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Klimabedingte Migration in Bangladesch

Mohammad Rashed Alam Bhuiyan Tasneem Siddiqui

/ 10 Minuten zu lesen

Bangladesch zählt zu den Ländern, die am stärksten von den Folgen des Klimawandels betroffen sind. Viele Haushalte nutzen Migration als Anpassungsstrategie. Dies könnte die Migrationsmuster innerhalb des Landes auf Dauer verändern.

Massive Erosion der Flussufer in Ramgati und Komolnagar im Distrikt Lakshmipur. Versuch, die Erosion zu kontrollieren. (© Bhuiyan MRA )

Bangladesch ist ein Deltaland auf einer Fläche von knapp 148.000 Quadratkilometern, was etwa 40 Prozent der Fläche Deutschlands entspricht. Dabei bestehen 80 Prozent der Landfläche aus Überschwemmungsgebieten großer Flüsse wie dem Ganges, Brahmaputra und Meghna. Im Jahr 2021 betrug die Einwohnerzahl rund 166,7 Millionen Menschen. Migration innerhalb des Landes und ins Ausland ist eine weit verbreitete Strategie zur Sicherung des Lebensunterhalts. Aufgrund des globalen Interner Link: Klimawandels und der Klimaschwankungen ist das Land sowohl mit schnell einsetzenden als auch mit sich langsam vollziehenden klimatischen Veränderungen und Prozessen konfrontiert, was die Mobilität der Bevölkerung innerhalb des Landes und über seine Grenzen hinweg beeinflusst. Die Interner Link: Zusammenhänge zwischen Klimawandel und Migration sind jedoch komplex: Andere (soziale, wirtschaftliche, politische usw.) Faktoren interagieren mit dem Klimawandel und beeinflussen die Notwendigkeit und Entscheidung zur Migration, sie bewegt sich also auf einem Kontinuum von erzwungener und freiwilliger Migration. Es reicht von einer eher auf Freiwilligkeit basierenden Bewegung bis hin zu einer Bewegung als notwendige Maßnahme zur Bewältigung der Folgen des Klimawandels. So werden bei plötzlich auftretenden Extremwetterereignissen viele Menschen Opfer von Zwangsvertreibungen, wie im Fall des Superzyklons "Amphan" im Mai 2020. In diesem Beitrag wird erörtert, wie der Klimawandel die Migrationsmuster in Bangladesch beeinflusst und ob Migration eine wirksame und erfolgreiche Anpassungsstrategie ist.

Klimatische Phänomene in Bangladesch

Die Bewohner/-innen des südlichen Küstengürtels und der großen Flussmündungen in Bangladesch sind in hohem Maße tropischen Wirbelstürmen, Überschwemmungen und Ufererosion ausgesetzt, während die Menschen im Nordwesten mit Dürren, geringen Niederschlägen und Hitzewellen zu kämpfen haben. In den Jahren 1988, 1998 und 2004 erlebte Bangladesch katastrophale Überschwemmungen, bei denen mehr als 60 Prozent des Landes über mehrere Monate hinweg überflutet waren. Darüber hinaus wird das Land regelmäßig von Superzyklonen heimgesucht, wie "Cidr" im Jahr 2007, "Ayla" 2009, "Mora" 2017, "Amphan" 2020 und "Sitrang" 2022. Der stärkste Sturm, "Amphan", traf das Land zu einem Zeitpunkt, als es bereits mit der Interner Link: COVID-19-Pandemie zu kämpfen hatte und richtete an der Südwestküste Bangladeschs große Schäden an.

Diese Ereignisse beeinträchtigen die traditionellen Lebensgrundlagen und das Leben der Menschen in Bangladesch im Allgemeinen. Sowohl schnell als auch langsam eintretende Ereignisse des Klimawandels gefährden vor allem die landwirtschaftlichen Lebensgrundlagen und die bäuerlichen Gemeinschaften. Diese sind häufig Opfer von Ernteausfällen sowie Ernte- und Vermögensverlusten, die sie in die Verschuldung treiben – ein Zustand, der mit einem Mangel an Beschäftigung und chronischer Armut einhergeht. Daher nutzen viele Landbewohner/-innen Bangladeschs Migration als Strategie, um ihren Lebensunterhalt zu diversifizieren.

