Auswanderung
Sie war traditionell nach Lateinamerika gerichtet und erlebte ihren absoluten Höhepunkt zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Von 1905-1913 verließen 1,5 Millionen Spanier das Land – vor allem in Richtung Argentinien, Brasilien, Uruguay und Venezuela. Nach Unterbrechungen durch die Weltkriege und den spanischen Bürgerkrieg 1936-1939 setzte zunächst die Auswanderung in diese Länder wieder ein. Zwischen 1946 und 1958 verließen noch einmal ca. 624.000 Menschen das Land. Dann verlor Lateinamerika jedoch zugunsten der westeuropäischen Staaten an Attraktivität, sodass die jährlichen Zahlen der überseeischen Auswanderung bis Mitte der 1970er Jahre kontinuierlich sanken. Insgesamt waren es aber zwischen 1958 und 1975 noch einmal ca. 300.000 Menschen, die nach Lateinamerika gingen.
Erst als die Staaten Nord- und Westeuropas im Zuge ihrer wirtschaftlichen Entwicklung in den 1960er Jahren begannen, ausländische Arbeitnehmer anzuwerben, veränderte sich die Richtung der spanischen Auswanderung: Spanien wurde zu einem der Herkunftsländer der benötigten "Gastarbeiter", die bis Mitte der 1960er Jahre vor allem nach Frankreich, dann nach Deutschland und später insbesondere in die Schweiz gingen. Das Ende der Anwerbungen infolge der Energie- und Wirtschaftskrise 1973/74 führte zu einem drastischen Rückgang der Auswanderung, die sich nun vor allem auf Familiennachzug konzentrierte. Insgesamt gingen von 1960 bis 1975 ca. 2 Millionen Spanier und Spanierinnen in andere europäische Staaten. Neben der längerfristig angelegten Arbeitswanderung gab es noch saisonale Wanderungen, vor allem zum Zweck von Erntearbeiten, die sich hauptsächlich Richtung Frankreich bewegten und in diesem Zeitraum ebenfalls ca. 1,5 Millionen Menschen umfassten.
Seit Mitte der 1970er Jahre bis 1990 betrug die so genannte betreute Auswanderung
Die Auswanderung war zeitlich versetzt von einer erheblichen Rückwanderung begleitet. So kehrten von den zwei Millionen Auswanderern, die in europäische Staaten gegangen waren, zwischen 1962 und 1979 ca. 1,5 Millionen wieder zurück. Während sich die Rückkehrerzahlen aus Europa von 1980 bis in die zweite Hälfte der 1990er Jahre jährlich um 15.000 Personen bewegten, lagen sie seit 1999 einige Jahre bei etwa 20.000, zeigen mittlerweile jedoch eine leicht sinkende Tendenz (2006: ca. 16.700). Diese anhaltende Rückkehrbewegung dürfte sich damit erklären, dass bald fünf Jahrzehnte nach den Anwerbeabkommen immer mehr Migranten das Rentenalter erreichen und ihren Lebensabend im Heimatland verleben wollen. Deutlichere Ausschläge zeigt die Rückkehrmigration aus Lateinamerika, die seit Mitte der 1990er Jahre (ca. 8.000 pro Jahr) infolge der Krisen in Lateinamerika stark anstieg (2002: 30.400), mittlerweile jedoch das gleiche Niveau wie die europäische erreicht hat (2006: 16.600).
Einwanderung
Seit Mitte der 1980er Jahre stieg der Anteil der ausländischen Bevölkerung in Spanien langsam. Anfangs handelte es sich zu einem erheblichen Anteil um Nord- und Westeuropäer, die im südlichen Klima einen (Alters-)Wohnsitz suchten. Mit den Veränderungen der Wanderungsbewegungen in Europa hin zu verstärkten Süd-Nord-Wanderungen aus der "Dritten Welt" – und nach dem Fall des "Eisernen Vorhangs" auch aus Mittel- und Osteuropa – setzte jedoch zunehmend die Einwanderung von Arbeitsuchenden ein. Dies war auch eine Folge des anhaltenden Wirtschaftswachstums in Spanien.
