenfußballs im Land offensichtlich. Die Ausübung dieser Sportart wurde 1941 im Dekret 3199, Artikel 54 verboten. Verfügt hatte dieses der Conselho Nacional de Desportos (der Nationale Sportrat – CND), der verantwortlich für die Organisation des Sports in Brasilien war. Mit dem Dekret wurde Frauen untersagt, Sportarten auszuüben, die als unvereinbar mit ihrer "zerbrechlichen und mütterlichen Natur" betrachtet wurden. Erst im Jahr 1983 erkannte die Confederação Brasileira de Desportos (der Brasilianische Sportbund – heute der CBF) die Legitimität des Frauenfußballs in Brasilien an. Die lange Zeit der Illegalität und des Fehlens von institutioneller Anerkennung lässt sich bei der Sportart bis heute am Grad ihrer Organisation oder besser gesagt an der mangelhaften Organisation ablesen.

Marta, hier im Trikot von Western New York Flash, war von 2006 bis 2010 fünfmal Weltfußballerin des Jahres und gilt bei vielen Experten als die beste Fußballerin der Welt. (© AP)

Die Situation des brasilianischen Frauenfußballs ist wenig ermutigend. Obwohl er in seiner jüngsten Geschichte überraschende Ergebnisse erzielt hat – wie zweite Plätze bei den Olympischen Spielen in Athen 2004 und in Peking 2008 sowie die Vizeweltmeisterschaft 2007 –, überlebt der Frauenfußball in Brasilien nur unter großen Schwierigkeiten. Marta wurde fünf Mal von der FIFA zur besten Spielerin des Jahres gewählt. Sie spielt jedoch nicht in Brasilien, weil es keine Mannschaften gibt, die ihr ein Gehalt zahlen könnten. Und weil eine Organisationsstruktur fehlt, die es ermöglichen würde, dass professionelle Frauenmannschaften entstehen sowie kontinuierliche Meisterschaften, um Spielerinnen über ein ganzes Jahr zu verpflichten.

Frauen auf den Tribünen der Stadien Brasiliens

Es bringt aber wenig, über den Weg der Frauen in der Geschichte des brasilianischen Fußballs allein aus der Perspektive des Ausschlusses zu sprechen, insbesondere wenn wir betrachten, wie Frauen im Publikum an dem Sport teil hatten. Auch wenn es Frauen nicht gestattet war jeden Sport auszuüben, erlaubte ihnen der Besuch von Ruderwettbewerben, Pferderennen und Fußballspielen jedoch, Welten jenseits des Haushalts zu erleben. Der Fußball und andere Sportarten verhalfen den Frauen zu einer der seltenen Gelegenheiten, sich öffentlich im städtischen Raum zu präsentieren und an ihm Teil zu haben. Da Sport in Brasilien am Ende des 19. respektive am Anfang des 20. Jahrhunderts eng damit verbunden war, dass man das gemeinsame öffentliche Erleben von Freizeitbeschäftigungen wertschätzte, handelte es sich für die Frauen dabei also um eine Muße, der sie sich hingeben konnten, ohne Gefahr zu laufen, gesellschaftlich in Verruf zu geraten.

Als der Sport Brasilien – und insbesondere Rio de Janeiro und São Paulo – erreichte, hielt man ihn für ein Symbol der Modernisierung und versuchte, ihm das Bild einer Freizeitbeschäftigung zu geben, die als zivilisiert galt, vor allem, weil sie ein Identifikationsangebot mit europäischen Ländern beinhaltete. Frauen erfüllten bei diesem Versuch, Sport und Zivilisation zu verknüpfen, als Zuschauerinnen eine wichtige Rolle: Sie gewährleisteten, dass Sportereignisse einen eleganten Charakter erhielten und geeignet waren, dass auch alteingesessene Familien der Stadt sie besuchen konnten. In Brasilien ist "torcida" der Name, den man der Gruppe von Anhängern eines bestimmten Fußballteams gibt. Eine der Entstehungsgeschichten jener Bezeichnung führt sie auf eine Angewohnheit von Marcos Carneiro de Mendonça zurück. Der erste Torwart der brasilianischen Nationalmannschaft schnürte ein Band um seine kurzen Hosen, als wäre es ein Gürtel. Da er als Idol galt, ahmten ihn viele Leute nach und trugen ein Band. Die Frauen waren die ersten, die seine Angewohnheit übernahmen. Ein Teil der Presse bemerkte bald, dass diese Frauen wegen der Aufregung während den Partien das Band verdrehten und so bald torcedoras (dt. etwa "Dreherinnen") genannt wurden.

