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Staatsbürgerschaft | Marokko | bpb.de

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Staatsbürgerschaft

Hein de Haas

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Marokkos Staatsangehörigkeitsgesetz basiert auf dem Prinzip des jus sanguis, also dem Abstammungsprinzip. Grundsätzlich wird die marokkanische Staatsbürgerschaft mit der Geburt erworben, wenn mindestens eines der Elternteile marokkanisch ist.

Mit der Einführung des neuen Familienrechts in den ersten Jahren des neuen Jahrtausends können nun auch marokkanische Frauen die Staatsbürgerschaft an die Kinder weitergeben. Für Ausländer ist es dagegen im Allgemeinen sehr schwierig, die marokkanische Staatsbürgerschaft anzunehmen. Das marokkanische Einbürgerungsrecht gesteht wenigen Gruppen das Recht zu, die marokkanische Staatsbürgerschaft zu erwerben, so etwa in Marokko geborenen Kindern ausländischer Eltern, ausländischen Ehefrauen marokkanischer Männer und Personen, die Marokko "außergewöhnliche Dienste" erwiesen haben.

Da die marokkanische Staatsbürgerschaft praktisch unveräußerlich ist, ist es Auswanderern nahezu unmöglich, ihre Staatsbürgerschaft abzutreten, und ihre Staatszugehörigkeit wird automatisch an die zweite und dritte Generation weitergegeben. Dies bedeutet, dass Marokkaner, die die Staatsbürgerschaft des Landes annehmen, in dem sie leben, ihre marokkanische Nationalität nicht aufgeben können und automatisch als doppelte Staatsbürger gelten.

Der marokkanische Staat indessen versucht, zwischen Kontrolle und Umwerben der sich ausweitenden marokkanischen Diaspora einen Mittelweg zu finden. Es besteht weiterhin die grundlegende Auffassung, dass alle marokkanischen Bürger im Ausland und auch ihre Nachkommen letztlich Untertanen des marokkanischen Königs sind. Die autoritäre Beziehung zwischen dem marokkanischen Staat und den marokkanischen Migranten zeigt sich nicht zuletzt darin, dass eine positivere, weniger repressive Haltung des marokkanischen Staates gegenüber seinen Auswanderern paradoxerweise nur durch eine allgemeine Reform der Richtlinien, die einseitig vom König beschlossen wurde, möglich wurde. Sie zeigt sich auch in der Tatsache, dass der Vorschlag, das Wahlrecht auch auf marokkanische Staatsbürger im Ausland auszudehnen, ohne Parlamentsdebatte verworfen wurde oder dass in dem Rat, der sich zukünftig um die Belange der marokkanischen Staatbürger im Ausland kümmern soll (Conseil Supérieur de la Communauté marocaine à l´étranger, CSCME), keine gewählten, sondern vom König ernannte Mitglieder sitzen.

Die größte Veränderung nach 1990 ist ein zunehmendes Bewusstsein innerhalb des marokkanischen Staatsapparates, dass die soziale und wirtschaftliche Integration der Auswanderung in die jeweiligen Zielländer deren Beiträgen zu Marokkos Entwicklung nicht unbedingt schmälern müssen, und dass Bestrebungen, der Integration der Auswanderer im Ausland entgegen zu wirken, eher kontraproduktiv sind. Dies hatte eine interessante Umkehrung der Perspektive und politischer Analysen zufolge. Wirtschaftliche und politische Integration stellt nun eine wünschenswerte Entwicklung dar, da Auswanderer, die an entsprechender Stelle positioniert sind, eine entscheidende Rolle bei der Einwerbung von Investitionen und der Belebung des Handels spielen. Wohlhabende und integrierte Auswanderer sind darüber hinaus besser in der Lage, größere Geldsummen an Familien und Freunde in Marokko zu überweisen. Hier zeigt sich also eine veränderte Denkweise, in der Beiträge von Seiten der Auswanderer zur Entwicklung des Landes nicht zwangsläufig mit einer Rückkehr in Verbindung gebracht werden. Diese Denkweise besteht, seitdem zunehmend deutlich wird, dass transnational orientierte und gut integrierte Auswanderer bestens in der Lage sind, sich für ihr Heimatland zu engagieren, auch ohne notwendigerweise zurückzukehren.

