Maßnahmen gegen die Ausbeutung ausländischer Arbeitnehmer
Mittlerweile ist deutlich geworden, dass die Politik der Abschiebungen illegal beschäftigter Ausländer nicht imstande ist, die Zahl irregulärer Migranten im Land nachhaltig zu reduzieren.
Nachdem in den Jahren 2003 und 2004 im Durchschnitt mehr als 1.500 Abschiebungen pro Monat vollzogen wurden, legen die Strafverfolgungsbehörden seit 2005 einen Schwerpunkt auf die Bestrafung von Arbeitgebern, die Migranten illegal beschäftigen, und versuchen, schwarze Schafe im System der privaten Arbeitsagenturen aufzuspüren. Denn die Vermittlung von Gastarbeitern aus Übersee in temporäre Beschäftigungsverhältnisse hat sich in den letzten Jahren zu einem regelrechten Wirtschaftszweig mit oftmals illegalen Praktiken entwickelt. Die lizenzierten Agenturen dürfen laut Gesetz von den angeworbenen Arbeitern lediglich Verwaltungsgebühren in Höhe von einigen Hundert US-Dollar verlangen. Tatsächlich erreichen die illegalen Geldforderungen zur Beschaffung einer Arbeitserlaubnis durch die Vermittler jedoch exorbitante Ausmaße: Nach Angaben von Lobby-Organisationen für die Rechte der ausländischen Arbeitnehmer belaufen sich die durchschnittlich gezahlten Gebühren bei Thailändern auf 8.000 bis 10.000 US-Dollar, bei Chinesen sogar auf 16.000 bis 18.000 US-Dollar.
Durch erste Reformschritte 2004 wurde die Abhängigkeit der Gastarbeiter von ihren Arbeitgebern bereits reduziert. Maßnahmen zur Begrenzung der Macht von Arbeitsagenturen und zur Stärkung der individuellen Rechte der ausländischen Arbeitnehmer, über die in der Knesset ein gesonderter Parlamentsausschuss berät, müssen die nächsten Schritte sein. Daneben steht die Verbesserung der Gesundheitsversorgung für diese Migranten auf der Agenda.
Grenzsicherung
Im Bereich der organisierten Kriminalität ist Israel in den letzten Jahren vermehrt zum Ziel professioneller Menschenhändler und -schmuggler geworden, die insbesondere Frauen aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion zur sexuellen Ausbeutung im Prostitutionsgewerbe einschleusen. Weitere Bemühungen der israelischen Migrationskontrolle konzentrieren sich also auf die Sicherung der Außengrenzen. Besonders die über 200 km lange grüne Grenze mit Ägypten, die überwiegend durch schwer zugängliche Wüstengebiete zwischen dem Negev und dem Sinai führt, wird von den Menschenschmugglern benutzt. Der Sinai gilt als Transitroute für den Transport von Drogen und Waffen.
Nachdem sich im Januar 2008 infolge einer gewaltsamen Grenzöffnung Hunderttausende von Palästinensern aus dem Gazastreifen vorübergehend in Ägypten aufhielten
Flüchtlings- und Asylpolitik
Obwohl Israel zu den ersten Unterzeichnern der Genfer Flüchtlingskonvention und des Zusatzprotokolls von 1967 gehörte und sogar an deren Erarbeitung beteiligt war, verfügte es bislang über kein etabliertes System oder Gesetz zur Aufnahme und zum Schutz von Flüchtlingen. Bis vor Kurzem wurden Asylbegehren vom Hohen Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) behandelt, auf dessen Empfehlung hin Israel immer wieder kleine Kontingente von Flüchtlingen akzeptierte. Erst im Jahr 2002 erarbeitete eine interministerielle Arbeitsgruppe interne Richtlinien zur Behandlung von Asylbewerbern und setzte einen regierungsamtlichen Ausschuss zur Prüfung von Asylbegehren ein. Seitdem ist diese "Nationale Körperschaft zur Statusgewährung", die hauptsächlich mit Regierungsvertretern der ministeriellen Ressorts für Inneres, Justiz und Äußeres besetzt ist, für die Prüfung von Asylanträgen zuständig. Weiterhin spielt auch das UNHCR eine wichtige Rolle, das dem Ausschuss vorbereitend und empfehlend zuarbeitet.
Ende 2006 lebten in Israel 837 anerkannte Flüchtlinge, über 863 Asylgesuche war noch nicht entschieden (schwebende Verfahren). Im Laufe des Jahres 2006 wurden 1.348 neue Asylanträge gestellt und 1.425 Fälle entschieden. Darunter waren 805 Ablehnungen und nur 5 Anerkennungen; ferner wurde in 339 Fällen aus humanitären Gründen eine Abschiebung ausgesetzt, 276 Fälle erledigten sich anderweitig.
