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Arbeitsmarktintegration nicht-ukrainischer Geflüchteter Starker Anstieg der Erwerbstätigenquoten mit zunehmender Aufenthaltsdauer

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Die Arbeitsmarktintegration der um 2015 nach Deutschland eingereisten nicht-ukrainischen Geflüchteten schreitet voran. Ein Überblick.

Dicht gedrängt gehen Besucher in der Haupthalle der Jobmesse für Geflüchtete FuTog Berlin im Ludwig Erhard Haus an Ständen mit Jobangeboten der Aussteller vorbei.
Besucher in der Haupthalle des Ludwig Erhard Hauses während der Jobmesse für Geflüchtete "FuTog Berlin" (Aufnahmedatum: 17.04.2024). (© picture-alliance/dpa, Carsten Koall)

Zum 31.12.2023 lebten in Deutschland, ohne die ukrainischen Staatsangehörigen, 2.196.230 Schutzsuchende. Zur Auflösung der Fußnote[1] Die überwiegende Mehrheit dieser Menschen stammt aus Ländern, die von (Bürger-)Krieg, politischem Terror und Vertreibung betroffen sind oder waren. 18 Prozent dieser Menschen hatten Ende 2023 einen offenen, 73 Prozent einen anerkannten und 9 Prozent einen abgelehnten Schutz- oder Aufenthaltsstatus. 97 Prozent aller 2013 bis 2019 zugezogenen Schutzsuchenden gaben 2022 an, in Deutschland bleiben zu wollen. Zur Auflösung der Fußnote[2] Entsprechend ist die Integration dieser Menschen in den Arbeitsmarkt von zentraler Bedeutung.

Wie sich der Sturz des Assad-Regimes in Syrien Anfang Dezember 2024 auf die Bleibeabsichten der in Deutschland lebenden syrischen Schutzsuchenden auswirken wird ist offen, ebenso, ob das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in größerem Umfang Verfahren zum Widerruf des Schutzstatus einleiten wird.

Starker Anstieg der Erwerbstätigkeitsquoten mit zunehmender Aufenthaltsdauer

Die Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt stellt aus verschiedenen Gründen eine größere Herausforderung als bei anderen Migrantengruppen dar: Zur Auflösung der Fußnote[3] Geflüchtete verlassen ihr Heimatland unfreiwillig und haben wenig bis keine Vorbereitungszeit für die Ausreise. Sie haben deshalb meistens keine oder nur unvollkommene Kenntnisse der Landessprache, der Institutionen und vieler anderer wichtiger sozialer oder kultureller Kontextfaktoren, verfügen über keine oder keine umfangreichen persönlichen Netzwerke und haben in aller Regel noch keine Arbeitsstelle. Auch wirken sich psychische Belastungen und traumatische Erfahrungen nachteilig aus. Schließlich behindern oder verzögern institutionelle Hürden wie Beschäftigungsverbote, Asylverfahren Zur Auflösung der Fußnote[4] und Wohnsitzauflagen Zur Auflösung der Fußnote[5] die Arbeitsmarktintegration.

Diese Hürden führen dazu, dass die Erwerbstätigenquoten von Schutzsuchenden zunächst niedrig sind, sich aber schrittweise an die anderer Migrantengruppen und der Durchschnittsbevölkerung annähern. Zur Auflösung der Fußnote[6] So belief sich die Erwerbstätigenquote unter den 2013 bis 2019 zugezogenen Geflüchteten im ersten Jahr nach dem Zuzug auf unter zehn Prozent, sieben Jahre nach dem Zuzug lag dieser Wert jedoch bereits bei 63 Prozent (Abb. 1). Auch die Erwerbstätigenquote der 2015 zugezogenen Kohorte belief sich 2022 auf 63 Prozent. Bis zum Jahresende 2024 dürfte die Erwerbstätigenquoten der 2015 zugezogenen Kohorte noch deutlich gestiegen sein.

