Kurze Geschichte der Einwanderung nach Südamerika
Südamerika war seit seiner Entdeckung Ende des 15. Jahrhunderts immer wieder Ziel europäischer Migrant_innen, etwa im 19. und 20. Jahrhundert oder auch jüngst im Zuge der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008 – wenn auch in wesentlich geringerem Ausmaß. Die europäische Auswanderung, die zwischen 1820 und 1930 den amerikanischen Doppelkontinent erreichte, ist als "große europäische Einwanderung", die Migrant_innen als "europäische Diaspora" bekannt. Die Eingewanderten stammten hauptsächlich aus ländlichen Gegenden Europas; ein Mangel an Arbeitsgelegenheiten und Bevölkerungszunahme motivierten ihre Migration.
Im 19. und 20. Jahrhundert stellten Europäer_innen einen bedeutenden Anteil an der Einwandererbevölkerung, insbesondere in
Knapp eine Million Europäer kamen in Uruguay an, nur 60 Prozent schlugen hier jedoch Wurzeln. Sie stammten ebenfalls vor allem aus Italien und Spanien. Nach Chile wiederum gelangten Zehntausende Migrant_innen. Deutsche, Kroat_innen, Spanier_innen, Italiener_innen, Franzosen und Französinnen sowie Engländer_innen. Etwa 300.000 Europäer_innen erreichten Venezuela, wesentlich weniger kamen nach Peru und Kolumbien.
Im 18. und 19. Jahrhundert kamen auch Migrant_innen aus China und Japan nach Südamerika, insbesondere nach Peru.
Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts erreichten viele Spanier_innen den südamerikanischen Kontinent, die vor dem
Die europäische Einwanderung hatte einen großen Einfluss auf die politische, soziale, kulturelle und religiöse Ausprägung der südamerikanischen Aufnahmeländer.
In jüngster Zeit migrieren Menschen aus Asien (China, Japan und Südkorea) und einigen afrikanischen Ländern nach Südamerika. Viele davon sind auf der Suche nach Schutz und Asyl und wollen größtenteils weiter in die USA.
Auswanderung aus Südamerika
In den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts und den ersten Jahrzehnten des 21. Jahrhunderts ist eine bedeutende Zahl Südamerikaner_innen überwiegend in die USA und, an zweiter Stelle, nach Europa ausgewandert.
Zwischen 1990 und 2018 verzeichnete Europa die Ankunft einer großen Zahl von Menschen aus Südamerika. Die Zuwanderung schwächte sich zwar während der um 2008 einsetzenden Wirtschaftskrise ab, nahm aber im Anschluss wieder zu, wobei sich die Zielländer immer stärker diversifizieren. Am zahlreichsten vertreten sind Migrant_innen aus Peru, Ecuador, Argentinien, Bolivien und Paraguay, seit Kurzem auch aus
Interregionale Migration
Die interregionale Migration hat in den letzten Jahrzehnten auf dem amerikanischen Subkontinent stark zugenommen. Aktuell gibt es etwa zwei Millionen solcher Migrant_innen. Dabei sind zwei Subsysteme dieser Migrationen zu unterscheiden: Erstens der Südkegel (Cono Sur) mit Argentinien als traditionellem Zielland für Migrant_innen aus den Nachbarländern Paraguay, Bolivien, Chile, Uruguay und – in geringerer Zahl – aus Brasilien. In den letzten drei Jahrzehnten hat sich daneben auch Peru zu einem Hauptherkunftsland entwickelt. Das zweite Subsystem umfasst die Andenländer, unter denen Venezuela lange Zeit das wichtigste Zielland von Migration war, während Kolumbien das bedeutendste Herkunftsland bildete. Im Vergleich dazu stammte nur eine sehr geringe Zahl der interregionalen Migrant_innen aus Ecuador und Peru. Die Richtung der Migrationen innerhalb dieses Subsystems hat sich seit der zunehmenden
Die wichtigsten Herkunfts- und Zielländer
Aktuell sind die wichtigsten Herkunftsländer südamerikanischer Migrant_innen (sowohl interregional als auch außerhalb Südamerikas) Venezuela, Bolivien, Paraguay, Peru und Kolumbien. Die wichtigsten Aufnahmeländer sind Argentinien,
Südamerikanische Migrant_innen nutzen drei Arten von Migrationswegen: den Luft-, den Land- und den Seeweg. Der Luftweg dient hauptsächlich transatlantischen Reisen nach Europa, aber auch in die USA. Der Landweg wird vor allem in den Grenzgebieten von Kolumbien, Venezuela und Ecuador und von Venezuela, Brasilien und Surinam sowie in den Dreiländerecken Chile, Peru, Bolivien und Argentinien, Paraguay, Brasilien genutzt.
Den Landweg über die Anden nehmen aktuell vor allem venezolanische Emigrant_innen bzw. Flüchtende auf ihrem Weg nach Kolumbien, Ecuador, Peru, Chile und Argentinien. Der Seeweg wird am wenigsten genutzt. Innerhalb des lateinamerikanischen Kontinents handelt es sich dabei oft um Wasserwege wie Grenzflüsse und -seen.
