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Arbeitsmarktintegration nicht-ukrainischer Geflüchteter | Deutschland | bpb.de

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Arbeitsmarktintegration nicht-ukrainischer Geflüchteter Starker Anstieg der Erwerbstätigenquoten mit zunehmender Aufenthaltsdauer

Herbert Brücker Yuliya Kosyakova Theresa Koch

/ 5 Minuten zu lesen

Die Arbeitsmarktintegration der um 2015 nach Deutschland eingereisten nicht-ukrainischen Geflüchteten schreitet voran. Ein Überblick.

Besucher in der Haupthalle des Ludwig Erhard Hauses während der Jobmesse für Geflüchtete "FuTog Berlin" (Aufnahmedatum: 17.04.2024). (© picture-alliance/dpa, Carsten Koall)

Zum 31.12.2023 lebten in Deutschland, ohne die ukrainischen Staatsangehörigen, 2.196.230 Schutzsuchende. Die überwiegende Mehrheit dieser Menschen stammt aus Ländern, die von (Bürger-)Krieg, politischem Terror und Vertreibung betroffen sind oder waren. 18 Prozent dieser Menschen hatten Ende 2023 einen offenen, 73 Prozent einen anerkannten und 9 Prozent einen abgelehnten Schutz- oder Aufenthaltsstatus. 97 Prozent aller 2013 bis 2019 zugezogenen Schutzsuchenden gaben 2022 an, in Deutschland bleiben zu wollen. Entsprechend ist die Integration dieser Menschen in den Arbeitsmarkt von zentraler Bedeutung.

Wie sich der Sturz des Assad-Regimes in Syrien Anfang Dezember 2024 auf die Bleibeabsichten der in Deutschland lebenden syrischen Schutzsuchenden auswirken wird ist offen, ebenso, ob das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in größerem Umfang Verfahren zum Widerruf des Schutzstatus einleiten wird.

Starker Anstieg der Erwerbstätigkeitsquoten mit zunehmender Aufenthaltsdauer

Die Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt stellt aus verschiedenen Gründen eine größere Herausforderung als bei anderen Migrantengruppen dar: Geflüchtete verlassen ihr Heimatland unfreiwillig und haben wenig bis keine Vorbereitungszeit für die Ausreise. Sie haben deshalb meistens keine oder nur unvollkommene Kenntnisse der Landessprache, der Institutionen und vieler anderer wichtiger sozialer oder kultureller Kontextfaktoren, verfügen über keine oder keine umfangreichen persönlichen Netzwerke und haben in aller Regel noch keine Arbeitsstelle. Auch wirken sich psychische Belastungen und traumatische Erfahrungen nachteilig aus. Schließlich behindern oder verzögern institutionelle Hürden wie Beschäftigungsverbote, Asylverfahren und Wohnsitzauflagen die Arbeitsmarktintegration.

Diese Hürden führen dazu, dass die Erwerbstätigenquoten von Schutzsuchenden zunächst niedrig sind, sich aber schrittweise an die anderer Migrantengruppen und der Durchschnittsbevölkerung annähern. So belief sich die Erwerbstätigenquote unter den 2013 bis 2019 zugezogenen Geflüchteten im ersten Jahr nach dem Zuzug auf unter zehn Prozent, sieben Jahre nach dem Zuzug lag dieser Wert jedoch bereits bei 63 Prozent (Abb. 1). Auch die Erwerbstätigenquote der 2015 zugezogenen Kohorte belief sich 2022 auf 63 Prozent. Bis zum Jahresende 2024 dürfte die Erwerbstätigenquoten der 2015 zugezogenen Kohorte noch deutlich gestiegen sein.

Erwerbstätigenquote der Geflüchteten nach Geschlecht und Aufenthaltsdauer (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

Unterschiede zur Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit

Diese Ergebnisse beruhen auf der IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten, aus der sich repräsentative Aussagen für die 2013 bis 2019 zugezogenen Geflüchteten ableiten lassen. Die Erwerbstätigenquoten sieben Jahre nach dem Zuzug bzw. der 2015 zugezogenen Geflüchteten sind deutlich höher, als die von der Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) für die Asylherkunftsländer ausgewiesenen Beschäftigungsquoten (42 Prozent im 4. Quartal 2022 bzw. 46 Prozent im September 2024). Die Differenz erklärt sich durch folgende Gründe:

  1. enthält die Beschäftigungsstatistik keine Informationen zum Zuzugszeitpunkt. Da mehr als 60 Prozent der Bevölkerung aus den Asylherkunftsländern nach 2016 zugezogen sind und viele Geflüchtete noch am Anfang des Integrationsprozesses stehen, fallen die durchschnittlichen Beschäftigungsquoten sehr viel niedriger als für die 2015 zugezogenen Geflüchteten aus.

