Die Migrationsmuster in Ostasien sind gekennzeichnet durch 1) intraregionale Migrationsbewegungen, 2) Rückwanderungen ehemals ausgewanderter Menschen und ihrer Nachkommen bzw. ko-ethnische Einwanderung und 3) Heiratsmigration.
In Südkorea hat sich die ausländische Bevölkerung in drei Jahrzehnten mehr als vervierzigfacht, von weniger als 50.000 im Jahr 1990 auf über zwei Millionen, wobei die größte Zahl aus China, Vietnam und den Philippinen stammt (siehe Abbildung 2). Der Umfang der ausländischen Bevölkerung in Taiwan ist zwar geringer, verzeichnete aber ebenfalls einen mehr als dreifachen Anstieg – von etwas mehr als 250.000 ausländischen Staatsangehörigen im Jahr 1995 auf fast 800.000, vor allem aus Indonesien, Vietnam, den Philippinen und Thailand (siehe Abbildung 3).
Trotz des Anstiegs der Zahl der Eingewanderten in jedem der drei Länder machen ausländische Einwohner/-innen nur etwa zwei bis vier Prozent der jeweiligen Gesamtbevölkerung aus, was deutlich unter dem Durchschnitt von acht bis zehn Prozent in Europa liegt. Obwohl sie mit Arbeitskräftemangel und demografischen Defiziten konfrontiert sind, zeichnen sich Japan, Südkorea und Taiwan unter den liberalen Demokratien weltweit durch eine restriktive Arbeitsmigrationspolitik und ein niedriges Maß internationaler Migration aus.
Verflochtene Migrationsgeschichten
Japan, Korea und Taiwan haben eine gemeinsame Migrationsgeschichte, die auf Handel, Imperialismus und Krieg innerhalb der Region zurückzuführen ist.
Abbildung 2: Ausländische Bevölkerung Südkoreas nach Nationalität 2000-2020 (Interner Link: Grafik zum Download) (© bpb)
Abbildung 2: Ausländische Bevölkerung Südkoreas nach Nationalität 2000-2020 (Interner Link: Grafik zum Download) (© bpb)
Während des Prozesses der Entkolonialisierung und des demokratischen Wiederaufbaus unter amerikanischer Besatzung (1945-1952) konzentrierte sich die japanische Migrationspolitik der Nachkriegszeit auf zwei Ziele: 1) die Rückführung von während der Kolonialzeit eingewanderten Migrant/-innen aus der Metropole Japan in die ehemaligen Kolonien und 2) die Schließung der Grenzen des geschrumpften post-imperialen Staates sowohl für neue Einwanderung als auch die Rückwanderung ehemaliger Repatriierter.
Abbildung 3: Ausländische Bevölkerung Taiwans nach Nationalität 1995-2020 (Interner Link: Grafik zum Download) (© bpb)
Abbildung 3: Ausländische Bevölkerung Taiwans nach Nationalität 1995-2020 (Interner Link: Grafik zum Download) (© bpb)
Während die postimperialen europäischen Staaten im Zuge der Entkolonialisierung ihre Grenzen für Menschen aus den ehemaligen Kolonien öffneten und deren Rechte auf Staatsbürgerschaft bekräftigten, wählte Japan den entgegengesetzten Weg: das postimperiale Japan stufte ehemalige Kolonial-Untertanen als Ausländer/-innen ein, dehnte das Prinzip des patrilinearen jus sanguinis (Staatsbürgerschaft durch Abstammung über die väterliche Linie) auf die Politiken zur Vergabe der Staatsbürgerschaft aus und verschärfte die Grenzkontrollen durch die Verabschiedung des Einwanderungskontrollgesetzes von 1951, das nach dem Vorbild des U.S.-amerikanischen Einwanderungsgesetzes von 1924 (Johnson-Reed Act) gestaltet war, welches spezifische Einwanderungsquoten für die einzelnen Herkunftsländer festlegte.
Die postkoloniale Migrationspolitik Südkoreas war bis in die 1990er Jahre hinein in erster Linie auf die Auswanderung ausgerichtet. Die Rückführung von mehr als 1,5 Millionen Koreaner/-innen auf die koreanische Halbinsel nach Japans Niederlage im Pazifikkrieg und die Tausenden Flüchtlinge nach der
Unter den drei ostasiatischen Ländern sticht
Von geschlossenen Grenzen zu mehrstufigen Migrationsregimen
Die Geschichte der kapitalistischen Entwicklung in den drei Ländern fußt im Wesentlichen auf der imperialistischen Expansion Japans. Allesamt erlebten sie von den 1960er bis zu den 1990er Jahren ein schnelles Wirtschaftswachstum. Trotz des Arbeitskräftemangels hielten Japan, Südkorea und Taiwan ihre Grenzen geschlossen und nutzten stattdessen inländische Quellen bzw. Arbeitskräftereserven wie Frauen und ländliche Arbeitskräfte. In den späten 1980er Jahren, als massive Landflucht und eine wachsende Zahl von Frauen, die ins Erwerbsleben eintraten, diese Arbeitskräftereserven erschöpften, rekrutierten Unternehmen in der Fertigungs-, Produktions- und Dienstleistungsbranche mit stillschweigender Zustimmung der Regierungsbeamt/-innen routinemäßig unregulierte ausländische Arbeitskräfte – Gastarbeiter/-innen, die mit Touristenvisa einreisten und ihre Aufenthaltsgenehmigung überzogen.
