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Argentinier im Ausland | Argentinien | bpb.de

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Argentinier im Ausland

Thomas Maier

/ 4 Minuten zu lesen

Argentiniens Migrationsgeschichte ist lang. Das Land erlebt allerdings nicht nur Einwanderung. Die schwere Finanzkrise im Jahr 2001 löste eine große und anhaltende Abwanderungswelle aus. Viele Argentinier erhofften sich bessere Zukunftsperspektiven in Spanien und den USA. Seit dem Ausbruch der Finanzkrise in Südeuropa sind jedoch viele von ihnen wieder nach Argentinien zurückgekehrt.

Dezember 2011: Argentinier stehen vor dem spanischen Konsulat in Buenos Aires Schlange, um sich um die spanische Staatsbürgerschaft zu bewerben. (© picture-alliance/dpa)

Die Krise 2001 und ihre Konsequenzen - Argentinien als Auswanderungsland

Im Jahr 2001 sah sich Argentinien mit einer Finanzkrise konfrontiert, die im darauffolgenden Jahr in einer Abwertung der nationalen Währung um 300 Prozent und innerhalb weniger Wochen in den Zusammenbruch des Bankensystems mündete - mit verheerenden Konsequenzen. Die Arbeitslosigkeit stieg auf 20 Prozent und die Unterbeschäftigung auf 17 Prozent. 42 Prozent der Bevölkerung lebten unterhalb der Armutsgrenze und 27 Prozent sogar in extremer Armut.

Die wirtschaftliche, politische und soziale Krise führte zu einem grundlegenden Wandel der Migrationsmuster. Im folgenden Jahrzehnt erlebte das Land zum ersten Mal in seiner Geschichte eine große und anhaltende Abwanderungswelle (vgl. Abbildung 5), insbesondere von jungen und qualifizierten Argentiniern, die sich im Ausland eine bessere Zukunft erhofften. Schätzungen zufolge lebten 2010 rund eine Million Argentinier außerhalb des Landes, wobei Spanien 30 Prozent und die USA 23 Prozent aufgenommen hatten und damit die Hauptzielländer bildeten (vgl. Abbildung 6).

Abbildung 5: Argentinische Einwanderung in OECD-Länder 2001-2010 (© OAS (2012).)

Spanien und andere Hauptzielländer

Bis vor einigen Jahren lebte die größte Gruppe argentinischer Auswanderer in den USA. Die Zahl der Neuzuwanderer aus Argentinien erreichte mit 35.210 Personen im Jahr 2002 einen Höhepunkt und zeigte einen deutlichen Anstieg gegenüber 2000, als 6.670 Argentinier in die USA einwanderten. Seit der Finanzkrise in Argentinien 2001 entwickelte sich Spanien jedoch allmählich zum Hauptzielland argentinischer Auswanderer (vgl. Abbildung 6).

Abbildung 6: Im Ausland lebende Argentinier 2010 (© Quelle: Organización Internacional para las Migraciones (OIM) (2012): Perfil Migratorio de Argentina 2012. OIM. )

Spanien hatte argentinische Migranten aufgrund der kulturellen und sprachlichen Nähe bereits seit Mitte des 20. Jahrhunderts angezogen. Dieser Prozess beschleunigte sich mit der bemerkenswerten Verbesserung der makro-ökonomischen Situation Spaniens nach seinem Beitritt zur Europäischen Union im Jahr 1986. Darüber hinaus hatte vor 2001 auch die Zwangsauswanderung von tausenden Argentiniern während der Militärdiktatur von 1976 bis 1983 zur wachsenden Zahl in Spanien lebender argentinischer Staatsangehöriger beigetragen. Viele Flüchtlinge wählten Spanien (neben Mexiko und den USA) als Zufluchtsort, was dazu führte, dass Argentinier bis in die 1990er Jahre hinein die größte Gruppe lateinamerikanischer Einwanderer in Spanien stellten, wobei hoch ausgebildete und technisch qualifizierte Personen unter den argentinischen Zuwanderern überwogen.

Die Zahl der in Spanien lebenden Argentinier stieg deutlich an, von 119.000 Personen 2001 auf 291.700 Personen 2009, wobei allein im Jahr 2002 35.405 Argentinier in Spanien einwanderten. Seit 2009 ist ihre Zahl leicht und kontinuierlich gesunken, da viele Argentinier Spanien seit dem Ausbruch der Finanzkrise in Südeuropa und angesichts der boomenden Wirtschaftssituation in Lateinamerika wieder verlassen haben. Dennoch bildeten argentinische Staatsangehörige 2011 mit 279.300 Personen immer noch die sechstgrößte Gruppe der im Ausland geborenen Bevölkerung hinter Rumänen, Marokkanern, Ecuadorianern, Briten und Kolumbianern.