  2. berücksichtigen die Erwerbstätigenquoten Selbständige, während die Beschäftigungsquoten sich nur auf die abhängig Beschäftigten beziehen.

  3. sind seit 2015 alleine 165.000 Syrerinnen und Syrer eingebürgert worden, die wiederum überdurchschnittliche Erwerbstätigenquoten aufweisen.

Aus den durchschnittlichen Beschäftigungsquoten der Beschäftigungsstatistik der BA können deshalb keine Aussagen über die Integrationsverläufe z. B. der 2015 zugezogenen Geflüchteten abgeleitet werden.

Was ist die IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten?

Es handelt sich um eine jährliche Erhebung, die Geflüchtete, die zwischen 1. Januar 2013 und dem 30. Juni 2019 nach Deutschland zugezogezogen sind, und ihre Haushaltsmitglieder wiederholt befragt. Die Studie wird gemeinsam vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), dem Forschungszentrum des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF-FZ) und dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) am DIW Berlin durchgeführt. Die Studie erhebt alle relevanten Informationen zu Flucht und Asylverfahren, Schul- und Berufsbildung, Arbeitsmarkt, Gesundheit, Wohnen und Einstellungen. Die Analysen in diesem Beitrag basieren auf 9.339 Geflüchteten im erwerbsfähigen Alter (18 bis 64 Jahre), die seit 2013 nach Deutschland zugezogen sind (insgesamt 25.937 Personenjahre). Für die Erhebungswelle 2022 standen 1.839 Personenbeobachtungen zur Verfügung. Durch die Verwendung von Hochrechnungsgewichten sind die Ergebnisse für die 2013 bis Mitte 2019 zugezogenen Geflüchteten repräsentativ. Weitere Informationen: Externer Link: https://doku.iab.de/forschungsbericht/2017/fb1317.pdf.

Erhebliches Gefälle zwischen den Geschlechtern

Auch wenn die Erwerbstätigenquoten der geflüchteten Frauen über die Aufenthaltsdauer hinweg steigen, vollzieht sich dieser Prozess deutlich langsamer als bei geflüchteten Männern (Abb. 1). Während sich die geflüchteten Männer sieben Jahre nach dem Zuzug mit einer Erwerbstätigenquote von 75 Prozent bereits stark an das durchschnittliche Niveau der männlichen Bevölkerung in Deutschland angenähert haben (81 Prozent), liegt der Anteil der erwerbstätigen geflüchteten Frauen nach derselben Zeit mit 29 Prozent noch deutlich unterhalb des Durchschnitts der Frauen in Deutschland (72 Prozent).

Es gibt verschiedene Ursachen für diese Geschlechterunterschiede: Zum einen übernehmen geflüchtete Frauen überproportional häufig familiäre Sorgearbeit, was ihre Erwerbsbeteiligung einschränkt. Zum anderen zeigen sie im Vergleich zu Männern geringere Sprach- und Bildungsinvestitionen in Deutschland und nutzen Beratungs- und Unterstützungsangebote seltener. Zudem waren sie in den Herkunftsländern häufig seltener erwerbstätig als Männer und verfügten über Berufserfahrungen in Tätigkeitsfeldern, die in Deutschland stärker reglementiert sind, wie bspw. im Erziehungs- bzw. Bildungswesen. Dies erschwert die direkte Übertragbarkeit ihrer mitgebrachten Kompetenzen auf den deutschen Arbeitsmarkt.

Qualität der Beschäftigung steigt mit zunehmender Aufenthaltsdauer

Mit zunehmender Aufenthaltsdauer steigt die Stabilität der Beschäftigungsverhältnisse und die Qualität der ausgeübten Tätigkeit: Während der Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im ersten Jahr nach dem Zuzug noch 57 Prozent betrug, so ist er sieben Jahre nach dem Zuzug auf 92 Prozent gestiegen. 64 Prozent der 2015 zugezogenen und erwerbstätigen Geflüchteten waren 2022 unbefristet beschäftigt, sieben Prozent in bezahlter Ausbildung bzw. Praktika und vier Prozent waren selbständig. 74 Prozent der 2015 zugezogenen Geflüchteten waren 2022 in Vollzeit, 18 Prozent in Teilzeit und 8 Prozent geringfügig beschäftigt.

