Auswanderungsgeschichte, Einwanderungsaktualität
Bis Mitte der 1990er Jahre galt Irland allgemein als Auswanderungsland. Im Vergleich zu allen anderen europäischen Staaten wanderten aus Irland zwischen 1850 und dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs gemessen an der Gesamtbevölkerung mehr als doppelt so viele Menschen aus.
Hier dominierte auch nach der Teilung weiterhin die Abwanderung. Zunächst war vor allem die USA Ziel irischer Auswanderinnen und Auswanderer, doch nachdem die Vereinigten Staaten in den 1920er Jahren strenge Einwanderungsquoten festgelegt hatten und in den 1930er Jahren die Weltwirtschaftskrise einsetzte, wurde Großbritannien zum beliebtesten Zielland. In den 1950er Jahren war Irland neben der DDR das einzige Land in Europa, in dem die Bevölkerung infolge massiver Auswanderung zurückging.
Aktuelle Entwicklung der Migration
Bis in die 1990er Jahre bestand die Zuwanderung nach Irland hauptsächlich aus vormals aus Irland ausgewanderten Menschen, die in ihre Heimat zurückkehrten, und einer kleinen Anzahl britischer Staatsangehöriger. In den 1970er Jahren zogen zudem einige niederländische, deutsche und französische
Seit Mitte der 1990er Jahre kommen die meisten Migrantinnen und Migranten entweder auf der Suche nach Asyl oder Arbeit nach Irland. Die Asylanträge stiegen zwischen Mitte der 1990er und Anfang der 2000er Jahre beträchtlich an (siehe Abbildung 1), während später die Arbeitsmigration erheblich zunahm, insbesondere mit der
Asylsuchende und Flüchtlinge
Abbildung 1: Asylanträge in Irland 1993-2019 (Interner Link: Grafik zum Download) (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
Abbildung 1: Asylanträge in Irland 1993-2019 (Interner Link: Grafik zum Download) (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
Zwischen Anfang der 1990er Jahre und 2020 kamen über 100.000 Asylantragstellende aus Nicht-EU-Staaten nach Irland. Die Zahl der jährlichen Asylanträge stieg von 31 im Jahr 1991 auf über 10.000 im Jahr 2000 (siehe Abbildung 1). Ende der 1990er Jahre überstieg die Zahl der Asylanträge die Zahl der neuen Arbeitsgenehmigungen für Arbeitsmigrantinnen und -migranten. Rumänien und Nigeria waren in den 1990er und frühen 2000er Jahren prominente Herkunftsländer. Während es früher eine beträchtliche Zahl von Anträgen aus Staaten des ehemaligen europäischen Sowjetblocks gab, ging diese Zahl nach dem EU-Beitritt von zwölf neuen Ländern in den Jahren 2004 und 2007 zurück. In jüngerer Zeit sind Nigeria, Pakistan, Simbabwe, die Demokratische Republik Kongo sowie Georgien und Albanien wichtige Herkunftsländer Asylsuchender in Irland.
Ende der 1990er Jahre hatten die staatlichen Infrastrukturen Schwierigkeiten, alle Asylanträge zu bearbeiten. Als Reaktion darauf und in Anlehnung an seine westeuropäischen Nachbarn führte Irland eine Politik zur Direktversorgung ("Direct Provision") ein. Im Zuge dieser Politik verteilte der Staat Asylsuchende auf Sammelunterkünfte im ganzen Land, wo ihnen Lebensmittel und ein kleines wöchentliches Taschengeld zur Verfügung gestellt wurden. In den letzten zwanzig Jahren gab es immer wieder Kritik an diesem System. Die irische Ombudsfrau bezeichnete es 2013 als "schädlich für die Gesundheit, das Wohlergehen und die Lebenschancen derer, die diese Bedingungen ertragen müssen". Kritische Stimmen betonen oft, dass viele Asylsuchende für längere Zeit in schlechten Unterkünften bleiben müssen. Das kleine wöchentliche Taschengeld blieb von 2000 bis 2019 unverändert (19,10 € für Erwachsene und 15,60 € für jedes unterhaltsberechtigte Kind), obwohl die Lebenshaltungskosten in diesem Zeitraum erheblich gestiegen sind.
Im Gegensatz zu den meisten anderen EU-Staaten konnten in Irland geborene Kinder von ausländlichen Eltern in den 1990er und frühen 2000er Jahren von Geburt an die irische Staatsbürgerschaft beanspruchen (
Ab 2003 nahm die Zahl der Asylanträge deutlich ab. Dies spiegelte einen allgemeinen EU-Trend wider. In den Jahren 2015/2016 wiederum erlebten Irland und das Vereinigte Königreich im Gegensatz zu vielen anderen EU-Ländern keinen enormen Anstieg der Asylanträge aus Syrien und anderen Ländern, da es in den Jahren zuvor schwieriger geworden war, in das gemeinsame Reisegebiet ("Common Travel Area") von Irland und dem Vereinigten Königreich zu gelangen. Beide hatten sich gegen einen Beitritt zum
Obwohl der Staat in den späten 1990er und den 2000er Jahren nur etwa zehn Prozent der Asylsuchenden den Flüchtlingsstatus zuerkannte, gelang es der großen Mehrheit der Antragstellenden, in Irland zu bleiben, da nur ein kleiner Teil jener Personen abgeschoben werden konnte, denen der Flüchtlingsstatus nicht gewährt worden war.
