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Politisch-rechtliche Entwicklungen | Senegal (2007) | bpb.de

Politisch-rechtliche Entwicklungen

Felix Gerdes

/ 5 Minuten zu lesen

Fragen der Zuwanderung waren im Senegal politisch von untergeordneter Bedeutung, und politische Interventionen sind in der Regel im Rahmen internationaler Abkommen erfolgt.

Zuwanderung

Historisch wurde Zuwanderung, primär ideologisch bedingt, als etwas Positives wahrgenommen. Im senegalesischen Nationalbewusstsein nimmt der Wert der Gastfreundschaft (Teranga) eine wichtige Rolle ein. Darüber hinaus war der erste Präsident des Senegal, Léopold Sédar Senghor, einer der großen Theoretiker des Panafrikanismus, welcher die Einheit aller afrikanischen Bevölkerungsgruppen propagierte.

Im Bereich der Zuwanderungspolitik ist das "Protokoll über den freien Personenverkehr, das Recht zum Aufenthalt und zur Niederlassung" die für den Senegal bedeutendste internationale Übereinkunft. Das Protokoll wurde 1979 durch die Mitglieder der Economic Community of West African States (ECOWAS) unterzeichnet. Hiervon wurde bisher einzig die visumsfreie Einreise für Staatsbürger der Gemeinschaft umgesetzt. Das Aufenthaltsrecht wird im Senegal jedoch wenig restriktiv gehandhabt. Bei Bedarf eines Arbeitgebers können Arbeitserlaubnisse für Ausländer erteilt werden, Arbeitsplätze sind jedoch prioritär mit Einheimischen zu besetzen (Gesetz No. 71-10 vom 25. Januar 1971). Afrikanische Migranten arbeiten meist im informellen Sektor, wofür die Gesetzeslage von untergeordneter Bedeutung ist.

Der Senegal hat darüber hinaus eine Reihe internationaler Gesetzesinitiativen zum Flüchtlingsschutz unterzeichnet, so unter anderem die Flüchtlingskonvention der Organization of African Unity (OAU) von 1969. Auch hat das Land die UN-Konvention über die Rechte von Arbeitsmigranten (1990) ratifiziert.

Auswanderung

Die bedeutendsten innenpolitischen Anstrengungen des Senegals im Bereich Migration sind auf die entwicklungspolitische Nutzung des Potenzials der Emigranten verwendet worden. Zu diesem Zweck wurde ein Ministerium für Auslandssenegalesen (Ministère des Sénégalais de l´Extérieur) etabliert. Die politischen Bemühungen konzentrierten sich darauf, Auslandssenegalesen für produktive Investitionen im Lande zu gewinnen. Auf der Grundlage eines bilateralen Abkommens finanzierte Frankreich 1983 erstmals ein Programm zur beruflichen Bildung von und Kreditvergabe an rückkehrwillige Migranten. Im Jahr 1987 etablierten Frankreich und der Senegal das Büro zur Aufnahme, Orientierung und Betreuung der Rückkehrer (Bureau d´Accueil, d´Orientation et de Suivi des Actions de Réinsertion des Émigrés, BAOS), inzwischen angesiedelt im Außenministerium. Das BAOS betreut vor allem kleinere Projekte von Rückkehrern, wird jedoch aufgrund administrativer Defizite, mangelnder Finanzierung und geringem Vertrauen seitens der Migranten wenig genutzt.

Im Jahre 2000 wurde die Agentur für die Förderung von Investitionen und Großprojekten (Agence pour la Promotion des Investissements et des Grands Travaux, APIX) gegründet. Die APIX bündelt alle zur Unternehmensgründung notwendigen administrativen Prozeduren einschließlich der Importformalitäten und führt darüber hinaus Machbarkeitsstudien durch. Des Weiteren übernimmt sie die Abwicklung von Projekten, über die Rückkehrer von Frankreich und Deutschland mit Krediten gefördert werden. Im Gegensatz zum BAOS richtet sich die APIX nicht nur an Migranten, sondern an Investoren allgemein, und betreut vor allem finanziell aufwendigere Projekte. Insgesamt scheinen die beiden staatlichen Initiativen aufgrund der allgemeinen Defizite senegalesischer Verwaltung von geringen Erfolgen gekennzeichnet.

Abbildung 1: Entwicklung der Rücküberweisungen (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/2.0/de

Das Thema Migration hat mit steigenden Rücküberweisungen und deren zunehmender Bedeutung für die nationale Wirtschaft Eingang in den politischen Diskurs gefunden. Die senegalesische Regierung steht der Migration grundsätzlich positiv gegenüber. International setzt sie sich für vermehrte legale Migrationsmöglichkeiten nach Europa ein. In Verhandlungen mit europäischen Staaten hat die Regierung Senegals betont, zur Verringerung der Migration auf Entwicklungsprojekte und nicht auf Repression zu setzen. Sie hat sich darüber hinaus für einen besseren Schutz von Migranten in Afrika und Europa ausgesprochen. Allerdings haben der internationale Druck infolge massiver Wanderungsbewegungen auf die Kanarischen Inseln seit 2006 und die nationale Empörung über die hohen Opferzahlen, die diese gefährlichen Überfahrten forderten, zu einer Verstärkung der Grenzsicherung geführt. Die Küste wird relativ stark vom Staat kontrolliert, dazu patrouillierte 2006/2007 die europäische Grenzsicherungsagentur Frontex in senegalesischen und mauretanischen Gewässern, um potenzielle Migranten an der Überfahrt zu hindern.