Auch wird jetzt zu politischer Beteiligung von marokkanischen Nachkommen in den Zielländern er- und nicht mehr entmutigt, da sie zu einem positiveren Bild von Marokkanern im Ausland beitragen und somit potenziell internationale Interessen Marokkos fördern können. Politisch aktive Emigranten werden also zunehmend als potenzielles politisches Instrument denn als Bedrohung gesehen.

Mehrere Male haben Versuche von Seiten des marokkanischen Staates, im Ausland Souveränität auszuüben und nationale Ideologien zu vertreten, um die Verbindung zu den Auswanderergemeinden zu festigen, zu Konflikten mit den Regierungen der europäischen Aufnahmeländern geführt. So wurde beispielsweise die Entsendung von marokkanischen Lehrern für arabischen Sprachunterricht und die Unterweisung in marokkanischer Kultur von einigen europäischen Politikern als Integrationshindernis bewertet und bleibt daher weiter kontrovers. Auch Marokkos Widerstand gegen die Abtretung der marokkanischen Staatsbürgerschaft durch Auswanderer und ihre Nachkommen wird von einigen europäischen Politikern und Regierungen als deren Integrationsplänen gegenläufig aufgefasst.

In dieser Angelegenheit haben sich insbesondere mit der niederländischen Regierung erhebliche Spannungen ergeben. Diese weigerte sich nicht nur, die von Marokko finanzierten Lehrer in das nationale Bildungssystem aufzunehmen, sondern auch, Beziehungen zu religiösen Instanzen in Marokko zu institutionalisieren und von der marokkanischen Regierung entsandte und bezahlte Imame ins Land zu lassen. Im Jahr 2004 entschloss sich die niederländische Regierung, ‚eigenen Sprach- und Kulturunterricht´ abzuschaffen. Im gleichen Jahr forderte die niederländische Ministerin für Integration und Zuwanderung den marokkanischen Botschafter in den Niederlanden auf, die Praxis, allen Nachfahren von marokkanischen Einwanderern automatisch die marokkanische Staatsbürgerschaft zu verleihen, einzustellen. Dies war Teil ihrer Bemühungen, die doppelte Staatsbürgerschaft abzuschaffen, um die Integration von Migranten weiter zu fördern. Die marokkanischen Behörden wiesen diese Aufforderung als unerwünschte Einmischung in innere Angelegenheiten zurück. 2005 forderte die niederländische Regierung Marokko offiziell auf, es Marokkanern zu ermöglichen, die Staatsbürgerschaft ab der dritten Generation abzulegen. Auch dieses Ersuchen wurde abgelehnt.

Im Jahr 2006 stellten rechtsgerichtete niederländische Parlamentsangehörige öffentlich die nationale Loyalität Khadija Aribs (eine Angehörige der niederländischen Arbeiterpartei und des niederländischen Parlaments und eines von zwei niederländisch-marokkanischen Mitgliedern in der Arbeitsgruppe Migration im CCDH) in Frage. Sie argumentierten, dass die Mitgliedschaft in dieser Arbeitsgruppe, die den marokkanischen König berät, aufgrund widersprüchlicher Loyalitäten unvereinbar sei mit ihrer Mitgliedschaft im niederländischen Parlament, und dass sie sich deshalb zu entscheiden habe. In Belgien lehnte Fatiha Saidi, Mitglied des Parlaments für die sozialistische Partei, die Einladung ab, Mitglied im der Arbeitsgruppe Migration des CCDH zu werden, da sie nicht für Institutionen zwei verschiedener Staaten tätig sein wollte.

Während diese Beispiele eine wachsende Kluft zwischen offizieller Politik und faktischer Lebensführung und Aktivitäten vieler Auswanderer offenbaren, verweisen sie doch auch auf potenziell widersprüchliche Souveränitätsansprüche von Seiten des marokkanischen Staates und europäischen Staaten.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Siehe Belguendouz (2006).

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