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Staatsbürgerschaft und Entwicklung der Einbürgerungszahlen in Deutschland

Vera Hanewinkel Jochen Oltmer

/ 4 Minuten zu lesen

Trotz seiner langen Migrationsgeschichte haben sich Politik und Gesellschaft lange dagegen gewehrt, die Bundesrepublik als Einwanderungsland zu verstehen. Erst das Eingeständnis dieser Realität ebnete den Weg für eine Reform des Staatsangehörigkeitsrechts, das bis dahin auf der Vorstellung beruhte, Deutscher könne man zwar sein, aber nicht werden.

Ein Hinweisschild für eine Einbürgerungszeremonie im Neuen Rathaus in Hannover. (© picture-alliance/dpa)

Deutscher im Sinne des § 1 des deutschen Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG) ist, "wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt". Diese kann entweder durch Geburt oder durch Einbürgerung erworben werden.

Entwicklung des Staatsangehörigkeitsrechts

Im Jahr 1999 wurde das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht reformiert. Mit der Reform, die am 1. Januar 2000 in Kraft trat, wurde das im Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz von 1913 festgeschriebene Prinzip des Erwerbs der Staatsangehörigkeit durch Abstammung bzw. Vererbung (jus sanguinis) um das Territorialprinzip (Erwerb der Staatsangehörigkeit durch Geburt im Land / jus soli) erweitert. Dies bedeutete einen erheblichen Bruch mit der bis dahin geltenden ethno-nationalen Vorstellung, Deutscher könne man zwar sein, aber nicht werden.

Ursprünglich wollte die damalige rot-grüne Bundesregierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) die weitgehende Hinnahme der doppelten Staatsangehörigkeit im neuen Staatsangehörigkeitsrecht verankern. Dies scheiterte jedoch am Widerstand der Opposition. Die CDU/CSU lancierte die bundesweite Unterschriftenkampagne "Ja zur Integration – nein zur doppelten Staatsangehörigkeit". Diese verhalf Hessens CDU-Spitzenkandidat Roland Koch zu einem Sieg bei den hessischen Landtagswahlen. Damit änderten sich im Bundesrat die Mehrheitsverhältnisse zugunsten der unionsregierten Länder. So kam es schließlich zu einer Kompromisslösung in Form des sogenannten Optionsmodells. Demnach erhielten in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil seit mindestens acht Jahren in Deutschland gelebt hatte und im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis war. Erwarben sie gleichzeitig die ausländische Staatsangehörigkeit der Eltern, so mussten sie sich zwischen dem 18. und dem 23. Geburtstag für eine der beiden Staatsangehörigkeiten entscheiden (Optionspflicht). Kinder von EU-Bürgern waren von der Optionspflicht ausgenommen und durften ihren ursprünglichen Pass neben ihrem deutschen behalten.

Im Dezember 2014 trat eine Externer Link: Neuregelung der Optionsregelung in Kraft. Demnach müssen sich in Deutschland geborene und aufgewachsene Kinder ausländischer Eltern unter bestimmten Voraussetzungen nicht mehr für eine einzige Staatsangehörigkeit entscheiden. Sie dürfen sowohl die deutsche als auch die Staatsangehörigkeit ihrer Eltern behalten, wenn sie bis zu ihrem 22. Geburtstag mindestens acht Jahre lang in Deutschland gelebt haben, sechs Jahre lang in Deutschland die Schule besucht haben oder über einen in Deutschland erworbenen Schul- oder Berufsausbildungsabschluss verfügen. In Deutschland geborene Kinder von EU-Bürgern oder Schweizer Staatsangehörigen erwerben sowohl die deutsche als auch die Staatsangehörigkeit ihrer Eltern und dürfen diese auch behalten, ohne weitere Bedingungen erfüllen zu müssen. Voraussetzung bleibt in allen Fällen, dass mindestens ein Elternteil seit acht Jahren rechtmäßig in Deutschland gelebt hat und zum Zeitpunkt der Geburt im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis ist.

Einbürgerung

Seit der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts im Jahr 2000 haben Ausländerinnen und Ausländer unter Erfüllung bestimmter Voraussetzungen nach acht Jahren rechtmäßigen Aufenthalts in Deutschland das Recht, sich einbürgern zu lassen. Zu den Voraussetzungen (dargelegt in § 10 StAG) zählen neben der Anerkennung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung auch der Nachweis, den eigenen Lebensunterhalt und den unterhaltsberechtigter Familienangehöriger selbstständig und ohne Rückgriff auf Sozialhilfe und Arbeitslosengeld II gewährleisten zu können, Straffreiheit sowie ausreichende Deutschkenntnisse. Seit dem 1. Januar 2008 müssen darüber hinaus Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland durch einen Externer Link: Einbürgerungstest nachgewiesen werden. Im Rahmen der Einbürgerung gilt der Grundsatz, dass Mehrstaatigkeit vermieden werden soll. Das bedeutet, dass diejenige Person, die sich einbürgern lassen möchte, ihre bisherige Staatsangehörigkeit aufgeben muss. Von dieser Regelung sind zum einen Staatsangehörige eines anderen EU-Mitgliedslandes ausgenommen. Sie dürfen ihre bisherige Staatsangehörigkeit auch bei Annahme der deutschen Staatsangehörigkeit behalten. Zum anderen wird von der Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit auch dann abgesehen, wenn die Aufgabe dieser nicht oder nur unter besonders schwierigen Bedingungen möglich ist. Dies gilt im Fall von Herkunftsländern, die ihre Staatsangehörigen grundsätzlich nicht aus der Staatsangehörigkeit entlassen oder die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit regelmäßig verweigern. Dies ist beispielsweise im Iran, in Marokko, Afghanistan, Tunesien, Algerien, Syrien und dem Libanon der Fall. Heute Externer Link: (2016) wird bei mehr als der Hälfte der Einbürgerungen das Fortbestehen der bisherigen Staatsangehörigkeit akzeptiert.

Entwicklung der Einbürgerungszahlen

Eine statistische Übersicht über Einbürgerungen in Deutschland gibt die vom Statistischen Bundesamt jährlich veröffentlichte Externer Link: Einbürgerungsstatistik.
Im Anschluss an die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts wurde im Jahr 2000 mit rund 187.000 Einbürgerungen ein Höchststand erreicht. In den darauffolgenden Jahren sank die Zahl der Einbürgerungen deutlich. Im Jahr 2008 erhielten ca. 94.500 Personen die deutsche Staatsangehörigkeit. Seitdem ist die Zahl der Einbürgerungen wieder leicht angestiegen. Externer Link: Im Jahr 2016 ließen sich rund 110.400 Personen einbürgern. 57,8 Prozent aller Einbürgerungen erfolgten dabei unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit; die Eingebürgerten durften ihre bisherige Staatsangehörigkeit also weiter beibehalten.
Wer das Recht haben sollte, die deutsche Staatsangehörigkeit zu erhalten, wird regelmäßig neu ausgehandelt. Insbesondere über das Thema der Interner Link: doppelten Staatsangehörigkeit wird immer wieder diskutiert.

Dieser Text ist Teil des Interner Link: Migrationsprofils Deutschland.

Weitere Inhalte

Vera Hanewinkel ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück.
E-Mail: E-Mail Link: vera.hanewinkel@uni-osnabrueck.de

Dr. phil. habil., geb. 1965, ist Apl. Professor für Neueste Geschichte und Mitglied des Vorstands des Instituts für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück.
E-Mail: E-Mail Link: joltmer@uni-osnabrueck.de