Formen der Migration und Hauptfaktoren

Die Migration erfolgt sowohl innerhalb des Landes als auch über seine Grenzen hinaus. Die internationale Migration aus Bangladesch richtet sich hauptsächlich auf den Nahen Osten und südostasiatische Länder, wobei die Auswanderung auf der Basis von Kurzzeit-Arbeitsverträgen erfolgt. Eine beträchtliche Anzahl von Bangladescher/-innen ist aber auch in die USA, nach Australien und Europa ausgewandert, wo es heute große bangladeschische Diasporagemeinden gibt, beispielsweise in Interner Link: Italien und im Vereinigten Königreich. Die Interner Link: Binnenmigration umfasst temporäre, saisonale, zirkuläre und dauerhafte Formen der Migration innerhalb Bangladeschs, wie z.B. Wanderungen aus einem ländlichen Gebiet in ein anderes, vom Land in die Stadt, zwischen Städten sowie aus der Stadt aufs Land.

Ein weiterer wichtiger Trend bei der Binnenmigration ist der wachsende Anteil weiblicher Migranten. Dies ist hauptsächlich auf die schwindenden wirtschaftlichen Möglichkeiten in den ländlichen Gebieten des Landes und die wachsenden Arbeitsmärkte in den Großstädten Bangladeschs zurückzuführen. Der Konfektionskleidungssektor (Readymade Garment) – hauptsächlich in der Hauptstadt Dhaka und der Metropole Chittagong angesiedelt – ist der wichtigste Anziehungsfaktor (Pull-Faktor) für die umfangreiche Migration von Frauen in die Städte.

Ein Teil der Binnenmigrant/-innen pendelt aufgrund des saisonalen Arbeitskräftebedarfs immer wieder zwischen Herkunfts- und Zielgebieten hin und her. Während der Aussaat- und Erntesaison strömen viele Binnenmigrant/-innen in ländliche Gebiete, außerhalb dieser Jahreszeiten suchen sie eher die Städte auf. Die Menschen im dürreanfälligen Nordwesten Bangladeschs sind seit langem an der zyklischen und saisonalen Migration vom Land in die Stadt beteiligt – insbesondere in der "Magerzeit" (in Bangladesch auch "Monga" genannt), wenn die Menschen mit Armut und Hunger konfrontiert sind, weil es für Landarbeiter/-innen weniger Beschäftigungsmöglichkeiten gibt (in den Monaten März und April sowie September bis November).

Die Vertreibung im Zuge von Katastrophen, ein weiterer wichtiger Grund für räumliche Mobilität innerhalb des Landes, umfasst oft kurze Entfernungen und kurzfristige Bewegungen, kann aber auch langwierig sein. Nach Schätzungen des Internal Displacement Monitoring Centre (IDMC) fliehen aufgrund von Überschwemmungen während der Monsunzeit jährlich durchschnittlich eine Million Menschen in Bangladesch, während Zyklone jährlich durchschnittlich 110.000 Menschen vertreiben. Von 2008 bis 2021 registrierte das IDMC 15,5 Millionen Binnenvertreibungen aufgrund von Katastrophen.

Da Migrationsentscheidungen letztlich immer auf einem Zusammenspiel verschiedener wirtschaftlicher, sozialer, politischer, demografischer und ökologischer Faktoren beruhen, ist es schwierig, umweltbedingte Migration als solche zu erkennen. Es gibt Belege dafür, dass manche Menschen oder Familien angesichts ähnlicher Umweltgefahren abwandern, während andere dies nicht tun. Faktoren auf der Mikro- und Mesoebene wie Haushaltsmerkmale, individuelles menschliches Handeln oder der Wunsch zu migrieren sowie das Fehlen oder Vorhandensein sozialer Netzwerke spielen bei Migrationsentscheidungen ebenfalls eine Rolle. Kurz gesagt: Die Beziehung zwischen Klimawandel und Migration ist komplex und multikausal. Der Klimawandel wirkt als Interner Link: Risikomultiplikator, da er mit bestehenden strukturellen Ursachen der Verwundbarkeit (Vulnerabilität) interagiert.

Auswirkungen des Klimawandels auf die Migrationsmuster in Bangladesch

In Anbetracht der klimatischen Gegebenheiten in Bangladesch und der Tendenz, dass sich klimabedingte Gefahren in den kommenden Jahren und Jahrzehnten verschärfen werden, deuten Studien auf einen zunehmenden Umfang bestimmter Arten von Bevölkerungsbewegungen hin. Dies scheint vor allem für die Binnenvertreibung und die Land-Stadt-Wanderung zu gelten, die aufgrund des Klimawandels bereits zugenommen haben. Hingegen spielen Umweltereignisse bei der internationalen Migration aus Bangladesch nur eine untergeordnete Rolle.

