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Ugandas Flüchtlingspolitik: Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen

Naohiko Omata

/ 6 Minuten zu lesen

Uganda ist für seine fortschrittliche Flüchtlingspolitik bekannt. Papst Franziskus lobte die "herausragende Sorge des Landes um die Aufnahme von Flüchtlingen". Ein Überblick über Ugandas Ansatz beim Flüchtlingsmanagement. Ist er nachhaltig?

Geflüchtete aus Südsudan in der Flüchtlingssiedlung Imvepi im Nordwesten Ugandas. Innerhalb der Flüchtlingssiedlungen des Landes werden jedem Flüchtlingshaushalt kleine Grundstücke zugewiesen, die die Selbstständigkeit der Flüchtlinge erleichtern sollen. (© dpa)

Uganda gilt als Land mit einer der fortschrittlichsten Flüchtlingspolitiken der Welt. Es hat nicht nur mehr Interner Link: Flüchtlinge aufgenommen als jedes anderen Land in Afrika , sondern gewährt den Flüchtlingen das Recht auf Arbeit und Freizügigkeit. Die ugandische Regierung betrachtet Flüchtlinge als wirtschaftliche Akteure, die Beiträge zum Staat leisten und daher einen Gewinn darstellen. Sie sieht sie nicht als "Lasten". Der Ansatz der Regierung steht in krassem Gegensatz zu vielen anderen Flüchtlingsaufnahmeländern in der Region, die häufig verlangen, dass Flüchtlinge in Interner Link: Lagern leben, in denen ihnen nur eingeschränkte sozioökonomische Rechte und Freiheiten gewährt werden.

Während Uganda von der internationalen Gemeinschaft oft als "das flüchtlingsfreundlichste Land" gelobt wird, muss die Nachhaltigkeit seines flüchtlingspolitischen Ansatzes sorgfältig geprüft werden. Jüngste Studien belegen, dass Ugandas Kapazität, Flüchtlinge aufzunehmen, aufgrund des kontinuierlichen Zustroms von Flüchtlingen in das Land an seine Grenzen gerät. Dieser Beitrag untersucht den aktuellen Stand der ugandischen Flüchtlingspolitik. Er beleuchtet die Herausforderungen, vor denen Uganda derzeit steht – auch, weil der flüchtlingspolitische Ansatz des Landes im Globalen Norden romantisiert wird, was das Risiko birgt, aktuelle Probleme mit Blick auf die Nachhaltigkeit dieser Flüchtlingspolitik zu übersehen.

Ugandas Ansatz zum Schutz von Flüchtlingen

Seit den frühen 1960er Jahren verfolgt die ugandische Regierung eine großzügige Politik gegenüber den Flüchtlingen, die das Land aufnimmt. Als Menschen vor den Konflikten während der afrikanischen Unabhängigkeitskriege, der Stellvertreterkonflikte des Kalten Krieges und der ethnischen Gewalt im Gebiet der Großen Seen und am Horn von Afrika flohen, förderte Uganda ihre Ansiedlung in unterbevölkerten Gebieten des Landes. Da die Zahl der Flüchtlinge relativ gering war, stand ausreichend Ackerland zur Verfügung, um die Schutzsuchenden aufzunehmen und nachhaltige Möglichkeiten der Existenzsicherung zu schaffen.

Uganda hat die wichtigsten internationalen Rechtsinstrumente zum Schutz von Flüchtlingen unterzeichnet, darunter die Interner Link: Genfer Flüchtlingskonvention von 1951, das New Yorker Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge von 1967 und die Flüchtlingskonvention der Organisation für Afrikanische Einheit (Organization of African Unity, OAU) von 1969. Zudem hat das Land auch zwei eigene Rechtsvorschriften verabschiedet – das Flüchtlingsgesetz von 2006 (Refugee Act) und die Flüchtlingsverordnung (Refugee Regulations) von 2010 –, die das Engagement der Regierung widerspiegeln, die aktuellen internationalen Standards des Flüchtlingsschutzes einzuhalten.

Ugandas Richtlinien, die vom Flüchtlingsressort des Amtes des Premierministers (Refugee Department of the Office of the Prime Minister) erlassen werden, haben das Ziel der Selbständigkeit in den Mittelpunkt der Flüchtlingspolitik des Landes gerückt. Diese Idee ist klar in Ugandas bekannter Selbstversorgungsstrategie (Self-Reliance Strategy, SRS) verankert, die 1999 eingeführt wurde. Im Rahmen dieser Strategie genießen Flüchtlinge in Uganda das Recht auf Arbeit und Freizügigkeit innerhalb des Landes, Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen sowie das Recht, in lokalen Gemeinschaften sowie in festgelegten Siedlungen zu leben. Innerhalb der Interner Link: Flüchtlingssiedlungen des Landes werden jedem Flüchtlingshaushalt kleine Grundstücke zugewiesen, die einem entwicklungsorientierten Ansatz entsprechend die Selbstständigkeit der Flüchtlinge erleichtern sollen.

