Der Wehrpflicht kommt in einem demokratischen System eine besondere symbolische Bedeutung zu. Sie fordert von den Wehrpflichtigen die Bereitschaft, wenn nicht das eigene Leben so doch Lebenszeit für das Gemeinwesen zu opfern. In Deutschland galt die Wehrpflicht sogar als Ausdruck besonderer Verantwortung des wehrpflichtigen Bürgers für seinen Staat.
Politische Argumente spiegeln oftmals ihre Entstehungszeit. So galt seit dem 19. Jahrhundert auch in Mitteleuropa die übernommene Verpflichtung des Bürgers, seinen Staat zu verteidigen, als Bekräftigung einer engen Verbindung zwischen Bürgern und Gemeinwesen. Die allgemeine Wehrpflicht löste damals die stehenden Heere ab. Sie setzte die Identifikation des Soldaten mit seinem Staat und seiner Nation voraus. Zuvor hatte es Söldnerheere gegeben, die von Kriegsherren wie Unternehmen geführt und eingesetzt worden waren. Soldaten wie Söldner waren in der Regel in die Heere gepresst worden.
Die Anfänge: Revolutionen und Befreiungskriege
In der Amerikanischen Revolution der 1770er-Jahre war erstmals spürbar geworden, welche Kraft in der Bewaffnung einer Bevölkerung steckte, die sich zur Volkssouveränität bekannte und sich gegen eine Obrigkeit erhob. Die Französische Revolution brachte mit der "Levée en masse" (franz. Massenaushebung) die entscheidende Wende. Die Soldaten Napoleons identifizierten sich mit ihrer Nation und verteidigten die Ziele "ihrer" Revolution gegen die alten Mächte. Sie gehorchten keinem Zwang, dem militärischen "Drill", sondern unterwarfen sich freiwillig einer militärischen Disziplin, um die Schlagkraft der Truppen zu erhöhen. Wie eine Walze fegte die französische Armee nach der Revolution über Europa hinweg – im Selbstbewusstsein, nicht nur Frankreich zu verteidigen, sondern die neuen politischen Ideale der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit zu verbreiten.
Bekämpft wurden die französischen Truppen, die sich Europa unterworfen hatten, in den napoleonischen Kriegen von glühenden Verteidigern der von Frankreich angegriffenen und besetzten Länder. In Spanien und in Tirol stießen französische Truppen erstmals auf Gegner, die vor allem der Wille beseelte, ihr Land gegen Eindringlinge zu verteidigen. Die "Freiheitskriege" machten deutlich: Der Wehrwille der Bevölkerung konnte ungeahnte Kräfte entfalten, wenn er durch Patriotismus gespeist wurde.
Auch in Deutschland verhalf der sogenannte "Befreiungskrieg" gegen Frankreich (1813-1814) der Vorstellung von der allgemeinen Wehrpflicht als Bürgerpflicht zu einem ersten Durchbruch, zumindest schien es im Rückblick so. Tatsächlich konnte von einer allgemeinen Volksbewaffnung keine Rede sein, denn es waren freiwillige Soldaten und Verbände in den verschiedenen deutschen Staaten, die sich aus tiefer Bindung an den entstehenden deutschen National- und Kulturstaat entschlossen, ihr Leben einzusetzen.
Der Einführung der Wehrpflicht in Deutschland
Mit der Revolution von 1848 setzte sich in den deutschen Staaten erstmals der verfassungsstaatliche Grundsatz der Volkssouveränität gegen das monarchische Prinzip durch – wenn auch nur für kurze Zeit. Mit dem Scheitern der Badischen Aufstände triumphierte 1849 letztlich das preußisch-königliche Heer über demokratisch gesonnene Aufständische und bewaffnete Bürger.
Erst mit der Reichsgründung von 1871, einer "Revolution von oben", wurde die allgemeine Wehrpflicht in der Reichsverfassung festgeschrieben. Demnach war jeder männliche Deutsche grundsätzlich wehrpflichtig und musste, wenn tauglich, ab dem 20. Lebensjahr sieben Jahre lang in den Streitkräften dienen – zunächst als aktiver Soldat, später als Reservist und in der Landwehr. In ihrer aktiven Zeit unterlagen sie entscheidenden Einschränkungen: Soldaten besaßen kein aktives Wahlrecht, waren aber selbst wählbar. So sollte die bewaffnete Macht davor bewahrt werden, in die politischen Konflikte des Kaiserreichs hineingezogen zu werden.
