An den Ersten Sekretär des ZK der KPdSU
Gen. Chruschtschow N.S.
SEHR GEEHRTER NIKITA SERGEJEWICH!
Bei einem Treffen der Partei- und Staatsführung mit Schriftstellern und Künstlern am 8. März 1963 haben Sie in Ihrer Rede zu den schwerwiegenden Folgen des Personenkults um Stalin gesagt:"Unsere Partei hat davon dem Volk die ganze Wahrheit erzählt"
Aufgrund der Tatsache, dass die während des Großen Vaterländischen Krieg diffamierten und ihrer nationalen Selbstverwaltung im Rahmen der bestehenden Autonomen Republik beraubten Wolgadeutschen noch nicht rehabilitiert sind, erlaube ich es mir als Mitglied der Kommunistischen Partei Ihnen folgende Fragen zu stellen:Ob Sie zusammen mit Stalin die Verantwortung für die verübte Willkür – die Verbannung der Wolgadeutschen aus ihren Häusern aufgrund des Erlasses vom 28. August 1941 – teilen?
Wenn nicht, warum wird in der Presse und in den Auftritten die Wahrheit darüber verschwiegen?Halten Sie die Beschuldigung der ganzen Nation – der Wolgadeutschen – Spionage und Sabotage begangen zu haben, wie es im Erlass [vom 28. August 1941] behauptet wird, für wahrhaft und plausibel?
Wenn nicht, warum wird dieser Erlass bisher nicht aufgehoben?Sind Sie der Ansicht, dass in dem Land, das sich im Aufbau des Kommunismus befindet, die Diskriminierung der deutschen Bevölkerung der Sowjetunion gemäß dem Dekret vom 13. Dezember 1955 zulässig ist?
Angesichts der Tatsache, dass diese Fragen nicht nur für mich, sondern für die gesamte deutsche Bevölkerung der UdSSR vom Interesse sind, wäre es wünschenswert, dass Sie auf sie in aller Ihnen eigenen Aufrichtigkeit offen in der Presse antworten würden.
8. April 1963
R. Köln, Mitglied der KPdSU seit 1924