Zugleich sind die Qualifikationsanforderungen der ausgeübten Tätigkeiten gestiegen: Übten zu Beginn des Aufenthalts noch gut 40 Prozent der erwerbstätigen Geflüchteten Helfertätigkeiten aus, so waren unter den 2015 zugezogenen Geflüchteten 2022 65 Prozent als Fachkräfte, 11 Prozent als Expert*innen- oder Spezialist*innen und 24 Prozent als Helfer*innen tätig. Allerdings war das Anforderungsniveau der Tätigkeit der vor dem Zuzug Erwerbstätigen noch höher, so dass durch die Flucht und den Zuzug eine Dequalifizierung stattgefunden hat – wenn auch mit abnehmender Tendenz.

Was wirkt?

Die Erwerbstätigenquoten der 2015 zugezogenen Geflüchteten waren 2022 in anderen europäischen Zielländern wie Dänemark, Norwegen und Schweden und den Niederlanden höher als in Deutschland. Da sich die Charakteristika der Geflüchteten nicht wesentlich zwischen den Zielländern unterscheiden dürften, ist dies wahrscheinlich neben Unterschieden in den Institutionen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen auf die Integrationspolitik zurückzuführen. Es gibt in der Tat eine Reihe von empirischen Befunden, die dafürsprechen, dass die Teilnahme an Sprachprogrammen wie den Integrationskursen und Berufssprachkursen die Arbeitsmarktintegration unterstützt haben. Gleiches gilt für die Beratungs- und Qualifizierungsangebote der BA. Auch gibt es empirische Evidenz, dass die Anerkennung beruflicher Abschlüsse die Beschäftigungsquoten und Verdienste erheblich erhöhen.

Allerdings zeigen die empirischen Befunde auch, dass die überdurchschnittliche Verteilung von Geflüchteten auf strukturschwache Regionen mit erhöhter Arbeitslosigkeit die Arbeitsmarktintegration beeinträchtigt hat. Gleiches gilt für Wohnsitzauflagen, die es Geflüchteten erschweren, innerhalb Deutschlands umzuziehen. Auch Diskriminierung und Ablehnungskulturen haben sich in den betroffenen Regionen negativ auf die Arbeitsmarktintegration ausgewirkt, während umgekehrt eine positive Einstellung gegenüber Geflüchteten und das Engagement Ehrenamtlicher positive Effekte hatten. Wenn vor Ort Integrationskurse angeboten werden, wirkt sich das ebenfalls positiv auf die Teilhabe am Arbeitsmarkt aus. Der durch das Asylbewerberleistungsgesetz erschwerte Zugang zu Leistungen des Gesundheitssystems hat sich negativ ausgewirkt, während umgekehrt die Einführung der in einigen Bundesländern eingeführten elektronischen Gesundheitskarte und der damit verbundene erleichterte Zugang zu Gesundheitsversorgung positive Arbeitsmarktwirkungen hatte.

Insgesamt haben sich die Erwerbstätigenquoten der 2015 zugezogenen Geflüchteten in Deutschland aber schon stark an das Niveau anderer Migrantengruppen und der Durchschnittsbevölkerung angenähert.

Quellen / Literatur

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Brell, C.; Dustmann, C.; Preston, I. (2020): The Labor Market Integration of Refugee Migrants in

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Statistik der Bundesagentur für Arbeit (2024): Migrationsmonitor, Deutschland, November 2024.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Statistisches Bundesamt (2024a).

  2. Eigene Berechnungen auf Grundlage der IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten, 2022.

  3. Brell et al. (2020); Kosyakova und Kogan (2022).

  4. Hainmüller et al. (2016), Kosyakova und Brenzel (2020).

  5. Brücker et al. (2020).

  6. Brücker et al. (2024a).

  7. Brücker et al. (2017).

  8. Statistisches Bundesamt (2023).

  9. Statistisches Bundesamt (2023).

  10. Kosyakova et al. (2021).

  11. Brücker et al. (2024c).

  12. Nordic Council of Ministers (2022).

  13. CBS (2024).

  14. Brücker et al. (2024c).

  15. Aksoy et al. (2022).

  16. Brücker et al. (2020).

  17. Aksoy et al. (2022).

  18. Barreto et al. (2022).

  19. Kanas/Kosyakova (2023).

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Weitere Inhalte

Prof. Dr. Herbert Brücker ist Leiter des Forschungsbereichs „Migration, Integration und internationale Arbeitsmarktforschung“ am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) und seit 2018 Professor für Volkswirtschaftslehre an der Humboldt-Universität zu Berlin. Dort ist er zugleich Direktor des Berliner Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM).

Prof. Dr. Yuliya Kosyakova ist Leiterin des Forschungsbereichs „Migration, Integration und internationale Arbeitsmarktforschung“ am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) und Professorin für Migrationsforschung an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg.

Dr. Theresa Koch ist Mitarbeiterin im Forschungsbereich „Migration, Integration und internationale Arbeitsmarktforschung (INTER)“ am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).