Zugleich wird daran deutlich, dass der Interner Link: deutsche Obrigkeitsstaat dem Gedanken der Volksbewaffnung misstraute. Vielleicht sogar mit einer gewissen Berechtigung: So vertrat der Revolutionstheoretiker Friedrich Engels die Meinung, die deutschen Arbeitermassen hätten in der Armee Disziplin, gleichsam revolutionäre Manneszucht gelernt und so ihr revolutionäres Potential vergrößert. Die sozialdemokratischen Wahlerfolge ließen Engels von einer revolutionären Volksarmee träumen.
Erster Weltkrieg und Weimarer Republik
Dies erwies sich im Ersten Weltkrieg als Illusion, denn die Soldaten aller Nationen standen zu ihren Regierungen. Sie eilten – anfangs noch begeistert – zu den Fahnen und Interner Link: ertrugen einen vierjährigen Krieg mit Materialschlachten, die das Vorstellungsvermögen übertrafen. Dies führte zu einer Kritik am "Waffendienst" und zur Ausbreitung pazifistischer Vorstellungen. In den letzten Kriegsmonaten kam es zu Streiks. In deren Folge Interner Link: erhoben sich deutsche Einheiten gegen die militärische Führung und leiteten die Novemberrevolution ein, in der Arbeiter- und Soldatenräte eine entscheidende Rolle spielten. Pazifistische Ideen prägten seitdem ebenso manche Vorstellungen des staatlichen Zusammenlebens wie die konkurrierende Überzeugung, dass sich die Souveränität einer Nation gerade in ihrer Wehrfähigkeit niederschlage.
In der Weimarer Republik trat dieser Konflikt offen zu Tage. Der Interner Link: Versailler Friedensvertrag hatte die Wehrpflicht in Deutschland wieder abgeschafft. Das Deutsche Reich schrumpfte militärisch auf ein 100.000 Mann umfassendes Heer ohne Luftwaffe und mit einer Reichsmarine, deren größte Schiffseinheiten man Westentaschen-Panzerschiffe nannte. Im Kapp-Putsch von 1920, der ersten großen Krise der Weimarer Republik, weigerte sich die Reichswehr, in die innenpolitischen Kämpfe einzugreifen. Die Reichsregierung musste deshalb auf sogenannte Freikorps zurückgreifen. In Absprache mit der Obersten Heeresleitung (OHL) aufgestellt, setzten sich diese Freiwilligenverbände aus ehemaligen Frontsoldaten des Ersten Weltkriegs zusammen.
Unter den rund 400.000 Mitgliedern der Freikorps waren vor allem monarchistische und rechtskonservative Kräfte, die der demokratisch gewählten Reichsregierung eher ablehnend gegenüber standen. Sie wollten an die sogenannte "Befreiungszeit" (also an die napoleonischen Befreiungskriege) anknüpfen und kämpften vor allem gegen kommunistische Umsturzversuche. Die Armee und Regierung ließen sie gewähren. "Truppe schießt nicht auf Truppe", erklärte Seeckt, der Chef der Reichswehr, und verstärkte so die Tendenz der Abkapselung der bewaffneten Macht. Staat im Staate wollte sie sein, und wurde doch nur Spielball im Kampf um die Republik.
Hitlers Wehrmacht und militärischer Widerstand
Sieger waren letztlich die entschiedenen Gegner der Weimarer Republik, deren Republikfeindschaft von den Nationalsozialisten unter Adolf Hitler politisch artikuliert wurde. Hitler wusste, dass allein die Reichswehr seiner Herrschaft gefährlich werden konnte. Ein Jahr nach seiner Machtübernahme 1934 als Reichskanzler übernahm er auch das Amt des Reichspräsidenten. Die Soldaten der Reichswehr wurden nun nicht mehr auf die Verfassung sondern direkt auf die Person Adolf Hitlers vereidigt. Entgegen der Bestimmungen des Versailler Vertrages rüstete Hitler auf und führte 1935 die allgemeine Wehrpflicht wieder ein. Jeder deutsche Mann zwischen dem 18. und 45. Lebensjahr war wehrpflichtig, die aktive Dienstzeit betrug zunächst ein, später zwei Jahre. Die neu benannte Wehrmacht wurde zur Stütze von Hitlers Herrschaft und war Bedingung für die Umsetzung seiner Expansionsbestrebungen - der "Eroberung von Lebensraum im Osten".