Die Liniengrafik zeigt die Erwerbstätigenquote der Geflüchteten nach Geburt und Aufenthaltsdauer.

Erwerbstätigenquote der Geflüchteten nach Geschlecht und Aufenthaltsdauer (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

Unterschiede zur Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit

Diese Ergebnisse beruhen auf der IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten, aus der sich repräsentative Aussagen für die 2013 bis 2019 zugezogenen Geflüchteten ableiten lassen. Zur Auflösung der Fußnote[7] Die Erwerbstätigenquoten sieben Jahre nach dem Zuzug bzw. der 2015 zugezogenen Geflüchteten sind deutlich höher, als die von der Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) für die Asylherkunftsländer ausgewiesenen Beschäftigungsquoten (42 Prozent im 4. Quartal 2022 bzw. 46 Prozent im September 2024). Die Differenz erklärt sich durch folgende Gründe:

  1. enthält die Beschäftigungsstatistik keine Informationen zum Zuzugszeitpunkt. Da mehr als 60 Prozent der Bevölkerung aus den Asylherkunftsländern nach 2016 zugezogen sind und viele Geflüchtete noch am Anfang des Integrationsprozesses stehen, fallen die durchschnittlichen Beschäftigungsquoten sehr viel niedriger als für die 2015 zugezogenen Geflüchteten aus.

  2. berücksichtigen die Erwerbstätigenquoten Selbständige, während die Beschäftigungsquoten sich nur auf die abhängig Beschäftigten beziehen.

  3. sind seit 2015 alleine 165.000 Syrerinnen und Syrer eingebürgert worden, die wiederum überdurchschnittliche Erwerbstätigenquoten aufweisen.

Aus den durchschnittlichen Beschäftigungsquoten der Beschäftigungsstatistik der BA können deshalb keine Aussagen über die Integrationsverläufe z. B. der 2015 zugezogenen Geflüchteten abgeleitet werden.

Erhebliches Gefälle zwischen den Geschlechtern

Auch wenn die Erwerbstätigenquoten der geflüchteten Frauen über die Aufenthaltsdauer hinweg steigen, vollzieht sich dieser Prozess deutlich langsamer als bei geflüchteten Männern (Abb. 1). Während sich die geflüchteten Männer sieben Jahre nach dem Zuzug mit einer Erwerbstätigenquote von 75 Prozent bereits stark an das durchschnittliche Niveau der männlichen Bevölkerung in Deutschland angenähert haben (81 Prozent Zur Auflösung der Fußnote[8]), liegt der Anteil der erwerbstätigen geflüchteten Frauen nach derselben Zeit mit 29 Prozent noch deutlich unterhalb des Durchschnitts der Frauen in Deutschland (72 Prozent Zur Auflösung der Fußnote[9]).

Es gibt verschiedene Ursachen für diese Geschlechterunterschiede: Zum einen übernehmen geflüchtete Frauen überproportional häufig familiäre Sorgearbeit, was ihre Erwerbsbeteiligung einschränkt. Zum anderen zeigen sie im Vergleich zu Männern geringere Sprach- und Bildungsinvestitionen in Deutschland und nutzen Beratungs- und Unterstützungsangebote seltener. Zudem waren sie in den Herkunftsländern häufig seltener erwerbstätig als Männer und verfügten über Berufserfahrungen in Tätigkeitsfeldern, die in Deutschland stärker reglementiert sind, wie bspw. im Erziehungs- bzw. Bildungswesen. Dies erschwert die direkte Übertragbarkeit ihrer mitgebrachten Kompetenzen auf den deutschen Arbeitsmarkt. Zur Auflösung der Fußnote[10]

