Die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik Deutschland erfolgte in mehreren Etappen. Sie gilt als Zeugnis der Eigenständigkeit des westdeutschen Staates und zugleich als diplomatischer und politischer Erfolg des ersten deutschen Bundeskanzlers Konrad Adenauer. Ihre Voraussetzung war der Deutschlandvertrag, der als Teil der Pariser Verträge am 5. Mai 1955 in Kraft trat. Damit endete im Westen Deutschlands offiziell das Besatzungsregime der USA, Frankreichs und Großbritanniens. Der Regierung in Bonn wurde nominell die "volle Macht" eines souveränen Staates übertragen. Tatsächlich blieben in beiden deutschen Staaten Vorbehaltsrechte der vier Siegermächte des Zweiten Weltkrieges bis zur Einigung 1990 erhalten, abgesichert durch völkerrechtliche Verträge. Interner Link: Die Souveränität Deutschlands blieb damit de facto eingeschränkt.
Ein erstes offizielles Zeichen – und international hoch beachtet – war die Ernennung von Theodor Blank am 8. Juli 1955 zum "Bundesminister für Verteidigung", nachdem dieser zuvor das "Amt Blank" geleitet hatte, das seit Beginn der 1950er Jahre mit der Vorbereitung der Wiederbewaffnung betraut war. Die Bundesrepublik war der NATO bereits am 6. Mai 1955* beigetreten. Denkwürdige Tage wurden gewählt: hier der Tag der totalen Kapitulation von 1945, dort der offizielle Gründungstag der Bundeswehr am 12. November 1955, dem 200. Geburtstag des preußischen Generals Gerhard von Scharnhorst. Interner Link: Die Bundeswehr wurde so auch in die Tradition der preußischen Reformen gestellt, die Scharnhorst entscheidend mitgeprägt hatte. An diesem Tag erhielten oberste Generale wie Adolf Heusinger und Hans Speidel sowie hundert Offiziere und Unteroffiziere ihre Ernennungsurkunden als Soldaten, viele von ihnen Interner Link: ehemalige Soldaten in Hitlers Wehrmacht. Dieses deutsche Militär wurde immer noch und über Jahre hinaus "neue Wehrmacht" genannt.
Personelle Kontinuitäten: die "neue Wehrmacht"
Die Bundeswehr war zu Beginn eine Kaderarmee. Sie bestand also zunächst nur aus Offizieren und Unteroffizieren der ehemaligen Wehrmacht. Die ersten freiwilligen Rekruten der Bundeswehr wurden im Januar 1956 eingestellt. Organisatorisch hatte sich seit den Tagen der Wehrmacht nichts geändert. Die Teilstreitkräfte – Heer, Marine, Luftwaffe – blieben als einzelne, beinah separate Teile des Militärs erhalten. Sorgsam achteten sie auf ihre Selbständigkeit und die Unabhängigkeit des Oberbefehls ihrer Inspekteure. Der Generalinspekteur wurde erst später ernannt, ohne eigene Befugnisse gegenüber diesen Truppenteilen. Dieses Dilemma in der Hierarchie, keine einheitliche verantwortliche Spitze zu haben, hat über Jahrzehnte die militärische Führung der Bundeswehr wie auch die politische Leitung im Bundesverteidigungsministerium belastet.
Entsprechend dieser Aufsplitterung der Gliederung war es gleich zu Beginn der Wiederbewaffnung geradezu typisch, dass alle drei Teilstreitkräfte ihre Gründung getrennt feierten: Während die Luftwaffe ihre Aufstellung mit Lehrkompanien in Nörvenich begang, feierte die Marine in Wilhelmshaven. Auf dem Festakt des Heeres in Andernach am 20. Januar 1956 rief Kanzler Adenauer schließlich den "Tag der deutschen Streitkräfte" aus. Mit alten Ritualen und öffentlichem Gepränge wurde die Aufstellung einer Armee, die so bezeichnete Wiederbewaffnung Deutschlands, begangen.