Angesichts sinkender Geburtenraten, einer rasch alternden Bevölkerung, eines zunehmenden Arbeitskräftemangels und einer wachsenden Zahl internationaler Migrant/-innen ohne Einreise- und Aufenthaltserlaubnis, konnten es sich die drei ostasiatischen Länder nicht länger leisten ihre Grenzen für Arbeitsmigration geschlossen zu halten. Taiwan war das erste Land, das mit der Verabschiedung des Arbeitsvermittlungsgesetzes von 1991 ein formelles Gastarbeiterprogramm einführte.
Japan und Südkorea hielten unterdessen weiter an ihrer offiziellen Politik der Abschottung gegenüber ungelernten ausländischen Arbeitskräften fest, deckten aber den Bedarf an Arbeitskräften durch Qualifizierungsprogramme und Maßnahmen zur Einbindung der Diaspora. Japan richtete 1981 erstmals ein „Programm für gewerbliche Praktikanten“ ein, das Migrant/-innen aus anderen asiatischen Ländern – vor allem aus China, Südkorea und Vietnam – für ein Jahr in japanischen Unternehmen unterbrachte, um technische Fertigkeiten zu erwerben (wobei die Visa für maximal drei Jahre verlängert werden konnten, sofern ein gültiger Arbeitsvertrag vorlag). Angesichts der Konzentration auf das verarbeitende Gewerbe und das Baugewerbe bot dieses Programm den Arbeitgebern einen legalen Weg, billige Zeitarbeitskräfte für so genannte 3D-Arbeiten (dirty/schmutzig, difficult/schwierig und dangerous/gefährlich) anzuwerben, bei denen es vergleichsweise häufig zu Arbeitsunfällen kommt. Südkorea folgte diesem Beispiel im Jahr 1991. Da die „Praktikanten“ nicht als „Arbeitnehmer“ eingestuft wurden, die durch das Arbeitsrecht geschützt sind, waren sie anfällig für Missbrauch durch die Arbeitgeber, wie z. B. Vertragsverletzungen und ungezahlte Löhne.
1990 wurde mit der Überarbeitung des japanischen Einwanderungskontroll- und Flüchtlingsanerkennungsgesetzes eine neue Visumkategorie speziell für ko-ethnische Einwanderer/-innen eingeführt, die uneingeschränkte Einreise- und Beschäftigungsrechte erlaubte und Wege zur dauerhaften Niederlassung eröffnete. Der erklärte Zweck des Langzeitaufenthaltsvisums (teiju) für ethnische japanische (oder Nikkei) Einwanderer/-innen war eigentlicht als Teil des kulturellen Engagements für die japanische Diaspora gedacht – doch bei der überwiegenden Mehrheit derjenigen, die mit diesem Visum nach Japan einreisten, handelte es sich um Brasilianer/-innen und Peruaner/-innen japanischer Abstammung, die zur Arbeit im Baugewerbe und in der verarbeitenden Industrie angeworben wurden.
Die Systeme für gewerbliche Praktikant/-innen in Japan und Südkorea waren von ausbeuterischen Praktiken, Menschenrechtsverletzungen und einer wachsenden Zahl undokumentierter ausländischer Arbeitskräfte geprägt. In Südkorea etablierten sich als Fürsprecher/-innen von Migrierten zivilgesellschaftliche Akteure, die in den späten 1980er Jahren eine zentrale Rolle in der Demokratisierungsbewegung des Landes gespielt hatten – darunter Gewerkschaftsaktivist/-innen, religiöse Führungspersönlichkeiten, Menschenrechtsanwält/-innen, Frauenorganisationen und andere Bürgerinitiativen.
Im Gegensatz dazu hat
Ein weiterer Migrationskanal, dem Südkorea und Taiwan Priorität eingeräumt haben, ist die sogenannte Heiratsmigration. Ausländische Ehepartner/-innen von einheimischen Staatsangehörigen bilden seit den späten 1990er Jahren eine der am schnellsten wachsenden Einwanderergruppen in Japan, Südkorea und Taiwan.
Anstatt nur einen einzigen Weg in Richtung stärker offener oder eher auf Abschottung bedachter Einwanderungspolitiken zu verfolgen, haben Japan, Südkorea und Taiwan unterschiedliche Migrationsmöglichkeiten für verschiedene Gruppen von Migrant/-innen geschaffen, dabei aber gleichzeitig ihre relativ geschlossene Grenzen beibehalten. Da alle drei Länder mit der dreifachen Herausforderung einer schnell alternden Bevölkerung, niedrigen Geburtenraten und einer schrumpfenden Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter konfrontiert sind, ist mit einer Ausweitung ihrer mehrstufigen Migrationsregime zu rechnen, die einigen Kategorien von Migrant/-innen großzügige institutionalisierte Rechte einräumen und andere von einer dauerhaften Niederlassung ausschließen.
Übersetzung aus dem Englischen: Vera Hanewinkel