Qualität der Beschäftigung steigt mit zunehmender Aufenthaltsdauer

Mit zunehmender Aufenthaltsdauer steigt die Stabilität der Beschäftigungsverhältnisse und die Qualität der ausgeübten Tätigkeit: Während der Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im ersten Jahr nach dem Zuzug noch 57 Prozent betrug, so ist er sieben Jahre nach dem Zuzug auf 92 Prozent gestiegen. 64 Prozent der 2015 zugezogenen und erwerbstätigen Geflüchteten waren 2022 unbefristet beschäftigt, sieben Prozent in bezahlter Ausbildung bzw. Praktika und vier Prozent waren selbständig. 74 Prozent der 2015 zugezogenen Geflüchteten waren 2022 in Vollzeit, 18 Prozent in Teilzeit und 8 Prozent geringfügig beschäftigt. Zur Auflösung der Fußnote[11]

Zugleich sind die Qualifikationsanforderungen der ausgeübten Tätigkeiten gestiegen: Übten zu Beginn des Aufenthalts noch gut 40 Prozent der erwerbstätigen Geflüchteten Helfertätigkeiten aus, so waren unter den 2015 zugezogenen Geflüchteten 2022 65 Prozent als Fachkräfte, 11 Prozent als Expert*innen- oder Spezialist*innen und 24 Prozent als Helfer*innen tätig. Allerdings war das Anforderungsniveau der Tätigkeit der vor dem Zuzug Erwerbstätigen noch höher, so dass durch die Flucht und den Zuzug eine Dequalifizierung stattgefunden hat – wenn auch mit abnehmender Tendenz.

Was wirkt?

Die Erwerbstätigenquoten der 2015 zugezogenen Geflüchteten waren 2022 in anderen europäischen Zielländern wie Dänemark, Norwegen und Schweden Zur Auflösung der Fußnote[12] und den Niederlanden Zur Auflösung der Fußnote[13] höher als in Deutschland. Da sich die Charakteristika der Geflüchteten nicht wesentlich zwischen den Zielländern unterscheiden dürften, ist dies wahrscheinlich neben Unterschieden in den Institutionen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen auf die Integrationspolitik zurückzuführen. Es gibt in der Tat eine Reihe von empirischen Befunden, die dafürsprechen, dass die Teilnahme an Sprachprogrammen wie den Integrationskursen und Berufssprachkursen die Arbeitsmarktintegration unterstützt haben. Gleiches gilt für die Beratungs- und Qualifizierungsangebote der BA. Auch gibt es empirische Evidenz, dass die Anerkennung beruflicher Abschlüsse die Beschäftigungsquoten und Verdienste erheblich erhöhen. Zur Auflösung der Fußnote[14]

Allerdings zeigen die empirischen Befunde auch, dass die überdurchschnittliche Verteilung von Geflüchteten auf strukturschwache Regionen mit erhöhter Arbeitslosigkeit die Arbeitsmarktintegration beeinträchtigt hat. Zur Auflösung der Fußnote[15] Gleiches gilt für Wohnsitzauflagen, die es Geflüchteten erschweren, innerhalb Deutschlands umzuziehen. Zur Auflösung der Fußnote[16] Auch Diskriminierung und Ablehnungskulturen haben sich in den betroffenen Regionen negativ auf die Arbeitsmarktintegration ausgewirkt, Zur Auflösung der Fußnote[17] während umgekehrt eine positive Einstellung gegenüber Geflüchteten und das Engagement Ehrenamtlicher positive Effekte hatten. Zur Auflösung der Fußnote[18] Wenn vor Ort Integrationskurse angeboten werden, wirkt sich das ebenfalls positiv auf die Teilhabe am Arbeitsmarkt aus. Zur Auflösung der Fußnote[19] Der durch das Asylbewerberleistungsgesetz erschwerte Zugang zu Leistungen des Gesundheitssystems hat sich negativ ausgewirkt, während umgekehrt die Einführung der in einigen Bundesländern eingeführten elektronischen Gesundheitskarte und der damit verbundene erleichterte Zugang zu Gesundheitsversorgung positive Arbeitsmarktwirkungen hatte.

Insgesamt haben sich die Erwerbstätigenquoten der 2015 zugezogenen Geflüchteten in Deutschland aber schon stark an das Niveau anderer Migrantengruppen und der Durchschnittsbevölkerung angenähert.

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