Verglichen mit anderen Teilen der Welt beherbergt Südostasien eine relativ geringe Zahl von Menschen, die aufgrund von bewaffneten Konflikten und Verfolgung über Grenzen hinweg vertrieben wurden – also Flüchtlinge. Nach Angaben des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (
Südostasien stellt aus mindestens zwei Gründen eine besonders interessante und in der Tat eigentümliche Komponente des internationalen Flüchtlingsregimes dar. Einerseits hat Südostasien eine lange Geschichte mit großen Fluchtbewegungen, vor allem während der sogenannten Indochina-Flüchtlingskrise (1975-1997), als aus den ehemaligen französischen Kolonien von Indochina (Vietnam, Kambodscha, Laos) mehrere Millionen Menschen die Flucht in andere Länder unternahmen. Andererseits ist Südostasien neben Südasien und dem Nahen Osten eine der wenigen Weltregionen, in denen die meisten Länder die wichtigsten internationalen Instrumente zum Schutz von Flüchtlingen nicht anwenden. Nur zwei der zehn Mitgliedstaaten des
In Ermangelung spezifischer rechtlicher Rahmenbedingungen für den Umgang mit Fluchtbewegungen unterscheiden die meisten südostasiatischen Staaten nicht zwischen Wirtschaftsmigrant/-innen und Menschen, die internationalen Schutz benötigen. Da sich die meisten Schutzsuchenden irregulär über die Grenzen der Region bewegen, werden sie gemäß der nationalen Einwanderungsgesetze als „illegale“ oder „irreguläre“ Migrantinnen und Migranten betrachtet und laufen somit Gefahr, festgenommen, inhaftiert und abgeschoben zu werden. Diese Situation hat zu berechtigten Bedenken hinsichtlich des Umgangs mit Flüchtlingen in Südostasien geführt.
Die Geschichte der Flüchtlingsaufnahme in Südostasien
Beschränkt man sich auf die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, lässt sich an vielen Beispielen zeigen, dass südostasiatische Staaten schutzsuchenden Personengruppen Asyl gewährt haben. Thailand nahm in den Jahren 1945/46 etwa 70.000 Vietnamesinnen und Vietnamesen auf, die vor dem Konflikt im Zuge der Unabhängigkeitsbestrebungen ihres Landes flohen. Und in den frühen 1950er Jahren gewährte es Tausenden Mitgliedern der ehemaligen Nationalistischen Partei Chinas (Kuomintang) und ihren Familien Schutz.
Die bei weitem bedeutendste Fluchtkrise in der Region war jedoch die Indochina-Flüchtlingskrise, die sich zwischen Mitte der 1970er und Mitte der 1990er Jahre über zwanzig Jahre lang über die gesamte Region und darüber hinaus erstreckte. Damals flohen mehr als drei Millionen Menschen vor den kommunistischen Regimen in Kambodscha, Laos und Vietnam und suchten Schutz in Thailand, Malaysia, Indonesien und in geringerem Maße auf den Philippinen. Diese Länder boten diesen Flüchtlingen vorübergehend Schutz, während sie darauf warteten, dass die westlichen Länder sie im Wege des
Seit dem Ende der Indochina-Flüchtlingskrise ist Myanmar zur Hauptquelle der Fluchtbewegungen in Südostasien geworden. In den letzten 30 Jahren flohen viele Angehörige ethnischer Gruppen aus Myanmar nach Thailand. Ende 2022 gab es in Thailand noch neun „Notunterkünfte“, in denen rund 90.617 dieser Flüchtlinge untergebracht waren.