Verweigerung des Dienstes mit der Waffe bedeutete in der Wehrmacht oft den Tod. Es waren nur wenige Regimegegner, die sich zum Bruch ihres Eides auf Hitler als "Befehlshaber und Führer" durchrangen und sich für die Beteiligung am militärischen Widerstand entschieden. Mit dem Kriegsende begann eine entscheidende Phase der Zivilisierung des Militärs durch die Unterstellung der bewaffneten Macht unter Politiker, die sich den Normen des Rechtsstaates und des Parlamentarismus unterstellten.
Wiederbewaffnung und Bundeswehr
Den Missbrauch der Wehrpflicht durch den NS-Staat sollte bedenken, wer sich zur Wehrpflicht als eine Art Grundlage demokratischer Ordnung bekennt. Die längste Zeit lag die Wehrpflicht vor allem im Interesse der Machthaber von Obrigkeitsstaat und der Diktatur. Erst in der Bundesrepublik Deutschland wurde die Wehrpflicht in einer deutschen Verfassung verankert (Art. 12a GG), die sich zur Gewaltenteilung und zu den Grundrechten bekannte. Die 1955 geschaffene Bundeswehr war eingebunden in die Nato und festigte rasch nach einigen Geburtswehen ein neues politisches Selbstverständnis. Im Laufe der Zeit trat in der Traditionsbildung die Bedeutung der Wehrmacht zurück. Als traditionsbildend galten seitdem die Zeit der "Befreiungskriege" und der Widerstand gegen den Nationalsozialismus.
Artikel 12a GGWehrpflicht und Ersatzdienst
(1) Männer können vom vollendeten achtzehnten Lebensjahr an zum Dienst in den Streitkräften, im Bundesgrenzschutz oder in einem Zivilschutzverband verpflichtet werden.
(2) Wer aus Gewissensgründen den Kriegsdienst mit der Waffe verweigert, kann zu einem Ersatzdienst verpflichtet werden. Die Dauer des Ersatzdienstes darf die Dauer des Wehrdienstes nicht übersteigen. Das Nähere regelt ein Gesetz, das die Freiheit der Gewissensentscheidung nicht beeinträchtigen darf und auch eine Möglichkeit des Ersatzdienstes vorsehen muß, die in keinem Zusammenhang mit den Verbänden der Streitkräfte und des Bundesgrenzschutzes steht.
(3) Wehrpflichtige, die nicht zu einem Dienst nach Absatz 1 oder 2 herangezogen sind, können im Verteidigungsfalle durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes zu zivilen Dienstleistungen für Zwecke der Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung in Arbeitsverhältnisse verpflichtet werden; Verpflichtungen in öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse sind nur zur Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben oder solcher hoheitlichen Aufgaben der öffentlichen Verwaltung, die nur in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis erfüllt werden können, zulässig. Arbeitsverhältnisse nach Satz 1 können bei den Streitkräften, im Bereich ihrer Versorgung sowie bei der öffentlichen Verwaltung begründet werden; Verpflichtungen in Arbeitsverhältnisse im Bereiche der Versorgung der Zivilbevölkerung sind nur zulässig, um ihren lebensnotwendigen Bedarf zu decken oder ihren Schutz sicherzustellen.
(4) Kann im Verteidigungsfalle der Bedarf an zivilen Dienstleistungen im zivilen Sanitäts- und Heilwesen sowie in der ortsfesten militärischen Lazarettorganisation nicht auf freiwilliger Grundlage gedeckt werden, so können Frauen vom vollendeten achtzehnten bis zum vollendeten fünfundfünfzigsten Lebensjahr durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes zu derartigen Dienstleistungen herangezogen werden. Sie dürfen auf keinen Fall zum Dienst mit der Waffe verpflichtet werden.