Umgang mit Migration
In Südamerika gibt es seit mehreren Jahrzehnten zwei wichtige Prozesse der regionalen Integration.
Erstens bemüht sich die im Jahre 1997 gegründete
In dieser Hinsicht sollen folgende Beschlüsse hervorgehoben werden:
Anerkennung der nationalen Personalausweise (sowohl von Staatsangehörigen als auch von Einwohner_innen der Mitgliedstaaten) als einzig nötiger Identitätsnachweis bei Reisen in der Andenregion; ein Pass oder ein Visum sind nicht notwendig.
Einführung der Andenmigrationskarte (TAM) im Jahr 2006. Es handelt sich um ein Dokument zur statistischen Kontrolle der Migration, das bei Ein- und Ausreisen im Gebiet der Mitgliedstaaten verpflichtend vorgelegt werden muss.
Einrichtung von Flughafenschaltern nur für Staatsangehörige und ausländische Einwohner_innen der Mitgliedstaaten der Andengemeinschaft.
Außerdem wurden zwei Mechanismen zur Arbeitsmarktintegration und sozialen Sicherheit der Bürger_innen der Andengemeinschaft eingeführt. Wenngleich nicht von allen Ländern in Kraft gesetzt, regelt einerseits der Mechanismus zur Arbeitsmigration (Instrumento Andino de Migración Laboral) "den zunehmenden und allmählichen Verkehr und Aufenthalt von Staatsangehörigen der Andenländer in der Subregion zum Zweck der abhängigen Beschäftigung"
Zweitens wurde 1991 der Gemeinsame Südamerikanische Markt
Der MERCOSUR wurde zwar in erster Linie als Handelsgemeinschaft gegründet, er hat aber nach und nach auch die Bereiche der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik, darunter Migration, integriert.
Zwei Instrumente sind in diesem Feld hervorzuheben:
Die "Vereinbarung zur Regularisierung der Binnenmigration von Bürger_innen der Mitgliedstaaten des MERCOSUR, Bolivien und Chile"
, die 2002 durch die jeweiligen nationalen Innenministerien gebilligt wurde, hat die Behördenvorgänge bezüglich des Wohnsitzes vereinfacht. Seither kann der Antrag auf eine Aufenthaltsgenehmigung ohne vorherige Ausreise ins Herkunftsland und unabhängig vom Status bei der Einreise gestellt werden. Die "Vereinbarung über den Wohnsitz von Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten des MERCOSUR"
erlaubt es Staatsangehörigen, mit dem einfachen Nachweis ihrer Staatsangehörigkeit in einem anderen Land des Bündnisses zu wohnen;
gilt sowohl für diejenigen, die ihren Wohnsitz in ein anderes Mitgliedsland verlegen möchten, als auch für diejenigen, die ihren Wohnsitz bereits in einem anderen Mitgliedsland haben;
wird unabhängig von der Situation oder dem Migrationsstatus der Personen angewendet;
legt gleiche zivile Rechte und Gleichbehandlung mit Staatsangehörigen fest;
erleichtert Geldüberweisungen und den Familiennachzug;
sichert die Übertragung aller Rechte auf die Kinder der Immigrant_innen.
Auf der Grundlage dieses Abkommens können die Mitgliedstaaten auf bis zu zwei Jahre befristete Aufenthaltsgenehmigungen und daran anschließend ein Dauerbleiberecht erteilen.
Zuletzt sei noch die Südamerikanische Migrationskonferenz (CSM) erwähnt, eine nicht bindende zwischenstaatliche Kooperation, die aus der Notwendigkeit der südamerikanischen Staaten heraus entstanden ist, ihre Migrationspolitiken aufeinander abzustimmen.
Aktuelle Debatten und Herausforderungen
Wichtigstes Thema ist in Südamerika zurzeit die Aufnahme und Betreuung der über viereinhalb Millionen venezolanischen Emigrant_innen bzw. Flüchtlinge, die in viele der nahegelegenen Länder kommen. Den größten Anteil schultern Kolumbien (1,4 Millionen), Peru (860.000), Ecuador (330.000) und Brasilien (212.000).
Vor allem in Ecuador, Peru, Kolumbien und an der brasilianischen Grenze zeigen sich zunehmend ablehnende Einstellungen gegenüber Immigrant_innen, insbesondere gegenüber Venezolaner_innen, häufig als Reaktion auf Straftaten einiger Migrant_innen dieser Nationalität.
Die Hauptaufnahmeländer der venezolanischen Migrant_innen in Südamerika werden sich neue Regularisierungsprozesse für Eingewanderte mit irregulärem Aufenthaltsstatus einfallen lassen müssen, vor allem wegen der rapide wachsenden Zahl venezolanischer Immigrant_innen. Das gilt aber auch für eine wachsende Zahl haitianischer Migrant_innen in Chile, die dort ohne Aufenthaltsgenehmigung leben.
Die Herausforderung, vor der die Regierungen dieser Länder aktuell stehen, ist die Einigung auf eine gemeinsame Politik, wie mit Migration umgegangen werden soll. Denn nahezu alle südamerikanischen Länder sind in jüngster Zeit mit Einwanderung konfrontiert.
Schließlich ist auch der
Übersetzung aus dem Spanischen: Laura Haber