Obwohl sich die Bezeichnungen der Politiken im Laufe der Zeit geändert haben, hat Uganda die Praxis beibehalten, die Eigenständigkeit von Flüchtlingen zu fördern. 2016 hat die Rahmenstrategie zur Stärkung der Flüchtlings- und Aufnahmebevölkerung (2016 Refugee and Host Population Empowerment, ReHoPE) die Selbstversorgungsstrategie aktualisiert. Die neue Rahmenstrategie skizziert ein Modell, das die Resilienz (Widerstandsfähigkeit) und die Eigenständigkeit von Flüchtlingen und Aufnahmegemeinschaften unterstützen soll, indem fortan Flüchtlinge in nationale Entwicklungspläne einbezogen werden.

Zahlen im Überblick

Zahl der Flüchtlinge und Asylsuchenden in Uganda (Interner Link: Grafik zum Download) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

Laut der jüngsten, 2019 veröffentlichten Ausgabe des Berichts des Interner Link: UN-Flüchtlingswerks (UNHCR) über die weltweiten Entwicklungen der Flüchtlingszahlen (Global Trends Report) ist Uganda hinter der Türkei und Pakistan das drittwichtigste Aufnahmeland von Flüchtlingen. Zudem belegt es den ersten Platz der Hauptaufnahmeländer in Afrika. Ende 2018 waren in Uganda 1.190.922 Flüchtlinge und Asylbewerber_innen registriert. Diese fast 1,2 Millionen Vertriebenen waren in 14 größeren Siedlungen untergebracht, darunter in der Hauptstadt Kampala.

Neben der ohnehin schon großen Zahl der Geflüchteten in Uganda ist es vor allem der rasante Anstieg dieser Zahl in den letzten Jahren, der das Land vor große Herausforderungen stellt. Wie aus der Abbildung hervorgeht, ist die Gesamtzahl der in Uganda lebenden Flüchtlinge und Asylbewerber_innen derzeit ungefähr fünfmal so hoch wie 2013, als das Land 244.876 Geflüchtete beherbergte.

Dieser steile Anstieg der Zahl aufgenommener Flüchtlinge und Asylsuchender ist hauptsächlich auf Vertreibungen aufgrund interner Konflikte im benachbarten Südsudan zurückzuführen. Derzeit ist der Interner Link: Südsudan weltweit das drittgrößte Hauptherkunftsland von Flüchtlingen, hinter Interner Link: Syrien und Interner Link: Afghanistan. Ende 2018 waren Externer Link: rund 2,3 Millionen Südsudanesen außerhalb ihres Landes als Flüchtlinge registriert – die Mehrheit davon waren nach Angaben des UN-Flüchtlingswerks Frauen und Kinder. 63 Prozent der südsudanesischen Flüchtlinge sind jünger als 18 Jahre; viele von ihnen sind allein gereist. Als Nachbarstaat des Südsudan ist Uganda zum Hauptzufluchtsort für jene geworden, die vor Konflikten sowie Interner Link: sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt und anderen Folgen des Bürgerkriegs fliehen. Die Tabelle basiert auf UNHCR-Daten und zeigt, dass knapp 65 Prozent der Flüchtlinge, die in Uganda leben, aus dem Südsudan geflohen sind.

Zahl und Herkunftsland von Flüchtlingen und Asylsuchenden in Uganda im September 2019

HerkunftslandZahl
Südsudan848.203
DR Kongo384.049
Burundi43.972
Andere71.136
Gesamt1.347.360

Quelle: Uganda: UNHCR Operational Update, Externer Link: September 2019.

Das ugandische Modell unter Druck?

Die internationale Gemeinschaft lobt Uganda als das "großzügigste Land" gegenüber Flüchtlingen. Die ugandische Regierung hat diese positive Darstellung allgemein begrüßt, die durch Gastfreundschaft und Großzügigkeit gekennzeichnet ist. Es bleibt abzuwarten, ob sich diese Politik auch weiterhin umsetzen lässt. Gegenwärtig nimmt Uganda mehr Flüchtlinge auf als jemals zuvor in seiner Geschichte. Dies scheint die begrenzten Ressourcen des Landes zu belasten.

Wie bereits erwähnt, ist eines der charakteristischen Merkmale des ugandischen Flüchtlingsschutzmodells die Zuteilung von Anbauflächen an in Siedlungen lebende Flüchtlinge. Theoretisch können sie auf diese Weise Feldfrüchte für den Eigenbedarf und zum Verkauf anbauen und so Nahrungsrationen und andere Einkommensquellen ergänzen. Angesichts der stark angestiegenen Zahl von Flüchtlingen scheint Ugandas derzeitiges Landzuteilungsmodell jedoch vor Herausforderungen zu stehen.