Das Benehmen der Frauen auf den Tribünen sorgte indes auch für Diskussionsstoff. Ihre Schreie und insbesondere ihr Gebrauch von Schimpfwörtern wurde nicht gern gesehen. Beides galt als ein Verhalten, das Mädchen aus gutem Hause nicht gemäß war. Bei der Südamerikanischen Meisterschaft, die 1919 in Rio de Janeiro ausgetragen wurde und die der erste in Brasilien organisierte offizielle Wettkampf auf internationaler Ebene war, kam diese Kritik zum Ausdruck. In jenem Jahr beschäftigte sich die Zeitschrift Careta, eine der beliebtesten Illustrierten des Landes, ein paar Monate lang mit den sogenannten torcedoras. Am 17. Mai 1919 veröffentlichte die Zeitschrift eine crônica (eine literarische Reportage), in der in ironischem Ton berichtet wurde, dass die Aufgeregtheit der Frauen in den Stadien derart übertrieben war, dass sie ihre Fingernägel abbrachen, ihre Tücher zerfransten und ihre Kleider zerrissen; sprich, sie dazu brachte, die Merkmale ihrer Weiblichkeit zu zerstören und sich inadäquat zu verhalten.

Anfang der 1920er-Jahre flaute diese Diskussion ab, da die Presse sich nicht mehr so stark mit der weiblichen Präsenz in den Stadien beschäftigte. Janet Lever folgert daraus, dass die Frauen nicht mehr so oft ins Stadion gingen, weil dieser Orte nicht mehr ausschließlich von feinen Herrschaften besucht wurde. Es gibt aber auch andere Erklärungen: Der brasilianischen Historiker João Manuel Casquinha Malaia vertritt die These, dass der Rückgang der Frauen in den Fußballstadien in den 1920er-Jahren damit zu tun hat, dass Fußballclubs ihren Mitgliedern – die nur Männer sein durften – nicht mehr den bis dahin gewährten Vorteil einräumten, ihre Frauen und Töchter umsonst mit ins Stadion zu nehmen. Die wachsende Beliebtheit des Fußballs und der immer größere Zustrom von Besuchern aus weniger wohlhabenden Klassen führte darüber hinaus dazu, dass Fußball zu einer Freizeitbeschäftigung wurde, die man als unpassend für Frauen ansah.

In den folgenden Jahrzehnten wurde der Fußball derart populär, dass die städtischen Clubs ihre Haupteinnahmen aus dem Verkauf von Eintrittskarten erzielten. Die Stadien, in denen vorher hauptsächlich Mitglieder saßen, empfingen nun immer mehr Menschen aus verschiedenen Klassen, die Eintritt bezahlten, um die Spiele zu sehen. Fußball wurde nach und nach nicht mehr als gesellschaftliches Ereignis der Elite dargestellt, und die Presse erwähnte die torcedoras immer seltener. In einer damals noch konservativen Gesellschaft, in der die meisten Frauen finanziell nicht unabhängig waren, wurden die Fußballarenen zu Orten, die hauptsächlich von Männern besucht wurden.

Haben weibliche Fans eine spezielle Rolle im Kampf gegen Hooligans?

Wenn man über organisierte Fangruppen spricht, ist es interessant hervorzuheben, dass diese Gruppen in Brasilien oft mit Gewaltbereitschaft assoziiert werden, weil sie durch ihr Verhalten in die Nähe von Hooligan-Gruppen gerückt sind. Einige Studien führen den Schwund von Zuschauerinnen in brasilianischen Stadien vor allem in den 1980er-Jahren auf eben jene Gruppen und insbesondere ihr Verhältnis zur Gewalt zurück. Tatsächlich wurden damals organisierte Fangruppen oft mit Chaos und Vandalismus in Verbindung gebracht, was wahrscheinlich viele Frauen von den Stadien ferngehalten hat. Es ist wichtig zu betonen, dass der Publikumsschwund in den Stadien des Landes, der in jener Dekade auffällig wird, bereits – wie andere Studien zeigen – ab Mitte der 1970er-Jahre einsetzte. Dieses Phänomen ist nicht allein auf die Gewalt zurückzuführen, sondern auf eine Reihe von Faktoren, die auch mit der wirtschaftlichen und administrativen Struktur des brasilianischen Fußballs zu tun haben.