Fast zwei Jahre benötigten die ersten Einheiten der Bundeswehr, ihre praktische und ideelle Kompetenz aufzubauen. Ihrem Selbstverständnis nach suchten sie ihre Rolle im Kalten Krieg an der Seite des Westens, gegenüber dem neuen alten "Feind" im Osten, der Sowjetunion. Aufgrund der persönlichen Erfahrungen im Ostfeldzug der Wehrmacht war für viele deutsche Soldaten der Begriff der "neuen Wehrmacht" leicht zu füllen.
Exkurs: Aufstellung der BundeswehrDer Personalgutachterausschuss
In den Aufbaujahren der Bundeswehr war es schwierig, erfahrenes Ausbildungs- und Führungspersonal zu rekrutieren, das eine "unbelastete" Vergangenheit hatte. Viele der sich freiwillig Meldenden waren ehemalige Angehörige der Wehrmacht oder anderer Verbände wie der Waffen-SS.
Um sicherzustellen, dass unter den Freiwilligen keine Kriegsverbrecher oder Täter des nationalsozialistischen Regimes waren, setzte das Parlament 1955 per Gesetz den Personalgutachterausschuss ein. Die Mitglieder waren 25 Männer und Frauen aus dem öffentlichen Leben und 13 ehemalige Berufssoldaten der Wehrmacht.
Der Ausschuss sollte zum einen Bewerber für leitende Posten (ab dem Dienstgrad Oberst aufwärts) auf deren persönliche Eignung prüfen, und zum anderen Richtlinien bestimmen, nach denen die übrigen Freiwilligen zur Bundeswehr zugelassen werden sollten. Zu den Eignungskriterien zählten neben charakterlichen Eigenschaften, Bildungsstand und Leistungsfähigkeit vor allem die Belastung der Bewerber im nationalsozialistischen Regime und ihre Einstellung zur Widerstandsgruppe des 20. Juli 1944.
Ausgeschlossen vom Dienst in der Bundeswehr wurden ausdrücklich Kriegsverbrecher, Generale und Oberste der Waffen-SS sowie Mitglieder verfassungsfeindlicher Parteien oder Vereinigungen. Ehemalige Angehörige der SS und des SD durften nur unter "besonderen Umständen" oder mit persönlicher Genehmigung des Bundesverteidigungsministers eingestellt werden. Ebenfalls ausgeschlossen waren u.a. Mitglieder des kommunistischen "Nationalkommitees Freies Deutschland", in dem sich deutsche Kriegsgefangener und Emigranten in der Sowjetunion zusammengeschlossen hatten, und allgemein Mitglieder "politisierender Wehrverbände".
Bis zur Vorlage des Abschlussberichts im Dezember 1957 wurden dem Personalgutachterausschuss durch das Bundesministerium für Verteidigung 553 Bewerbungen zur Prüfung vorgelegt. Davon wurden 470 angenommen, 51 abgelehnt und die restlichen 32 wurden durch den Antragssteller zurückgezogen.
Weiterführende Informationen:
Die Redaktion, 23.06.2014
Erst nach dieser Phase der Stabilisierung der Bundeswehr und dem Rückgriff auf Personal und Traditionsbestände der Wehrmacht wurde 1956 die allgemeine Wehrpflicht wieder eingeführt. Im April 1957 wurden die ersten Wehrpflichtigen einberufen. Die militärische Dienstpflicht für junge Männer war die Voraussetzung für den angestrebten großen Umfang der Bundeswehr als Massenarmee: Der Friedensumfang der Bundeswehr bekam Konturen, bis dann um 1965 die Größenordnung von 500.000 Soldaten erreicht wurde.
Internationale Kontrolle und Westbindung
Vor der Wiederbewaffnung standen das Ende des NS-Regimes und die totale Kapitulation der Wehrmacht im Mai 1945. Diese Umstände hatten gewichtige Auswirkungen für die Wiederbewaffnung und die spätere Bundeswehr. Denn die Festlegung der obersten Ziele der alliierten Politik nach dem Weltkrieg erfolgte nach den historischen Erfahrungen – eine Lehre aus der Geschichte. Aus Sicht der Alliierten lag eine Ursache der europäischen Kriege des vergangenen Jahrhunderts im preußisch-deutschen Militarismus.