Die Rohingya, eine ethnische muslimische Minderheit aus dem Bundesstaat Rakhine im westlichen Teil Myanmars, sind die bei weitem vulnerabelste Gruppe von Flüchtlingen aus Myanmar. Auf der Flucht vor systematischer Verfolgung und Diskriminierung durch die burmesischen Behörden haben viele von ihnen in klapprigen Booten den Golf von Bengalen und die Andamanensee überquert, um in anderen Ländern Schutz zu finden. Ihr Weg führte sie insbesondere über Thailand nach Malaysia, wo es bereits eine große Gemeinschaft von Rohingya gibt, sowie über Indonesien nach Australien. Im Jahr
Südostasien und das internationale Flüchtlingsschutzregime
Die vielleicht drängendste Frage im Zusammenhang mit Flüchtlingen in Südostasien ist: Warum sind die meisten südostasiatischen Staaten der Genfer Flüchtlingskonvention nicht beigetreten? Es wird u.a. argumentiert, dass ein Beitritt zur Flüchtlingskonvention zu einem erheblichen Anstieg der Flüchtlingszahlen in diesen Ländern führen würde (das „Pull-Faktor“-Argument), dass die Ankunft von Flüchtlingen, insbesondere im Rahmen eines Massenzustroms, eine Sicherheitsbedrohung für die Asylländer darstellen könnte (das Sicherheitsargument) und dass die Anwesenheit von Flüchtlingen in einem Land Druck auf die ohnehin begrenzten Ressourcen der Entwicklungsländer ausübt (das wirtschaftliche Argument). Diese Bedenken sind jedoch nicht spezifisch für südostasiatische Staaten, und viele andere Entwicklungsländer sind der Konvention beigetreten.
Mehrere Kommentatorinnen und Kommentatoren haben versucht, die anhaltende Zurückhaltung der südostasiatischen Staaten beim Beitritt zum formellen internationalen Flüchtlingsschutzregime mit einer angeblichen Unvereinbarkeit zwischen den westlichen Werten, die auf den individuellen
Vor diesem Hintergrund sind viele Beobachterinnen und Beobachter der Meinung, dass sich Flüchtlinge in Südostasien in einem „rechtlichen Schwebezustand“ befinden. Die Realität ist jedoch viel komplexer. Aus völkerrechtlicher Sicht bieten die internationalen Menschenrechtsnormen einen umfassenden Rechtsrahmen für den Schutz aller Personen, die sich im Hoheitsgebiet eines Staates aufhalten und/oder seiner Gerichtsbarkeit unterstehen. Die meisten Bestimmungen der Genfer Flüchtlingskonvention, wie z. B. das Verbot der Rückführung von Flüchtlingen in ein Gebiet, in dem ihnen Verfolgung droht (das
Regionaler Rahmen für den Schutz von Flüchtlingen in Südostasien
Die ASEAN ist nach der Europäischen Union wahrscheinlich die am weitesten fortgeschrittene regionale Integrationsgemeinschaft der Welt, aber ihre Bilanz in Bezug auf die Festlegung von Standards im Bereich der Menschenrechte ist eher schwach. Mit Blick auf die Mobilität war die ASEAN eher an der Entwicklung eines Rahmens für die Freizügigkeit von regulären Wanderarbeitskräften innerhalb der Region interessiert – und weniger an der Verabschiedung von Normen und Strategien für den Umgang mit Flüchtlingen. Obwohl Bewegungen von (internationalen) Flüchtlingen häufig auch ein transnationales Phänomen sind, haben die südostasiatischen Staaten Sorge, dass die Gewährung von Asyl für Staatsangehörige anderer ASEAN-Länder als implizite Kritik an deren Innenpolitik aufgefasst werden könnte, was dem so genannten „Prinzip der Nichteinmischung“ in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten zuwiderlaufen würde. Die Achtung dieses Grundsatzes der Nichteinmischung ist ein zentraler Aspekt des sogenannten ASEAN-Weges, was schon im ASEAN-Gründungsvertrag von 1976 (dem Vertrag von Bali) zum Ausdruck kommt.
In Ermangelung eines regionalen, durch die ASEAN vorgegebenen flüchtlingspolitischen Rahmens, sind die Bangkok-Prinzipien über den Status und die Behandlung von Flüchtlingen die einzigen existierenden, nicht bindenden normativen Vorgaben für den Schutz von Flüchtlingen in Südostasien. Die Externer Link: 1966 verabschiedeten und 2001 von der Asian-African Legal Consultative Organization (AALCO) überarbeiteten Bangkok-Prinzipien bauen auf der Genfer Flüchtlingskonvention auf und spiegeln gleichzeitig einige spezifische Praktiken der südostasiatischen Staaten im Bereich des Flüchtlingsschutzes wider, wie etwa die Gewährung von vorübergehendem Asyl (im Gegensatz zur Gewährung von dauerhaftem Asyl). Dass Thailand, Malaysia, Indonesien, Singapur und Brunei Darussalam, die alle Mitglieder der AALCO sind, wesentlich zur Entwicklung der Bangkok-Prinzipien beigetragen haben, zeigt ihre Anerkennung der Bedeutung eines normativen Rahmens für den Schutz von Flüchtlingen, obwohl sie nicht der Genfer Flüchtlingskonvention beigetreten sind.