Ein weiteres wichtiges Zielland argentinischer Auswanderer wurde Israel. Schätzungen zufolge wanderten zwischen 2000 und 2006 11.200 Argentinier in dieses Land ein, wobei zwischen 15 und 20 Prozent später wieder nach Argentinien zurückkehrten. 2002, kurz nach dem Ausbruch der Krise in Argentinien, wanderten 5.900 Argentinier nach Israel ein, diese Zuwanderungszahl wurde in jenem Jahr nur von Migranten aus der ehemaligen UdSSR überschritten. Obwohl sich die argentinische Migration in den letzten Jahren verlangsamt hat, zählt Argentinien immer noch zu den Hauptherkunftsländern von Migranten in Israel (Platz 6 im Jahr 2012). Eine der Konsequenzen ist die zunehmende Verkleinerung der jüdischen Gemeinschaft in Argentinien. Erreichte die Zahl argentinischer Juden in den frühen 1960er Jahren mit über 300.000 Personen ihren Höhepunkt, so ist sie in den vergangenen Jahren auf unter 200.000 gesunken. Neben der schwierigen wirtschaftlichen Ausgangslage in Argentinien spielt die aktive Anwerbung Argentinischer Juden durch den israelischen Staat, meistens über jüdische Kulturinstitutionen in Argentinien vermittelt, eine entscheidende Rolle für die Ausreisemotivationen.

Oftmals - und dies gilt insbesondere für die große Zahl der Argentinier mit spanischen und italienischen Wurzeln - vereinfachten die spezifischen Einbürgerungsgesetze der Zielländer, die in unterschiedlichem Ausmaß das elterliche ius sanguinis (Kinder erben die Staatsangehörigkeit der Eltern) zugrunde legten, den Zugang zur Staatsbürgerschaft eines europäischen Landes. Damit ist dann auch die Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union verbunden (siehe Kasten 5).

Europäischer Staatsbürger werden

Ein Blick auf den Erwerb der italienischen Staatsbürgerschaft durch argentinische Staatsangehörige zeigt in den Jahren nach 2001 eine deutliche Zunahme: Während 2001 316 Argentinier die italienische Staatsbürgerschaft erhielten, waren es 2006 2.569 Personen. In Spanien zeigt sich der Anstieg sogar noch deutlicher. Die Zahl der Argentinier, die die spanische Staatsangehörigkeit erwarben, stieg von 791 im Jahr 2001 auf 6.395 in 2010.

Für viele, insbesondere junge Argentinier, ist der Erwerb der Staatsangehörigkeit eines europäischen Landes zu einer wichtigen Strategie geworden, um einer teils perspektivlosen Situation zu entkommen. Oftmals können sie die Staatsangehörigkeit über die Konsulate in Argentinien erwerben, ohne das Land verlassen zu müssen. Die Reform des spanischen Staatsangehörigkeitsrechts im Jahr 2007, die den Zugang zur spanischen Staatsangehörigkeit für Nachkommen von Flüchtlingen des Spanischen Bürgerkrieges erleichterte und als Gesetz der Enkelkinder ("Ley de nietos") bezeichnet wurde, kam auch vielen spanischstämmigen Argentiniern zugute. 2009 waren 45 Prozent (bzw. 132.000) der 291.700 argentinischstämmigen Einwohner Spaniens nicht im Besitz der spanischen Staatsbürgerschaft.

Rückkehrmigration

Die starke Erholung der argentinischen Wirtschaft seit 2003, insbesondere aber die Auswirkungen der Wirtschaftskrise in Südeuropa seit 2007 haben eine neue Phase der Migration eingeleitet. Viele Argentinier, die ihr Land in den Jahrzehnten davor verlassen hatten, entschlossen sich nun, nach Argentinien zurückzukehren. In einigen Fällen, vor allem in Spanien, wurde die Rückkehr ins Herkunftsland durch staatliche Programme finanziell gefördert. Zwischen 2013 und 2014 sank die Zahl der in Spanien lebenden Argentinier ohne spanischen Pass von 95.415 auf 80.910 Personen. Gleichzeitig ist die Auswanderung spanischer Staatsangehöriger nach Argentinien von 2.182 Personen 2012 auf 2.682 Personen 2013 gestiegen. Argentinien hat mit zahlreichen lateinamerikanischen Staaten und Spanien verschiedene Abkommen unterzeichnet, die die Übertragung von erworbenen Sozialleistungsansprüchen ohne grundlegende Verluste für Arbeitsmigranten ermöglichen sollen.

Dieser Text ist Teil des Interner Link: Länderprofils Argentinien.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Organización Internacional para las Migraciones (OIM) (2012).

  2. OECD (2009).

  3. Ginieniewicz (2012); Esteban/Actis (2012).

  4. Hierro (2013).

  5. OECD (2013).

  6. Brodsky/Rein (2013).

  7. Martín-Pérez (2012).

  8. OECD (2013).

  9. Instituto Nacional de Estadística (Spanien) (2014).

Lizenz

Dieser Text ist unter der Creative Commons Lizenz "CC BY-NC-ND 3.0 DE - Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland" veröffentlicht. Autor/-in: Thomas Maier für bpb.de

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Thomas Maier ist Doktorand am Institut für Amerikastudien (Institute of the Americas), das Teil des University College London und damit der Universität London ist. Sein Forschungsschwerpunkt ist die Geschichte von Arbeit und Wohlfahrtsstaat in den Amerikas, insbesondere in Argentinien und auf dem Südkegel Lateinamerikas. E-Mail: E-Mail Link: thomas.maier.12@ucl.ac.uk