Die vier großen Alliierten des Krieges - die USA, die Sowjetunion, Großbritannien und Frankreich – waren sich zuletzt auf der Potsdamer Konferenz im August 1945 einig darin, für die Zukunft eine "Bedrohung des Weltfriedens" durch Deutschland zu verhindern und "Nazismus und Militarismus in jeder Form" auszuschalten. Das bedeutete Entmilitarisierung und die Kontrolle der deutschen Politik. Ein Vier-Mächte-Regime wurde über Deutschland errichtet, das die Verantwortung für die Einhaltung dieser Ziele garantieren sollte.
Trotz des allmählichen Auseinanderdriftens in westliche und östliche Interessensphären und die entsprechende Gründung der beiden deutschen Staaten 1949 blieb diese gemeinsame alliierte Zuständigkeit bis 1990 erhalten. Unterhalb dieses alliierten Schirmes entwickelte sich der alte politisch-ideologische Konflikt zwischen Ost und West erneut und gab den Besatzungsmächten in ihren Zonen den Spielraum, sowohl die Bundesrepublik Deutschland als auch die DDR aufzubauen.
Die Spannungen des Kalten Krieges und der Beginn des Korea-Krieges im Sommer 1950 schufen die Voraussetzungen für die westliche Wiederbewaffnung. Sie wurde – im Sinne der Lehre aus der Geschichte – seitens der West-Alliierten als ein System der "doppelten Eindämmung" (Rolf Steininger) konzipiert: Schutz gegenüber dem Kommunismus und Sicherheit vor Deutschland. Dieses System bildet den politisch-historischen Rahmen, in dem die Wiederbewaffnung gegen vielfache Bedenken in Europa ermöglicht wurde.
Die Sicherheit vor Deutschland verlangte, das deutsche Militär einzudämmen und zu kontrollieren. Dafür wurde eine bestimmte NATO-Struktur aufgebaut, in die alle deutschen Truppen voll integriert wurden. Über Jahrzehnte hatte kein deutscher Offizier eine eigenständige Einsatzkompetenz über seine Soldaten. Die deutsche Sicherheitspolitik und die Bundeswehr unterlagen den 1955 eingerichteten „Vorbehaltsrechten“ der drei westlichen Alliierten.
Darüber hinaus wurde eine ungewöhnlich hohe Transparenz der Bundeswehr und aller militärischen Kapazitäten in der Bundesrepublik durch die Interner Link: Westeuropäische Union (WEU) hergestellt. Sie hatte weitreichende Kompetenzen, die Auflagen für die Rüstungsindustrie sowie alle Waffenbestände und Kasernen, die Depots und Geräte der Bundeswehr selbst zu kontrollieren. In Hunderten von Vor-Ort-Inspektionen wurden die deutschen Streitkräfte überprüft. Die Wiederbewaffnung war ein politischer Akt der nach Souveränität strebenden Bonner Republik, der zugleich die Grenzen ihrer Handlungsfähigkeit deutlich machte.
Deutsche Initiativen zur Wiederbewaffnung
Die Wiederbewaffnung war nicht denkbar ohne deutsche Initiativen. Adenauer war von Anfang an der maßgebliche politische Förderer der Militärpolitik. Sein Denken war geprägt vom Ideal eines klassischen Nationalstaats mit Militär als Zeichen und Instrument souveräner Macht, wie er es zu Zeiten von Kanzler Bismarck im Kaiserreich verwirklicht glaubte. Spuren solcher Aktivitäten gab es schon bald nach Kriegsende; so hatten ihm seit 1947 ehemalige Wehrmachts-Generale Studien zur "Sicherheit Westeuropas" geliefert; ein Memorandum vom Juni 1948 forderte, unter US-Oberbefehl deutsche "Panzertruppen (…) anstelle von Besatzungstruppen" (Hans Speidel) aufzustellen. Darin sind bereits Elemente der späteren Wiederbewaffnung erkennbar: westeuropäische politische Bindungen und die westliche Einbindung deutscher Truppen.