(5) Für die Zeit vor dem Verteidigungsfalle können Verpflichtungen nach Absatz 3 nur nach Maßgabe des Artikels 80a Abs. 1 begründet werden. Zur Vorbereitung auf Dienstleistungen nach Absatz 3, für die besondere Kenntnisse oder Fertigkeiten erforderlich sind, kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes die Teilnahme an Ausbildungsveranstaltungen zur Pflicht gemacht werden. Satz 1 findet insoweit keine Anwendung.
(6) Kann im Verteidigungsfalle der Bedarf an Arbeitskräften für die in Absatz 3 Satz 2 genannten Bereiche auf freiwilliger Grundlage nicht gedeckt werden, so kann zur Sicherung dieses Bedarfs die Freiheit der Deutschen, die Ausübung eines Berufs oder den Arbeitsplatz aufzugeben, durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden. Vor Eintritt des Verteidigungsfalles gilt Absatz 5 Satz 1 entsprechend.
Die Geschichte der Bundeswehr wurde in diesem Zusammenhang stärker bestimmend für die neue, demokratische Traditionsbildung, die die Grundwerte und die freiheitliche Verfassungsordnung als Grundlage politischer Loyalität deutete.
In der Tat ist die Geschichte der Bundeswehr seit den fünfziger Jahren der Beleg für den gelungenen Aufbau einer Parlamentsarmee, die sich in vielen zivilen Einsätzen in den sechziger Jahren bei Flutkatastrophen und Erdbeben, aber auch in den europäischen Konflikten und den Auslandseinsätzen der neunziger Jahre bewährt hat. Nach dem europäischen Umbruch 1989/90 wurde diese traditionsbildende Kraft der Bundeswehr immer stärker betont. Zugleich aber wurde immer häufiger über eine Abschaffung der Wehrpflicht nachgedacht. Dies war auch eine Folge der Tatsache, dass die Bundesrepublik Deutschland ab 1990 erstmals nur von Staaten umgeben war, die ihr friedlich gesonnen waren.
Kriegsdienstverweigerung als Grundrecht
Mit der Wiederbewaffnung der Bundesrepublik 1955 wurde das Recht zur Verweigerung des Kriegsdienstes in das Grundgesetz – Art. 4 Abs. 3 GG – aufgenommen. Grundsätzlich kann jeder männliche Deutsche ab dem 18. Lebensjahr zum Wehrdienst eingezogen werden. Das Recht, dies zu verweigern, war in den fünfziger und sechziger Jahren entscheidend für die Akzeptanz der Wehrpflicht. Hinzu kam ein neues politisch-militärisches Leitbild: Der Soldat galt als "Bürger in Uniform". Das neue Konzept der "inneren Führung" wurde ergänzt durch den Wehrbeauftragten, der als "Hilfsorgan des Bundestages" auch den "Schutz der Grundrechte" der Soldaten zu gewährleisten hatte (Art. 45b GG).
Kriegsdienstverweigerer hatten einen Wehrersatzdienst zu leisten. Im Laufe der Jahrzehnte ereignete sich dabei ein bemerkenswerter Wandel: Zunehmend seltener wurde der Wehrersatzdienst als "Drückebergerei" herabgewürdigt, sondern als Ausdruck derselben Verantwortung für den Staat und seine Gesellschaft empfunden wie der "Dienst an der Waffe". In dieser Hinsicht unterschied sich die Bundesrepublik Deutschland von der DDR. Im SED-Staat gab es keine Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen. Entschiedene Gegner des Waffendienstes wurden als "Bausoldaten" verpflichtet und hatten erhebliche Nachteile, etwa beim Studium, zu gewärtigen.