Abbildung 2: Zielländer und -regionen senegalesischer Migranten (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/2.0/de

Als Reaktion auf die hohe Zahl an Migranten, die eine Überfahrt in Richtung Kanarische Inseln wagen, fanden vermehrt Gespräche mit verschiedenen europäischen Staaten bzw. der EU statt. Im Oktober 2006 unterzeichneten der Senegal und Frankreich ein Abkommen, welches die schnellere Abschiebung irregulärer Migranten und eine erleichterte Einreise für Fachkräfte, Studenten und Künstler nach Frankreich vorsah. Auch mit Spanien wurden 2006 mehrere Abkommen geschlossen. Unter anderem wurde die Abschiebung irregulärer Migranten erleichtert und eine Erhöhung der Entwicklungshilfe vereinbart. Auf dieser Grundlage wurden 2006 über 3.000 Senegalesen abgeschoben. Ende 2006 unterzeichneten beide Länder ein wegweisendes Abkommen, das über eine Periode von zwei Jahren (2007/08) die Vergabe von 4.000 temporären Arbeitserlaubnissen an Senegalesen vorsieht. Als Resultat einer afrikanisch-europäischen Konferenz vom Juli 2006 finanziert die Europäische Kommission seit April 2007 ein Projekt zur Erhöhung der Kontrollkapazitäten der senegalesischen Behörden mit einem Volumen von 1.016.945 Euro. Auch ein von 2007 bis 2011 von Industrieländern und Afrikanischer Entwicklungsbank mit sechs Milliarden US-Dollar finanziertes Projekt für landwirtschaftliche Entwicklung in acht westafrikanischen Ländern, darunter Senegal, steht im Zeichen der Migrationseindämmung.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Nichtsdestoweniger bestehen auch im Senegal Vorurteile gegen Zuwanderer (Fall 2003).

  2. Dieser gehörten damals neben dem Senegal Benin, Burkina Faso, die Elfenbeinküste, Mali, Mauretanien, Niger, Gambia, Ghana, Guinea, Guinea-Bissau, Kap Verde, Liberia, Nigeria, Sierra Leone und Togo an. Mauretanien trat 2002 aus der ECOWAS aus.

  3. Die OAU-Konvention unterscheidet sich von der Genfer Flüchtlingskonvention vor allem in zwei Punkten. Erstens werden legitime Fluchtgründe breiter definiert; auch gesellschaftliche Zustände (wie beispielsweise "foreign domination" oder der Zusammenbruch öffentlicher Ordnung), nicht nur individuelle Verfolgung, begründen die Anerkennung einer Person als Flüchtling. Zweitens werden staatliche Interessen an der Unterbindung "subversiver Aktivitäten" stärker berücksichtigt. Siehe Oloka-Onyango (1991).

  4. Dieses Programm war ein Fehlschlag, keines der zehn Projekte zeigte sich mittelfristig profitabel. Die Gründe hierfür wurden in inadäquater Ausbildung und Beratung der Unternehmer gesehen.

  5. So bemerkte das Bertelsmann-Ländergutachten 2003: "Eine effektive Nutzung personeller und organisatorischer Ressourcen ist eher die Ausnahme als die Regel. Bereits die versprochene Begrenzung des ersten Kabinetts Wade [2000-2007, F. G.] auf 21 Minister konnte gegen Verteilungsdruck aus dem heterogenen Regierungsbündnis nicht aufrechterhalten werden und fiel mit 29 Ministern deutlich höher aus. [Das aktuelle Kabinett ist mit 38 Ministern eines der größten Afrikas, F. G..] Effektive Verwaltung wird so bereits durch Schwierigkeiten in der Kompetenzabgrenzung auf der obersten Ebene eingeschränkt. Die öffentlichen Dienstleistungen sind im Großen und Ganzen weiteren Entwicklungsfortschritten kaum förderlich. Sie nutzen eigene Ressourcen weitgehend ineffizient und intransparent, wie auch der Rechnungshof-Bericht 2002 untermauerte" (Bertelsmann 2003:14f).

  6. Als Rücküberweisung bezeichnet man den Teil des Einkommens, den die Migranten in Form von Geld oder Gütern vor allem zur Unterstützung ihrer Familien zurück ins Heimatland schicken.

  7. Auch der "Brain Drain", die Abwanderung qualifizierter Arbeitskräfte, hat bisher kaum Eingang in die politische Diskussion gefunden.

  8. Anlässlich der fremdenfeindlichen Übergriffe in der Elfenbeinküste verkündete der Präsident des Senegal öffentlich, kein Afrikaner müsste in Europa erleiden, was ein Burkinabé in der Elfenbeinküste erleiden müsste. Die scharfe Reaktion des Präsidenten ist auch darauf zurückzuführen, dass senegalesische Staatsbürger systematisch Opfer der Übergriffe wurden. Auch forderte er 2005 von Spanien, die Abschiebung von 600-700 auf den Kanaren gelandeter Senegalesen auszusetzen, nachdem Vorwürfe der Misshandlung der Migranten aufgekommen waren.

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