Arbeitsmigrantinnen und -migranten
In den 2000er Jahren verlor das Thema Asyl in der irischen Migrationspolitik an Bedeutung. Dies war in erster Linie auf den starken Anstieg der Wirtschaftsmigration zurückzuführen, der in jenen Jahren stattfand. Die enorme Aufnahme von Einwanderern und Einwanderinnen in Irland war zum Großteil eine direkte Reaktion auf einen akuten Mangel an Arbeitskräften, der durch das rasche Wirtschaftswachstum im Land entstand. Dies wurde auch an der Arbeitslosenquote deutlich, die von über 15 Prozent im Jahr 1993 auf knapp über vier Prozent im Jahr 2000 sank.
Abbildung 2: Neu erteilte Arbeitserlaubnisse 1999-201 (Interner Link: Grafik zum Download) (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
Abbildung 2: Neu erteilte Arbeitserlaubnisse 1999-201 (Interner Link: Grafik zum Download) (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
Bis 2003 konnten lokale Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber so viele Nicht-EU-Arbeitskräfte einstellen, wie sie wollten, unabhängig vom Herkunftsland, vom Arbeitsplatz und vom erforderlichen Qualifikationsniveau.
Die Erweiterung der EU im Jahr 2004 garantierte den Bürgerinnen und Bürgern der zehn neuen Mitgliedsstaaten (EU-10) Freizügigkeit. Dies löste den bedeutendsten demografischen Wandel in der modernen Geschichte Irlands aus. Zwischen 2004 und 2007 registrierten sich fast 400.000 Menschen aus den EU-10-Staaten, um in Irland zu arbeiten.
Die zehn Hauptherkunftsländer von Eingewanderten in Irland 2016
Land | Anzahl |
---|---|
Polen | 122.515 |
Vereinigtes Königreich | 103.113 |
Litauen | 36.552 |
Rumänien | 29.186 |
Lettland | 19.933 |
Brasilien | 13.640 |
Spanien | 12.112 |
Italien | 11.732 |
Frankreich | 11.661 |
Deutschland | 11.531 |
Quelle: Central Statistics Office: Census 2016 Summary Results - Part 1. Dublin 2017, S. 46.
Als Irland 2004 seine liberale Arbeitspolitik für neue EU-Bürgerinnen und -Bürger entwickelte, wurde zeitgleich das System zur Ausstellung von Arbeitserlaubnissen für Nicht-EU-Bürger selektiver. Im Jahr 2007 führte Irland ein "Green Card"-System ein, das qualifizierten Migrantinnen und Migranten aus Nicht-EU-Staaten, die in Branchen wie dem Gesundheitswesen oder im IT- und Finanzsektor arbeiten wollten, die Einwanderung nach Irland ermöglichte.
Abbildung 3: Wanderungssaldo in Irland 1987-2019 (in Tausend) (Interner Link: Grafik zum Download) (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
Abbildung 3: Wanderungssaldo in Irland 1987-2019 (in Tausend) (Interner Link: Grafik zum Download) (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
Der Ausbruch der
Integration
Im Jahr 2006 veröffentlichte der Nationale Wirtschafts- und Sozialrat (National Economic and Social Council, NESC) die erste große offizielle Studie, in der die Auswirkungen der Einwanderung auf Irland untersucht wurden. In dem Bericht wurde angeregt, dass der Staat bei der Integration eher proaktiv als reaktiv vorgehen sollte.
Ferner enthielt der Bericht
die Empfehlung, einen Weg zur Staatsbürgerschaft für Eingewanderte zu ermöglichen,
die Forderung nach Mitteln zur Unterstützung von Diversitätsstrategien von Kommunalbehörden,
die Forderung nach verstärkten gesetzgeberischen Maßnahmen zur Bekämpfung von Diskriminierung,
einen Vorschlag für neue Strukturen zur Förderung der Integration,
Anregungen für eine gezieltere Unterstützung für den Umgang mit Vielfalt in Schulen, insbesondere durch Sprachförderung.
Leider wurden viele dieser Pläne durch die Wirtschaftskrise, die im weiteren Verlauf desselben Jahres einsetzte, zunichte gemacht. Als der Staat mit den Folgen der verschiedenen wirtschaftlichen und sozialen Probleme zu kämpfen hatte, wurden viele der vorgeschlagenen Integrationsmaßnahmen aufgegeben oder ad acta gelegt. Letztlich bleibt die bemerkenswerteste Entwicklung in der Integrationspolitik die deutliche Zunahme von Nicht-EU-Bürgerinnen und -Bürgern, die die irische Staatsbürgerschaft durch Einbürgerung erhielten. Im Jahr 2013 wurden 97,6 Prozent der fast 30.000 Anträge auf Einbürgerung bewilligt, wobei Nigeria, Indien und die Philippinen die drei wichtigsten Herkunftsländer neuer irischer Staatsangehöriger waren.
Die Einwanderungsbevölkerung verteilt sich über alle irischen Städte, Gemeinden und Dörfer. Fast jeder fünfte Einwohner bzw. jede fünfte Einwohnerin in Galway und Dublin hat eine andere Nationalität als die irische. Im Durchschnitt stellen Einwanderer und Einwanderinnen in Irlands Städten etwa 15 Prozent der Bevölkerung.