Die Beispiele des Kaiserreichs, des NS-Staates und der DDR machen deutlich, dass die Wehrpflicht keineswegs eine Garantie bietet, die bewaffnete Macht zu einem Bestandteil der zivilen, demokratischen Gesellschaft werden zu lassen. Entscheidender als die zwangsweise Verpflichtung aller zum Dienst mit der Waffe sind die politischen Ziele und dienstlichen Umgangsformen. Die Führung der Bundeswehr bekannte sich zur Menschenwürde als Verpflichtung aller staatlichen Gewalt und unterstellte sich einer parlamentarisch kontrollierten politischen Führung, die den Primat des Politischen verkörperte.
Wehrgerechtigkeit und Einsatzarmee
Seit den neunziger Jahren wurde die allgemeine Wehrpflicht immer seltener prinzipiell gerechtfertigt. Dies war eine Folge zunehmender Freistellungen vom Wehrdienst. Es wurden nicht mehr wie in den Jahrzehnten zuvor einzelne Jahrgänge fast vollständig gemustert und eingezogen. Zunehmend spiegelte die Zahl der Wehrpflichtigen vor allem den schwindenden Personalbedarf der Bundeswehr an Rekruten. Weil der Gleichheitsgrundsatz bei der Einziehung der Wehrpflichtigen gewahrt werden musste, wurde die Wehrpflicht immer stärker in Zweifel gezogen – bis vor das Bundesverfassungsgericht. Dort hatte 2004 die bis dahin geltende Praxis dennoch – knapp - Bestand.
Ein weiteres Argument gegen die Wehrpflicht gewann zunehmend an Bedeutung: In ihrer neuen Rolle als Einsatzarmee verlangte die Bundeswehr nach bestens ausgebildeten Spezialisten, die sich nicht innerhalb weniger Monate heranbilden ließen. Auch die Kosten der Wehrpflicht erwiesen sich zunehmend als zu hoch. Sparauflagen schränkten den Spielraum für Einberufungen ein. Schließlich wurde der Wehrdienst vor allem beibehalten, weil den Ersatzdienstleistenden in den Sozialsystemen große Bedeutung zukam, um dort Kosten zu senken. Irgendwann ließ sich kaum mehr bezweifeln, dass sich der entlastende soziale Ersatzdienst nicht mehr durch die Wehrpflicht begründen oder halten lässt.
Die Aussetzung der Wehrpflicht
Zum 1. Juli 2011 wurde die Wehrpflicht in Deutschland ausgesetzt. Die Bundeswehr war damit eine Freiwilligenarmee. Der Entscheidung vorangegangen war eine Interner Link: jahrelang emotional geführte politische und gesellschaftliche Debatte über die Bedeutung der Wehrpflicht für einen demokratischen Staat. Dass die Wehrpflicht nicht bereits vorher abgeschafft wurde, lag vor allem an der Überzeugung, die Wehrpflicht schlösse die Kluft zwischen Militär und Gesellschaft. Von der Hand zu weisen ist dieses Argument nicht, in historischer Perspektive sprechen aber ebenso starke Argumente gegen die Wehrpflicht. Denn es waren Diktaturen und Obrigkeitsstaaten, die die Wehrpflicht missbraucht haben. Es war hingegen der Verfassungsstaat, der das Leitbild vom "Bürger in Uniform" durchsetzte, zum Nutzen des ganzen Gemeinwesens und seiner bewaffneten Macht.
In Zukunft wird es darauf ankommen, dass die Bundeswehr sich nicht als hochprofessionalisierte Spezialisten-Armee von der Gesellschaft isoliert, dass aber auch die Gesellschaft ihre Soldaten, die lebensgefährliche Einsätze absolvieren, weiterhin als Teil ihrer selbst anerkennt. Nur weil die Wehrpflicht abgeschafft worden ist, stellt die Bundeswehr keine Berufsgruppe dar, die vergleichbar ist mit anderen gesellschaftlichen Ordnungs- und Sicherheitskräften wie der Polizei oder der Feuerwehr. Die Bundeswehr ist eine wichtige Voraussetzung für die Stärkung und Durchsetzung nationaler Interessen. Seit der Abschaffung der Wehrpflicht stellt die politische Integration der Bundeswehr die demokratische Gesellschaft vor neue politische Aufgaben, die vielleicht von größerer Bedeutung sind als die Aussetzung der Wehrpflicht aus Haushaltszwängen.