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Rücküberweisungen | Marokko | bpb.de

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Rücküberweisungen

Hein de Haas

/ 3 Minuten zu lesen

Für Marokkaner im Heimatland stellen ansteigende Rücküberweisungen von Angehörigen und Freunden aus dem Ausland ein lebenswichtiges Mittel zur Linderung der Armut und eine potenzielle Quelle für Kapitalinvestitionen dar.

Rücküberweisungen, Direktinvestitionen und Fördermittel aus dem Ausland an Marokko, 1975-2006 (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/2.0/de

Durch den Aufbau eines effizienten Bankensystems und makro-ökonomische Stabilität hat der marokkanische Staat diese Rücküberweisungen recht erfolgreich in offizielle Kanäle geleitet. Ungeachtet einiger Rückfälle stiegen diese Überweisungen von 200 Millionen Dirham (23 Millionen US-Dollar) im Jahre 1968 auf über 18,5 Milliarden Dirham (2,1 Milliarden US-Dollar) im Jahre 1992. Nach einer bedenklichen Stagnation bei rund 2,3 Millionen US-Dollar in den 1990er Jahren, kam es seit 2001 (trotz eines kleineren Rückfalls im Jahr 2002) zu einem anhaltend steilen Aufwärtstrend in Richtung bis dahin unerreichter Größenordnungen von 4,2 Milliarden US-Dollar in 2004 und geschätzten 5,6 Milliarden in 2006.

Auch wenn diese Steigerungen zum Teil auf Folgeerscheinungen der Abwertung des US-Dollars und eine verbesserte Registrierung der Rücküberweisungen zurückgeführt werden können, besteht jedoch kaum Zweifel darüber, dass die Rücküberweisungen auch zugenommen haben. Zwischen 2001 und 2006 machten allein offizielle Rücküberweisungen 7,4 % des Bruttosozialprodukts aus und entsprachen derselben Größenordnung wie Marokkos Handelsdefizit. Offiziell registrierte private Rücküberweisungen allein überstiegen bei weitem die Summe ausländischer Direktinvestitionen, welche überdies deutlich instabiler sind. Bis 2005 übertrafen sie auch die Einkünfte aus dem Tourismus und stellen die Einnahmen aus der Phosphatförderung, Marokkos wichtigstem Exportrohstoff, in den Schatten.

Die Zunahme der Rücküberweisungen ist teilweise mit der enorm gestiegenen Zahl von Marokkanern verbunden, die ihren Sommerurlaub in der Heimat verbringen – ein Beleg für die starken sozialen Bindungen zwischen Auswanderern und ihren Familien in Marokko. Einer aktuellen Umfrage zufolge haben drei Viertel der im Ausland lebenden marokkanischen Bevölkerung wenigstens einmal in den letzten zwei Jahren Marokko besucht. Laut Quellen der marokkanischen Regierung aus dem Jahr 2003, hätten zwischen dem 15. Juni und dem 15. September mehr als 2,2 Millionen der Ausgewanderten und 580.000 Autos die Straße von Gibraltar überquert. Im Jahr 2006 sei die Zahl der Urlaubsaufenthalte von Migranten und ihren Nachkommen auf über 3 Millionen gestiegen.

Während der letzten beiden Jahrzehnte haben sich Rücküberweisungen als substanziell höhere und weniger unstetige Quelle von Auslandseinkommen als offizielle Entwicklungshilfe und ausländische Direktinvestitionen erwiesen und sind zu einem grundlegenden Baustein der Zahlungsbilanz Marokkos geworden (siehe Abbildung). Obwohl eine gewisse Enttäuschung über den niedrigen Hang der Auswanderer zur Gründung eigener Unternehmen besteht, haben die Ausgaben der Rücküberweisungen und zahlreiche Investitionen in Wohnungsbau und kleinere Unternehmen wesentlich zur Verbesserung der Lebensbedingungen, zur Reduzierung der Armut und zur Stärkung wirtschaftlicher Aktivität in verschiedenen Herkunftsregionen der Auswanderer beigetragen.

Vorliegende empirische Studien belegen, dass Migration und Rücküberweisungen Lebensbedingungen, Einkommen und Bildung erheblich verbessert und durch Investitionen in Landwirtschaft, Immobilien und Unternehmen wirtschaftliche Aktivität angeregt haben, von der Nicht-Migranten indirekt profitieren. Dies hat zu einem rapiden Wachstum regelrechter 'migrantischer Boomtowns' geführt und Herkunftsregionen von Auswanderern wie das Rif, die Sous-Ebene und einige südliche Oasen in vergleichsweise wohlhabende Regionen verwandelt, die nun Migranten aus anderen, ärmeren Gebieten innerhalb des Landes anziehen.

Aufgrund diverser Investitionshemmnisse wie Unsicherheit bei Eigentumsrechten, Korruption, Bürokratie, Marktversagen und fehlendem Vertrauen in den marokkanischen Staat wurde dieses Entwicklungspotenzial jedoch noch nicht vollständig ausgeschöpft. Migration und Rücküberweisungen können es den Menschen gleichermaßen ermöglichen, in wirtschaftliche Aktivität vor Ort zu investieren oder sich daraus zurückzuziehen, je nach spezifischer Investitionsumgebung. Positive Entwicklungsauswirkungen sind eher in relativ zentralen und wohlhabenden Städten und Regionen vorherrschend, in denen die meisten Auswanderer ihre Investitionen bereitstellen oder in die sie zurückkehren. Hingegen können ländlichere Gebiete in den Randlagen unter Umständen von Abzug von Investitionen oder gar Entvölkerung betroffen sein. Ein gewisser Entwicklungsstand der Herkunftsregionen scheint also paradoxerweise eher eine Grundvoraussetzung für Rückkehr und Investitionen zu sein, als eine Folge von Migration.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Quelle: World Development Indicators database (Weltbank).

  2. Siehe de Haas and Plug (2006).

  3. Siehe de Haas (2007a).

  4. Siehe Berriane (1996) and Teto (2001).

  5. Siehe de Haas (2007c).

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