Betrug die Zahl der Ausländer in Spanien 1975 ca. 200.000, so verfünffachte sich diese innerhalb von 25 Jahren bis zum Ende des Jahrhunderts auf ca. eine Million (ohne Berücksichtigung von Irregulären). Das entsprach etwa einem Anteil von 2,5 % an der damaligen Gesamtbevölkerung von 40 Millionen. Zum Ende des Jahres 2007 lag die Zahl der vergebenen Aufenthaltstitel bei 3,98 Millionen, wobei sich die jährlichen Zuwachsraten seit 2000 in der Regel um die 20 % bewegten. Von 2004 auf 2005 erreichte die Zuwachsrate infolge einer Regularisierungsaktion (siehe unten) fast 40 %, von 2006 auf 2007 erneut über 30 %. Auf der Basis der kommunalen Melderegister (padrón municipal) ist die Gesamtzahl der ausländischen Wohnbevölkerung deutlich höher anzusetzen.
Betrachtet man statt der Zahl der gemeldeten Ausländer die Zahl der im Ausland geborenen Personen (5,25 Millionen), wird das Bild der Zuwanderung noch differenzierter. Diese Personen können drei Kategorien zugeordnet werden: Ausländer, Eingebürgerte und Spanier. Überschlägig berechnet besteht letztere Gruppe aus etwas über einer halben Million Personen, die in zweiter und dritter Generation von spanischen Emigranten abstammen und aus Europa, Lateinamerika und Afrika nach Spanien zurückgekehrt sind.
Die starke Zuwanderung insgesamt ist für das erhebliche Bevölkerungswachstum Spaniens verantwortlich, das beispielsweise von 2004 auf 2005 2,1 %, von 2005 auf 2006 1,4 %, von 2006 auf 2007 1,1 % und von 2007 auf 2008 1,9 % betrug und damit (in absoluten Zahlen) weit vor anderen europäischen Staaten lag.
Die Ursachen für den Wandel Spaniens von einem Auswanderungs- zu einem Einwanderungsland sind vielfältig und liegen sowohl in Spanien selbst als auch in sozioökonomischen und politischen Entwicklungen außerhalb begründet. Spanien bot mit seiner Mitgliedschaft in der EG/EU und einem relativ kontinuierlichen Wirtschaftswachstum ein attraktives Ziel. Der spanische Arbeitsmarkt hatte Bedarf an Arbeitskräften, zum einen, weil mit der Steigerung des Lebensstandards für gewisse Arbeiten (zum Beispiel in der Landwirtschaft) keine spanischen Arbeitskräfte mehr zu gewinnen waren, zum anderen, weil durch das Nachlassen der Land-Stadt-Wanderung kein Nachschub an ungelernten Kräften in den Städten (zum Beispiel bei Hausangestellten)
Zudem hatte Spanien bis Mitte der 1980er Jahre eine kaum definierte Grenz- und Einwanderungspolitik und bot auch anschließend bis in die 1990er Jahre durch seine Ausrichtung auf den Tourismus wenige Hindernisse. Als schließlich schärfere Restriktionen zur Kontrolle der Zuwanderung eingeführt wurden, hatten Migrationsnetzwerke, bestehende Verwandtschafts- und Freundschaftsverbindungen sowie die Möglichkeiten der Familienzusammenführung eine Eigendynamik entwickelt, welche den Bemühungen um Migrationsbegrenzung zum Teil entgegenwirkt.
Zu den äußeren Faktoren, die den Wandel Spaniens zu einem Einwanderungsland begünstigten, gehörten die Restriktionen, die Staaten wie Deutschland, Frankreich und die Schweiz seit Mitte der 1970er Jahre oder die USA ab Mitte der 1980er Jahre bei ihrer Zulassungspolitik einführten und die Spanien besonders für Migranten aus Lateinamerika und von den Philippinen attraktiv machten. Die Machtübernahme durch Diktatoren in fast allen Ländern Lateinamerikas wie auch in der ehemaligen Kolonie Äquatorialguinea führte immer wieder zu erheblichen Migrationen, die zuerst meist politisch begründet, später jedoch zunehmend wirtschaftlich motiviert waren.
Auch wenn die geographische Lage durch die hoch entwickelten Verkehrsbeziehungen im Allgemeinen nur noch von geringer Bedeutung für die Auswahl als Migrationsziel ist, ist sie in Spanien weiterhin relevant. Das Mittelmeer, insbesondere die Straße von Gibraltar mit der geringen Entfernung zwischen Europa und Afrika, stellt einen Verbindungsweg dar, um nach Spanien und in die Europäische Union zu gelangen.