Gleich nach der Gründung der Bundesrepublik im September 1949 startete der Kanzler seine Aufrüstungsinitiativen. Öffentlich behutsam und mit Bedacht bereitete er sein Konzept vor; entscheidend jedoch war die hinter den Kulissen vorangetriebene Abklärung mit den Vertretern der Besatzungsmächte, mit den Hohen Kommissaren, an deren Spitze Adenauer den US-Amerikaner und Hochkommissar John McCloy sah. Mit ihm wurden die entscheidenden Zusagen verabredet. Den durchschlagenden Erfolg verbuchte der Kanzler Anfang September 1950 mit offiziellen Noten an die Außenministerkonferenz der Westmächte in New York. In diesen Noten präsentierte der Kanzler die zwei Säulen seiner Politik: "Erlangung der Souveränität" nur "als Folge der Wiederbewaffnung" (Konrad Adenauer). Die Aufrüstung der Bundesrepublik war also ein zentrales Element der deutschen Politik der Westintegration.
Vertraulichkeit politischen Handelns war die Voraussetzung für den Erfolg dieses Konzepts. Seit Beginn des Jahres 1950 war die Kompetenz für Besprechungen mit den Alliierten auf dem Petersberg bei Bonn in den Händen des ehemaligen Generals Gerhard Detlef Graf von Schwerin gebündelt; er leitete das Militärreferat im Kanzleramt, getarnt als "Zentrale für Heimatdienst". Von hier aus arrangierte man in strikt geheimen, intensiven Besprechungen vor allem mit dem amerikanischen General George Hays die Bedingungen der Wiederbewaffnung.
Armee im Geiste der Wehrmacht
Ein wesentlicher Schritt in diese Richtung war am 6. Oktober 1950 getan. Im Eifelkloster Himmerod entwarfen deutsche Militärs die grundlegende Planung für die Bundeswehr: die "Magna Charta der deutschen Wiederbewaffnung" (Hans-Jürgen Rautenberg). Das darin erarbeitete militärische und sicherheitspolitische Konzept fügte sich in den aktuellen Ost-West-Konflikt ein, basierte aber auf den operativen Maximen des Generalstabs des Ostfeldzugs der Wehrmacht, die in der Sowjetunion einen Angriffskrieg geführt hatte. Manches klang wie eine Wiederauflage alter Kriegspläne: Es ginge in der Zukunft um eine europaweite "Gesamtverteidigung von den Dardanellen bis nach Skandinavien". Man verstand Verteidigung dabei "von vornherein offensiv" und sah die Bewaffnung mit "modernen Waffen", sprich: Atombomben, vor. Totaler Krieg ganz im Geist der Wehrmacht.
Diese "Himmeroder Denkschrift" kann als eigentliche Geburtsstunde der Bundeswehr bezeichnet werden. Sie war ambivalent gehalten: So wie sie im Selbstverständnis der Wehrmacht abgefasst war, so enthielt sie auch den Keim der Militärreform. Wolf Graf von Baudissin hatte einige Kernsätze für die Militärreform gemäß den Werten des Grundgesetzes formuliert und damit jene Ausrichtung, die später mit dem "Staatsbürger in Uniform" und dem Konzept der "Inneren Führung" bezeichnet werden sollte, gegen den Widerstand des vorherrschenden Generalsdiskurses durchgesetzt. Das bedeutete: Anerkennung des Primats der Demokratie und des Pluralismus, ebenso keine "Staat-im-Staate-Bildung" des Militärs wie zur Zeit der Weimarer Republik. Diese Art der Wiederbewaffnung erzeugte Spannungen innerhalb der Streitkräfte. Zwei "Fronten" entstanden: Traditionalisten gegen Reformer – eine Last über Jahrzehnte.
Das Problem wurde manifest, weil es den traditionalistischen Offizieren 1955 gelang, die Verwirklichung der "Inneren Führung" in den Zuständigkeitsbereich des Generalinspekteurs zu verlagern. Da er keine Weisungsbefugnis gegenüber den Inspekteuren der einzelnen Teilstreitkräfte erhielt, konnte er das Reformkonzept nicht "befehlen"; und jene disparate Geschichte nahm ihren Lauf, die Bundeswehr nach dem Vorbild der Wehrmacht, ihrer Doktrinen und dem althergebrachten Denken des von der Gesellschaft abgekapselten Militärs aufzubauen. Skandale und Affären der sechziger Jahre finden darin ihre Erklärung. Mit der Reformpolitik des Verteidigungsministers Helmut Schmidt nach 1969, die neben einer umfassenden Bildungsreform auch eine pluralistische Öffnung der Armee beinhaltete, verabschiedete sich die Bundeswehr spürbar von ihrer Wehrmachts-Vergangenheit, bis sie diese Traditionslinien 1982 mit dem "Traditionserlass" endgültig kappte.