Eine relativ junge Fluchtbewegung stellt Israel in den letzten zwei bis drei Jahren vor neue Herausforderungen: Hunderte von sudanesischen Flüchtlingen aus der Bürgerkriegsregion Darfur sind seit 2005 über Ägypten nach Israel geflohen. Die Zuwanderung von Sudanesen über Ägypten stieg insbesondere Mitte des Jahres 2007 deutlich an, als teilweise über zweihundert Bürgerkriegsflüchtlinge pro Monat in Israel ankamen. Nach Schätzungen hielten sich Anfang 2008 mehr als 2.000 Sudanesen im Land auf, von denen jedoch nur ein Teil einen Asylantrag stellte. Sie wurden zunächst in Gefängnissen und provisorischen Aufnahmeeinrichtungen untergebracht. Die Stadtverwaltung von Tel Aviv, in deren Zuständigkeitsbereich sich die überwiegende Mehrzahl der Afrikaner aufhält, befürchtet eine humanitäre Krise und plädiert für die rasche Integration in den Arbeits- und Wohnungsmarkt. Derzeit berät sie gemeinsam mit dem Innenministerium Pläne für finanzielle Beihilfen, damit sich Flüchtlinge selbständig niederlassen können. Bereits im Sommer 2007 stellten Ministerpräsident Ehud Olmert und Innenminister Meir Sheetrit Überlegungen dahingehend an, mehreren Hundert Sudanesen aus Darfur die israelische Staatsbürgerschaft anzubieten.
Im Hinblick auf Transparenz und Flüchtlingsschutz wird sich Israels noch junges Asylsystem erst noch bewähren müssen. Immer wieder gibt es Berichte von afrikanischen Flüchtlingen, die ohne Anhörung an der Grenze abgewiesen werden. Flüchtlingshilfeorganisationen bemängeln u. a. die prekäre Versorgungslage der Flüchtlinge während ihres Verfahrens, die fehlende Möglichkeit unabhängiger rechtlicher Überprüfung der Asylentscheidungen sowie die Tatsache, dass die Entscheidungshoheit über Flüchtlingsanerkennungen letztlich stets beim Innenministerium liegt.
Die palästinensische Flüchtlingsfrage und der demografische Faktor im Friedensprozess
Die Palästinenser bilden im Rahmen des internationalen Flüchtlingsregimes einen Sonderfall. Ende 1949 gründeten die Vereinten Nationen eine spezielle Organisation, die sich um die palästinensischen Flüchtlinge in der Nahost-Region kümmert: die United Nations Relief and Works Agency (UNRWA). Sie betreut insbesondere jene Palästinenser mit finanziellen und infrastrukturellen Hilfen, die in den Flüchtlingslagern des Westjordanlandes, des Gazastreifens, aber auch der umliegenden arabischen Staaten (Jordanien, Libanon, Syrien) leben. Gegenwärtig sind dies rund 4,4 Mio. Menschen. Gestützt auf zahlreiche Resolutionen der UN geht die internationale Staatengemeinschaft von einem Rückkehrrecht dieser Palästinenser aus – ein Recht, das Israel bisher kategorisch ablehnt, da es das derzeitige Bevölkerungsgefüge und damit den jüdischen Charakter des Landes massiv verändern würde.
Das zahlenmäßige Verhältnis von Arabern und Juden ist seit Beginn der jüdischen Einwanderung ins historische Palästina Gegenstand intensiver Debatten und bevölkerungs- bzw. politstrategischer Überlegungen. Trotz massiver Einwanderung auf jüdischer Seite ist das Bevölkerungswachstum auf arabischer Seite – wegen der vergleichsweise hohen Geburtenraten – über die Jahrzehnte größer. Der arabische Bevölkerungsanteil Israels beläuft sich derzeit auf rund 20 %. Nach moderaten Prognosen wird er jedoch im Jahr 2025 bereits bei rund 25 % liegen (siehe Abbildung). Auch die arabisch-palästinensische Bevölkerung in den teilweise durch Israel, teilweise durch die palästinensische Autonomiebehörde verwalteten Kommunen der Westbank und des Gazastreifens wächst rapide. Bezieht man sie in die demografische Analyse ein und betrachtet das gesamte Territorium des früheren Mandatsgebietes Palästina, so wirkt sich das Bevölkerungswachstum der Palästinenser deutlicher aus: Bereits 2006 waren die beiden Gruppen – Juden und Palästinenser – mit jeweils gut 5 Mio. Personen zahlenmäßig gleich groß (demografische Parität).