Flüchtlingsschutz in der Praxis
In der Praxis gab es zahlreiche Fälle, in denen südostasiatische Staaten restriktive politische Maßnahmen ergriffen haben, um Menschen daran zu hindern, in ihrem Hoheitsgebiet Asyl zu suchen, z. B. durch die Verweigerung der Einreise an der Grenze oder das Abfangen und Zurückdrängen von Flüchtlingsbooten auf hoher See. Ein besonders umstrittener Vorfall, der als Krise im Golf von Bengalen und in der Andamanensee bekannt wurde, ereignete sich im April und Mai 2015. Damals verweigerten Thailand, Malaysia und Indonesien etwa 5.000 Menschen – Flüchtlingen aus Myanmar und Wirtschaftsmigrantinnen und -migranten aus Bangladesch – die Ausschiffung auf ihrem Territorium, was zum Tod von Hunderten von Menschen führte.
Dennoch wird die insgesamt positive Bilanz der südostasiatischen Staaten im Umgang mit Geflüchteten zunehmend anerkannt. Seit dem Ende der Indochina-Flüchtlingskrise Mitte der 1990er Jahre haben die wichtigsten Asylländer Südostasiens Hunderttausenden Geflüchteten Schutz geboten, einschließlich des Schutzes vor Zurückweisung (Refoulement) und bis zu einem gewissen Grad auch vor Inhaftierung wegen illegaler Einreise in das Hoheitsgebiet eines Staates. Es gibt auch ermutigende Beispiele dafür, dass die nationalen Behörden Geflüchteten Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen ermöglicht oder erleichtert haben. So beinhalten die innerstaatlichen Rechtsvorschriften in Indonesien und Thailand ein Recht auf Bildung für alle Personen in ihrem Hoheitsgebiet, Geflüchtete eingeschlossen. In Malaysia genießen Personen, die beim UNHCR als Flüchtlinge registriert sind, bestimmte Privilegien beim Zugang zur Gesundheitsversorgung, darunter auch eine Ermäßigung gegenüber den Preisen, die ausländische Staatsangehörige für diese Dienstleistungen zahlen müssen. Obwohl Geflüchtete (als irreguläre Migrantinnen und Migranten) in Ländern, die der Genfer Flüchtlingskonvention nicht beigetreten sind, offiziell nicht das Recht haben, zu arbeiten, gibt es eine gewisse Toleranz gegenüber ihrer Beschäftigung in der informellen Wirtschaft. Mit anderen Worten: Die nationalen Behörden in Malaysia, Thailand und Indonesien neigen dazu, Geflüchtete anders zu behandeln als andere irreguläre Migrantinnen und Migranten.
Im Allgemeinen werden in Südostasien jedoch viele grundlegende Dienstleistungen für Geflüchtete nicht vom Staat, sondern von internationalen und lokalen Organisationen erbracht. Dies liegt daran, dass die südostasiatischen Länder der Ansicht sind, dass die mit der Anwesenheit von Geflüchteten auf ihrem Staatsgebiet verbundenen Kosten von der internationalen Gemeinschaft getragen werden sollten. Leider führt dies jedoch dazu, dass die Akteure der humanitären Hilfe in einem unbeständigen Umfeld agieren und das Schutzniveau für Geflüchtete in der Region im Wesentlichen von der Großzügigkeit der Geber abhängt.
Schluss
Um zu verstehen, wie Geflüchtete in den wichtigsten Asylländern Südostasiens geschützt werden, ist es vielleicht mehr als in jedem anderen Kontext erforderlich, über das Fehlen formaler rechtlicher Verpflichtungen, die sich aus dem internationalen Flüchtlingsrecht ergeben, hinauszublicken und die Praxis der Staaten zu berücksichtigen. Es gab Zeiten, in denen die südostasiatischen Staaten eine restriktivere Politik verfolgten, und andere, in denen sie liberaler waren. Allgemein mehren sich jedoch die Anzeichen dafür, dass die Bilanz der südostasiatischen Staaten in Bezug auf den Flüchtlingsschutz nicht schlechter ist als die vieler anderer Länder, die der Genfer Flüchtlingskonvention beigetreten sind. Dazu gehört auch Australien,
Übersetzung aus dem Englischen: Vera Hanewinkel