Gesellschaftliche Proteste
Die Wiederbewaffnung erregte die Gemüter. Der Begriff der Remilitarisierung machte die Runde. Vehemente Proteste fanden hauptsächlich zwischen 1949 und 1955 statt; in der Phase bis 1965 stand dann vor allem die Atombewaffnung im Fokus der öffentlichen Auseinandersetzung.
Starke Persönlichkeiten waren berühmt für ihr öffentliches Eintreten gegen die deutsche Wiederbewaffnung. Martin Niemöller, Karl Kaiser, Gustav Heinemann zählten auf politischer Seite dazu, ebenso der Nobelpreisträger Albert Schweitzer, der katholische Priester Franziskus M. Stratmann oder auch der Philosoph Karl Jaspers. Aufsehen erzielte 1957 die Warnung von 18 deutschen Naturwissenschaftlern, darunter die Nobelpreisträger Otto Hahn und Werner Heisenberg und auch Carl Friedrich von Weizsäcker, die Bundeswehr mit Atomwaffen auszustatten (Göttinger Manifest). Sie alle suchten eine friedensorientierte europäische Lösung, auch der Einheit Deutschlands; sie verbindet das Ideal von Partizipation und Pazifismus, von der einzigartigen Würde des Menschen.
Große Resonanz fanden seit dem Frühsommer 1950 die Friedensaufrufe gesellschaftlicher Gruppen. Die Proteste der evangelischen Synoden und der kirchlichen Jugendverbände gegen die Aufrüstung und die Wehrpflicht wurden laut. Auch die Gewerkschaften, mit Nachdruck auf lokaler Ebene, folgten. Dann faszinierte, von England her, das Modell der Ostermarschierer; es gab die ersten Massendemos der Friedensbewegung. Die antimilitärischen Proteste spielten eine große Rolle in den Medien.
Adenauer organisierte eine massive Gegenpolitik und versuchte mit rigiden Kampagnen, Personen und Proteste zu diffamieren, dämonisiert als Gehilfen Moskaus. Beispielsweise sah Adenauer in der Evangelischen Kirche eine "Spielart der kommunistischen West-Infiltration". Der Kalte Krieg dominierte mit ideologisch eingesetzten Bedrohungsszenarien und dem Feindbild des Bolschewismus. Alte Ängste dienten als Projektionsfläche: der Feind von außen agierte zugleich als "fünfte Kolonne" im Innern. Auch wenn Adenauers Politik der Wiederbewaffnung am Ende erfolgreich war, führte sie zu beträchtlichen innenpolitischen Belastungen. Sie gelang nicht ohne Ängste und Unfreiheiten zu erzeugen.
Die Wiederbewaffnung steht für einen komplizierten Weg in der Geschichte der Bundesrepublik, schließlich ging es darum, an die Vergangenheit von vor 1945 anzuknüpfen und zugleich eine neue Richtung hin zu demokratisch-freiheitlichen Werten einzuschlagen. Die Aufstellung von Streitkräften war in dieser Form nicht ohne Risiken, da man 1955 oder 1960 nicht voraussehen konnte, dass eine dezidierte Reformpolitik nach 1969 tatsächlich eingeleitet werden würde. Ohne diese Reformen ist das Profil der Bundeswehr und der Bundesrepublik heute nicht zu denken.
* Korrekturhinweis: Wir haben ein falsches Datum korrigiert. Der offizielle Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zur NATO fand nicht am 9. Mai, sondern am 6. Mai 1955 statt, nachdem die letzte Ratifizierungsurkunde der NATO-Mitgliedstaaten in Washington hinterlegt worden war. Am 9. Mai fand das erste NATO-Ministertreffen unter deutscher Beteiligung statt. (Anm. d. Redaktion, 26. Mai 2017)