Im Hinblick auf diese Zahlen wird im inner-israelischen Diskurs wahlweise von der "demografischen Frage", vom "demografischen Problem" oder sogar von der "demografischen Bedrohung" gesprochen, die den Charakter Israels als jüdischer Staat mittelfristig in Frage stellt. Neben der Ablehnung eines Rückkehrrechts für palästinensische Flüchtlinge auf israelisches Staatsgebiet wird von Politikern des rechten Lagers daher auch über die Ausgliederung von überwiegend arabisch bevölkerten Teilen Israels im Rahmen der Verhandlungen um eine Zweistaatenlösung nachgedacht.
Pluralisierung der Gesellschaft
Durch die Masseneinwanderung von Juden aus der ganzen Welt befindet sich die israelische Gesellschaft seit der Staatsgründung in einem Zustand permanenter Transformation. Dieser Wandlungsprozess vollzog sich in den letzten 25 Jahren so gravierend wie in keiner Phase davor. Das Straßenbild ist geprägt von ethnischer Vielfalt: Äthiopier und subsaharische Afrikaner sind in den Metropolen ebenso präsent wie Asiaten und Lateinamerikaner. Einige Straßenzüge in den ärmeren Wohnvierteln Tel Avivs sind mittlerweile deutlich von rumänischen Gastarbeitern dominiert, Gegenden um den Busbahnhof im Süden der Stadt verwandeln sich an den Wochenenden zu "Little Bangkok". Doch wohl keine Migrationsbewegung hat das öffentliche Leben Israels so geprägt wie die Zuwanderung der über 1 Mio. Menschen aus der ehemaligen Sowjetunion.
Die russische Sprache hat sich trotz der umfassenden Förderung des Hebräischen fest etabliert; selbst einige der russischstämmigen Knesset-Abgeordneten können keine Parlamentsrede in einer der beiden israelischen Amtssprachen (Hebräisch und Arabisch) halten. Es existiert eine breite Palette an russischsprachigen Medien und eine lebendige Kulturlandschaft. Hinzu kommt, dass bei weitem nicht alle Einwanderer aus der Ex-Sowjetunion Juden sind. In der ersten Hälfte der 1990er Jahre wurden 20 %, zwischen 1995 und 1999 sogar über 40 % der Einwanderer als nicht-jüdische Familienangehörige nach dem Rückkehrgesetz aufgenommen – insgesamt rund 300.000 Personen, Tendenz steigend (siehe auch Abb. 8). Konflikte ruft z. B. deren Nachfrage nach Schweinefleisch hervor, dessen Konsum mit den jüdischen Speisevorschriften unvereinbar ist.
Durch das Aufkommen neuer Parteien und gruppenspezifischer Wahlpräferenzen erfuhr auch das politische System deutliche Veränderungen. Israelische Wahlforscher messen der "Stimme der Russen" die Funktion einer unabhängigen – und bei einigen Wahlen bereits entscheidenden – politischen Kraft zu.
Parallel dazu durchläuft die politische und kulturelle Landschaft Israels eine Art "Orientalisierung" in Form eines Bedeutungsgewinns des sephardischen Judentums. Die auch als mizrachim (Orientalen) bezeichneten sephardischen Juden wanderten nach der Staatsgründung Israels aus nordafrikanischen bzw. nahöstlich-westasiatischen Ländern ein und stammen überwiegend von den im 15. Jahrhundert aus Spanien vertriebenen Juden ab. Die Gründergeneration Israels und das politische Establishment bestanden hingegen aus aschkenasischen Juden – also aus europäischen und (seltener) nordamerikanischen Einwanderern mit Wurzeln im mittel- und osteuropäischen Judentum. Sie dominierten das öffentliche und kulturelle Leben sowie das identifikatorische Selbstverständnis gegenüber den weniger gebildeten, oftmals als kulturell minderwertig erachteten und nicht selten paternalistisch behandelten Sepharden. Mittlerweile vollzieht sich eine Hinwendung zum orientalischen bzw. arabischen Judentum, die sich in kultureller Hinsicht z. B. durch die wachsende Popularität orientalischer Musik ausdrückt. Auch wenn Einkommen und Bildungschancen weiterhin ungleich verteilt sind
Die fundamentalen Konflikte des multiethnischen Zusammenlebens liegen im Gegenüber von jüdischen und arabisch-moslemischen Israelis. Letztere sind in vielen Bereichen benachteiligt oder gar ausgeschlossen. Trotz politischer Repräsentanz in der Knesset bzw. in autonomen kommunalen Verwaltungen wird die jüdische gegenüber der arabischen Bevölkerung in politischen Entscheidungen über Raumplanung, Infrastruktur und Bildung meist privilegiert. Der Hochschulzugang ist für Absolventen des gesonderten arabischen Schulsystems in der Regel schwerer. In vielen Sektoren bestehen segregierte Arbeitsmärkte, deren Durchlässigkeit gering ist, u. a. weil sie als "sicherheitsrelevant" eingestuft werden und damit die Beschäftigung von Palästinensern quasi ausgeschlossen ist.