Eine aktuelle Studie der Universität Oxford in Uganda hebt diesen Aspekt hervor. Die Untersuchung wurde 2018 in der Flüchtlingssiedlung Nakivale durchgeführt, die sich im Süden des Landes in der Nähe der Grenzen mit Tansania und Ruanda befindet. Die Zahl der in der Siedlung Nakivale lebenden Flüchtlinge ist in den letzten fünf Jahren um mehr als 60 Prozent gestiegen – von 62.849 im Jahr 2013 auf 102.250 im Jahr 2018.

Früher wurden den Flüchtlingen in Nakivale Anbauflächen mit einer Größe von 50 mal 50 Metern zugeteilt. Heute beläuft sich die durchschnittliche Grundstücksgröße für neu angekommene Flüchtlinge nur noch auf 20 mal 30 Meter oder weniger. Die begrenzte Größe der zur Verfügung gestellten landwirtschaftlichen Parzelle gefährdet in Nakivale das zentrale Element der ugandischen Selbsthilfestrategie – die Förderung des Lebensunterhalts der Flüchtlinge und ihre anschließende Eigenständigkeit durch Landwirtschaft.

Besorgniserregend ist, dass die zunehmende Zahl von Flüchtlingen in Nakivale die Beziehungen zur Aufnahmebevölkerung beeinträchtigt. Aufgrund der Landknappheit wird eine erhebliche Anzahl neu angekommener Flüchtlinge auf die umliegenden Gebiete der Siedlung verteilt. Die Ausweitung der Siedlung hat zu Landstreitigkeiten mit den in der Umgebung lebenden ugandischen Dorfbewohner_innen geführt. Im Jahr 2017 gab es beispielsweise eine zweiwöchige Demonstration der lokalen Bevölkerung, die im Zusammenhang mit Landstreitigkeiten mit Flüchtlingen in Nakivale stand.

Die Spannungen zwischen Flüchtlingen und lokalen Gemeinschaften um Land beschränken sich nicht nur auf Nakivale. Infolge des jüngsten Zustroms von Flüchtlingen aus dem Südsudan gab es Berichte über Konflikte auch in anderen Teilen Ugandas. Diese Vorfälle erfordern eine Neubewertung der Nachhaltigkeit der ugandischen Flüchtlingspolitik im Hinblick auf das Modell der Eigenständigkeit durch Selbstversorgung.

Fazit

Wie kürzlich durchgeführte empirische Studien gezeigt haben, ist die Kapazität Ugandas für die Flüchtlingsaufnahme aufgrund des kontinuierlichen Zustroms von Flüchtlingen aus Nachbarländern unter Druck geraten. Nach neuesten Statistiken des UNHCR steigt die Zahl der Flüchtlinge in Uganda weiter an und belief sich im September 2019 auf 1.347.360. Während der Zustrom südsudanesischer Flüchtlinge in den letzten Monaten zurückgegangen ist, haben anhaltende Interner Link: Konflikte in der Demokratischen Republik Kongo zum Anstieg der Gesamtzahl der von Uganda aufgenommenen Flüchtlinge beigetragen.

Internationale Entscheidungsträger suchen häufig nach bewährten Praktiken im Bereich des Flüchtlingsschutzes und heben diese lobend hervor. Die ugandische Flüchtlingspolitik wurde in der Vergangenheit als herausragendes Beispiel für Großzügigkeit, Solidarität und Gastfreundschaft gelobt, um einen entwicklungsorientierten Ansatz in der Flüchtlingshilfe innerhalb und außerhalb Afrikas voranzutreiben. Es ist jedoch wichtig, die Grenzen eines solchen Erfolgsmodells zu verstehen. Die ungeprüfte Idealisierung der ugandischen Flüchtlingspolitik kann die Herausforderungen verdecken, vor denen das Land aktuell steht, insbesondere mit Blick auf die lokale Ebene und die dort lebenden einheimischen und geflüchteten Bevölkerungsgruppen.

Quellen / Literatur

Betts, A., Chaara, I., Omata, N. und Sterck, O. (2018): Refugee Economies in Uganda: What Difference Does the Self-Reliance Model Make?. Refugee Studies Centre, Oxford University. Oxford.

Hovil, L. (2018): Uganda’s Refugee Policies: the History, the Politics, the Way Forward. Rights in Exile Policy Paper, the International Refugee Rights Initiative. Uganda.

UNHCR (2019): Global Trends. Forced Displacement in 2018. Genf.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Stand: Ende 2018. UNHCR (2019).

  2. Zum Beipsiel Betts et al. (2019); Hovil (2018).

  3. Betts et al. (2019).

  4. Hovil (2018).

Lizenz

Dieser Text ist unter der Creative Commons Lizenz "CC BY-NC-ND 3.0 DE - Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland" veröffentlicht. Autor/-in: Naohiko Omata für bpb.de

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Weitere Inhalte

Dr. Naohiko Omata ist außerordentlicher Professor am Refugee Studies Center der Universität Oxford. Zuvor arbeitete er als Dozent an der Universität London und war als Fachmann und Berater für UNDP, UNHCR sowie internationale und lokale NGOs in verschiedenen Ländern in Subsahara-Afrika tätig. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen Zwangsmigration und Entwicklung.