Die Volkszählung in Bangladesch im Jahr 2011 ergab einen deutlich negativen Trend beim Bevölkerungswachstum in ökologisch anfälligen Gebieten, insbesondere in Küstenregionen im Vergleich zu anderen Gebieten. Eine Analyse der Volkszählungsdaten von 2001 und 2011 zeigte, dass im Zeitraum zwischen den beiden Volkszählungen netto 2,6 Millionen Menschen aus den 19 Küstenbezirken Bangladeschs in andere Gebiete des Landes abgewandert waren, was 7,2 Prozent der Gesamtbevölkerung dieser Bezirke entsprach. Viele Binnenmigrant/-innen aus dem Küstengürtel und den vom Monga-Phänomen besonders betroffenen Gebieten im Norden des Landes landen in den Slums von Bangladeschs Hauptstadt Dhaka.

Studien weisen darauf hin, dass Migration aufgrund von Naturkatastrophen wahrscheinlich zukünftig zunehmen wird. So schätzte eine Studie aus dem Jahr 2013, dass zwischen 2011 und 2050 bis zu 9,6 Millionen Menschen in Bangladesch aufgrund von Überschwemmungen, Sturmfluten, Ufererosion und dem Anstieg des Meeresspiegels aus ihren angestammten Wohnorten abwandern könnten.

Ist Migration eine effektive und erfolgreiche Anpassungsstrategie in Bangladesch?

In öffentlichen Debatten und in der Forschung zum Thema Interner Link: Migration und Klimawandel bleibt die Frage bisher ungeklärt: Interner Link: Ist Migration eine erfolgreiche Anpassungsstrategie? Oder bedeutet sie ein Versagen der lokalen (oder In-situ-) Anpassung sowie eine Bedrohung für die Orte (meist Städte), in die die Migrant/-innen ziehen? Der vorherrschende politische Diskurs stellt Migration immer noch weitgehend negativ dar oder als letzten Ausweg, wenn alle anderen Anpassungsstrategien versagt haben. In der aufkommenden Literatur über klimawandelbedingte Migration in verschiedenen Regionen Afrikas und des asiatisch-pazifischen Raums wird jedoch die potenzielle Rolle von Migration für die Anpassung an den Klimawandel anerkannt.

Untersuchungen in von Wirbelstürmen, Dürre und Ufererosion betroffenen Regionen Bangladeschs ergaben, dass sich Haushalte, die Arbeitsmigration einiger Familienmitglieder in Städte als Strategie nutzen, um ihren Lebensunterhalt zu diversifizieren, besser an den Klimawandel angepasst haben als Familien, deren Mitglieder an Ort und Stelle blieben. Die Migration von Haushaltsmitgliedern verbesserte die finanzielle Situation der Migrant/-innen und ihrer Haushalte im Vergleich zu den Haushalten ohne migriertes Mitglied. Zudem diversifizierten Familienmitglieder, die in den von Katastrophen betroffenen ländlichen Gebieten zurückblieben, ebenfalls ihre Einkommensquellen, indem sie Arbeitsplätze außerhalb der Landwirtschaft suchten, z. B. als Fahrer von Lieferwagen oder als Bootsführer für den Personentransport. In einer anderen Studie wurde festgestellt, dass ein Teil der Haushalte, die sich nur lokal anzupassen versuchen, langfristig in einer Situation gelegentlicher oder chronischer Armut verbleiben könnte.

Eine der jüngsten großen Erhebungen zum Thema Migration und Anpassung, die in 19 Distrikten des Küstendeltas von Bangladesch durchgeführt wurde und an der 8.713 Haushalte teilnahmen, ergab, dass 35 Prozent dieser Haushalte mindestens ein Mitglied hatte, das entweder an einen anderen Ort in Bangladesch oder ins Ausland abgewandert war, um den Lebensunterhalt zu verdienen. Interner Link: Rücküberweisungen machten einen großen Teil der Ausgaben dieser Migrantenhaushalte aus und halfen ihnen, mit klimabedingten Belastungen fertig zu werden. Gleichzeitig hängt der Erfolg von Migration als Anpassungsstrategie auch von der Situation ab, in der sich die Migrant/-innen in den Städten (oder auch im Ausland) befinden. Viele von ihnen geraten in eine prekäre Situation, die durch unsichere Arbeitsplätze, minderwertige Lebensbedingungen sowie fehlende politische Mitsprache und Vertretung an den Zielorten gekennzeichnet ist. Darüber hinaus gibt es auch soziale Kosten der Migration, die mit dem Zurücklassen von Familienangehören verbunden sind.