Das Auftreten von Gewalt zwischen Fans wird heutzutage von der brasilianischen Sportpresse aufmerksam verfolgt. Die Presse führt eine regelrechte Kampagne dafür, dass gewalttätige Fans hart bestraft und aus den Stadien entfernt werden. Im Rahmen dieser Kampagne erscheint die Figur der Frau im Stadion als ein Symbol für den wünschenswerten Fußballs: ein Fußball ohne Schlägereien und geeignet dafür, dass sich an ihm ganze Familien erfreuen, und der durch die Fernsehübertragung Tausende von Heimen erreicht. Auf den Bildschirmen einiger Sender, die in Brasilien Fußball übertragen, sehen wir immer öfter schöne Frauen, älteren Frauen und Frauen mit Kindern. Diesen Bildern sollen dem Spektakel im Stadion eine friedliche Atmosphäre verleihen, die grundsätzlich konträr zu den Aktionen der Hooligans steht. Wie Richard Giullianotti zeigt, legen viele akademischen Debatten nahe, dass die größere Präsenz von Frauen in den Fußballstadien ein wichtiges Element sein kann, die Fans dazu zu bringen, sich friedlicher zu verhalten und die Gewalt zu verringern.

Auch in der Sportpresse wird diese These diskutiert. Doch sollte man auch folgendes bedenken: Wenn man glaubt, dass eine größere Zahl von Frauen in den Stadien ein Vehikel dafür sein kann, die Hooligans zu zähmen, bedient man sich vorurteilsbehaftete Bilder von Frauen und auch von Männern. Denn diese Vorstellung gründet sich auf eine stereotype Auffassung der Geschlechter, die suggeriert, dass Frauen im Unterschied zu Männern wegen ihrer mütterlichen und passiven "Natur" aggressiven Verhaltens abgeneigt seien. Ein solches Denken trägt wenig zur Legitimation der Rolle der Frau auf dem Feld des Fußballs in Brasiliens bei, denn obwohl ihre Anwesenheit in den Stadien jetzt gewünscht und gefeiert wird, nimmt man dabei stillschweigend an, dass Frauen eigentlich nur ihre Söhne, Ehemänner und Freunde ins Stadion begleiten.

Weltmeisterschaften bieten eine Gelegenheit dafür, dass Frauen als Fans sichtbarer werden. Auch wenn Frauen in der Werbung für die Weltmeisterschaft und in der medialen Berichterstattung über sie meist als Beiwerk eines Universums dargestellt werden, das in seinem Ursprung für Männer entworfen wurde. Nicht ohne Grund gibt es deshalb sowohl im Fernsehen als auch im Radio wenige professionelle Fußballmoderatorinnen, und wenn Zuschauerinnen von Sportreportern interviewt werden, ist es üblich, dass man von ihnen verlangt, einen Kommentar zur physischen Schönheit der Spieler abzugeben. Obwohl solche Stereotype überdauern, muss man dennoch hervorheben, dass die weibliche Präsenz in brasilianischen Stadien in den vergangenen Jahren zugenommen hat, ebenso wie die Zahl weiblicher Mitglieder von Fußballclubs: Der Verein mit den meisten Mitgliedern ist der Sportclub Internacional aus Porto Alegre, der an die 123.000 Mitglieder hat. Davon sind 22 Prozent Frauen.

Die Frau als Fan ist gerade dabei, ein weibliches Profil des Fanseins zu formen – ein Profil, das immer verbreiteter wird und in unterschiedlichen Medien zum Ausdruck kommt, die von den Stadionrängen bis hin zu den virtuellen Räumen des Internets reichen. Fußballanhängerinnen, ob in Gruppen oder als Einzelne, sind sichtbarer geworden und regen dazu an, neue Formen weiblicher Identität zu konstruieren.

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ist vergleichende Literaturwissenschaftlerin. Sie lehrt und forscht am Studien- und Forschungszentrum für Sport und Gesellschaft der Universidade Federal Fluminense in Rio de Janeiro.