Neuerdings wird über die Einführung eines freiwilligen Zivildienstes nachgedacht, der allen Israelis offenstehen soll. Denn vom Wehrdienst, der für den beruflichen Aufstieg von enormer Bedeutung ist, sind die meisten Araber – mit Ausnahme der Beduinen und Drusen – bislang ausgeschlossen. Im Hinblick auf das innerisraelische Zusammenleben von Juden und Arabern steht die berechtigte Forderung nach vollständiger und gleichberechtigter Integration einer politisch-gesellschaftlichen Realität gegenüber, die ihre Erfüllung unmöglich erscheinen lässt. Sich weiter konstruktiv mit diesem Dilemma auseinanderzusetzen gehört zu den zentralen Herausforderungen der Gesellschaftspolitik im multiethnischen Staat Israel.
Israels Zukunft als Einwanderungsland
Nicht-jüdische Zuwanderung wird Israel auf absehbare Zeit kaum fördern. Die Zukunft des Landes als Einwanderungsland bleibt eng an das Rückkehrgesetz gekoppelt, auch wenn aus pragmatischen Erwägungen heraus am System der temporären Anwerbung ausländischer Arbeitnehmer festgehalten wird. Mitte 2005 setzte die damalige Regierung eine Beratungskommission unter dem Vorsitz des renommierten Ex-Ministers Amnon Rubinstein ein, die überwiegend mit Juristen besetzt war und die israelische Migrationspolitik unter die Lupe nehmen sollte. Ihr Ziel bestand in der Formulierung einer Einwanderungspolitik für den Staat Israel, die sich nicht ausschließlich an Sicherheitsüberlegungen orientieren, sondern darüber hinaus die Existenz Israels als jüdischer und demokratischer Staat sicherstellen sollte. In ihrem Zwischenbericht ging die Kommission davon aus, dass Einwanderung von Personen außerhalb des Rückkehrgesetzes auch in Zukunft allenfalls durch die Heirat eines israelischen Staatsbürgers bzw. dauerhaft Aufenthaltsberechtigten möglich ist. Sie empfahl eine Reihe von Beschränkungen dieser Nachzugsrechte, insbesondere die Verhinderung des Ehegattennachzugs aus Ländern und Regionen, die mit Israel in Konflikt stehen. Damit bestätigte sie die Regierung in ihrer restriktiven Staatsbürgerschafts- und Aufenthaltspolitik (siehe oben). Vorschläge, die auf eine Liberalisierung der Migrationspolitik im humanitären Bereich zielten, machte die Kommission lediglich bezüglich der Gastarbeiterfamilien.
Tatsächlich hat die israelische Regierung bereits parallel zur Kommissionsarbeit einmalig einen relativ unkomplizierten Zugang zur Staatsbürgerschaft für Kinder von Gastarbeitern geschaffen: Unabhängig davon, ob ihre Eltern sich regulär oder illegal in Israel aufhielten, konnten Kinder von Gastarbeitern, die das zehnte Lebensjahr vollendet hatten, bis zu einem Stichtag ein Daueraufenthaltsrecht mit der Option auf Einbürgerung beantragen. Dazu mussten sie bereits in Israel geboren und in das israelische Bildungssystem integriert sein sowie Hebräisch sprechen. Auch ihre Eltern und Geschwister konnten im Zuge dessen regularisiert werden. Insgesamt profitierten bis Ende 2005 mehr als 2.000 Personen von der Regelung.
Die Regularisierung für Gastarbeiterkinder blieb vorerst eine Episode im ansonsten restriktiven Migrations- und Staatsangehörigkeitsregime Israels. Auch die Rubinstein-Kommission legte aufgrund der veränderten Regierung nach der Wahl 2006 nie einen Abschlussbericht vor. Der große Wurf steht in der israelischen Migrationspolitik also weiterhin aus. Die Chance einer Abkehr vom dominanten ethno-nationalen Verständnis der Zugehörigkeit scheint indes sehr gering – zum einen aufgrund des ungelösten arabisch-israelischen Konfliktes, zum anderen, weil sich eine Mehrheit im Land auch in absehbarer Zukunft für die ethnisch-religiöse Prägung Israels durch das Judentum aussprechen wird.