Auswirkungen der COVID-19-Pandemie

Wie in anderen Ländern wirkten sich die Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie auch in Bangladesch stark auf die Binnenmigrant/-innen aus, die in die Hauptstadt Dhaka und andere Großstädte gekommen waren, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Die Pandemie unterbrach die translokale Existenzsicherung oder erschwerte Strategien der Risikodiversifizierung durch die verhängten Reisebeschränkungen und Lockdowns. Migrant/-innen sahen sich mit verschiedenen Problemen konfrontiert, z. B. Schwierigkeiten beim täglichen Pendeln zu ihren Arbeitsplätzen, Einkommensunsicherheit und akuter Nahrungsmittelknappheit. Binnenmigrant/-innen (und internationale Migrant/-innen) wurden aufgrund ihrer Mobilität für die Ausbreitung des Virus verantwortlich gemacht. Als die Regierung im Frühjahr 2020 einen Lockdown ankündigte, versuchten Millionen von Binnenmigrant/-innen aus Städten wie Dhaka und Chittagong zu ihren Familien zurückzukehren, was zu überfüllten Bussen, Zügen und Fähren führte. Als die Migrant/-innen gerade in ihre Heimatorte zurückgekehrt waren, sorgte eine willkürlich anmutende Ankündigung über die Wiedereröffnung von Bekleidungsfabriken für weitere Spannungen und Panik unter den Wanderarbeiter/-innen, ob und wie sie an ihre Arbeitsplätze in der Stadt zurückkehren könnten. Viele versuchten es zu Fuß.

Schluss

Bangladesch ist aufgrund seiner Lage und hohen Bevölkerungsdichte eines der Länder der Welt, die am stärksten von den langsam und schnell eintretenden Folgen des Klimawandels betroffen sind. Extreme Klimaereignisse sind in den letzten Jahren häufiger geworden, so dass viele Haushalte in katastrophengefährdeten Gebieten Schwierigkeiten haben, sich lokal anzupassen oder ihre traditionellen Formen der Existenzsicherung weiter zu pflegen. Daher verlassen sich immer mehr Haushalte auf Strategien der Einkommensdiversifizierung, wie etwa die Arbeitsmigration von mindestens einem Haushaltsmitglied in städtische Gebiete. Die von diesen Haushaltsmitgliedern zurückgeschickten Gelder dienen als Mittel zur Anpassung an die Auswirkungen von klimatischen Belastungen und Schocks. Obwohl prognostiziert wird, dass Millionen von Menschen aufgrund des Klimawandels gezwungen sein werden, ihre Heimat zu verlassen, sind das Wissen und das Verständnis für die mit dem Klimawandel verbundene Mobilität noch unzureichend. Die Regierung, ihre Entwicklungspartner und zivilgesellschaftliche Organisationen müssen ihre Bemühungen verstärken, um für klimabedingte Migration zu planen und auf sie zu reagieren, Verwundbarkeit zu verringern und Widerstandsfähigkeit (Resilienz) zu stärken.

Fussnoten

Fußnoten

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Weitere Inhalte

ist Assistenzprofessor für Politikwissenschaften an der Universität von Dhaka und promoviert derzeit am Centre for Trust Peace and Social Relations der Coventry University, Großbritannien. Seine Fachkenntnisse liegen in der Untersuchung verschiedener Formen der internen und internationalen Migration, der Anpassung an den Klimawandel, der nachhaltigen und integrativen Stadtentwicklung sowie der Rechte und des Wohlergehens von Migrant/-innen.

ist Professorin für Politikwissenschaften an der University of Dhaka und Gründungsvorsitzende der Refugee and Migratory Movements Research Unit (RMMRU). Ihre Forschungsschwerpunkte umfassen die Anpassung an den Klimawandel und Migration, Ursachen und Auswirkungen der internen und internationalen Arbeitsmigration sowie sichere und nachhaltige Städte, die Migrant/-innen inkludieren.