Seit China Anfang der 1980er Jahre mit marktwirtschaftlichen Reformen begann, kam es zu der (bis heute) weltweit wohl umfangreichsten
Umfang und Muster der Binnenmigration: Präferenz der Migrant:innen für Megastädte
2020 wurden in der
Wichtige Beschäftigungsfelder der Arbeitsmigrant:innen sind das produzierende Gewerbe, das Baugewerbe sowie das Transport- und Gaststättengewerbe – und damit gerade diejenigen Wirtschaftsbereiche, die seit Anfang 2020 besonders stark von den Einschränkungen durch die
Hintergrund: Entwicklungs- und Einkommensgefälle
Ein regionales Entwicklungsgefälle von Ost nach West und ein Einkommensgefälle zwischen Stadt und Land – 2021 betrugen die städtischen Haushaltseinkommen das 2,5fache der ländlichen Einkommen
Das hukou-System: Hemmnis für die Integration in großen Städte
Formell entstand 1958 ein System der Haushaltsregistrierung (auch hukou-System genannt), das durch eine strikte Trennung von städtischen und ländlichen Haushalten charakterisiert war und u.a. der Begrenzung der Abwanderung vom Land dienen sollte. Nach Beginn der Reform-Ära der 1980er Jahre wurde es gelockert zugunsten des Arbeitskräfteflusses in Chinas exportorientierte Industrien, die Bauindustrie und die Dienstleistungssektoren. Allerdings blieben die ländlichen Migranten in den Städten von den oben genannten öffentlichen Dienstleistungen für die lokale städtische hukou-Bevölkerung ausgeschlossen. Dies hatte darüber hinaus zur Folge, dass nach 2007, als die neunjährige Schulpflicht auf dem Lande kostenlos wurde (aber nur am hukou-Heimatort wahrgenommen werden konnte), Kinder aus Migrantenfamilien nicht an den Arbeitsorten ihrer Eltern zur Schule gehen konnten.
Mit einem auf die Reform des hukou-Systems und die Integration der Migranten ausgerichteten Urbanisierungsplan (2014-2020) sollte die schrittweise Gleichstellung der Migranten mit der lokalen Stadtbevölkerung vorangetrieben werden. Hierzu sollte der Urbanisierungsgrad der "permanenten Bevölkerung" (d.h. die städtische hukou-Bevölkerung plus Migranten in der Stadt) bis 2020 auf etwa 60 Prozent gesteigert werden; zudem sollte der Urbanisierungsgrad der Bevölkerung mit einem städtischen hukou mit 100 Millionen zu integrierenden Migranten auf 45 Prozent angehoben werden (siehe Tabelle 1). Zwar konnten beide Ziele erfüllt werden, aber der unerwartet hohe und nicht einkalkulierte Anstieg der Binnenmigration führte dazu, dass sich die Kluft zwischen dem Umfang der Bevölkerung mit einem städtischen hukou und dem der permanenten Bevölkerung in den Städten nicht verringerte, sondern sogar vergrößerte.
Tabelle 1: Urbanisierungsgrad 2010 und 2020 (städtische hukou-Bevölkerung und permanente Bevölkerung)
Jahr | Bevölkerung mit städtischem hukou | Permanente städtische Bevölkerung | Differenz | |||
---|---|---|---|---|---|---|
Mio. | % | Mio. | % | Mio. | % | |
2010 | 435 | 32,5 | 665 | 49,7 | 230 | 17,2 |
2020 | 641 | 45,4 | 902 | 63,9 | 261 | 18,5 |
Quellen: Nie, Riming und Pan Zehan (2021): Zur neuen Lage der Migrantenbevölkerung im offiziellen Bericht des "7. Zensus" (14. Mai 2021) (chin.); Cheng, Mengyao und Duan Chengrong (2021): The Changing Trends of Internal Migration and Urbanization in China: New Evidence from the Seventh National Population Census. China Population and Development Studies 5, S. 288; Chan, Kam Wing (2021): Internal Migration in China: Integrating Migration with Urbanization Policies and Hukou Reform. Global Knowledge Partnership on Migration and Development (KNOMAD), Policy Note 16 (November); eigene Berechnungen.
Diese Differenz von 261 Millionen städtischen Einwohner:innen (2020) entspricht dem Umfang der migrantischen Bevölkerung, die vom Zugang zu städtischen sozialen Infrastrukturen mehr oder weniger ausgeschlossen ist.
Ausblick: Lösungsansätze städtischer Integration
Damit eine umfassende städtische Integration der Binnenmigrant:innen langfristig gelingen kann, müsste an drei "Baustellen" angesetzt werden:
Es müssten alle Städte, einschließlich der Megastädte, für die Migrant:innen geöffnet werden: Gerade diese großen urbanen Agglomerationen können ein breites Spektrum an Arbeitsplätzen bereitstellen und die Transaktionskosten – also die Kosten für Arbeitnehmer und Arbeitgeber am Arbeitsmarkt – senken.
Es müsste die neunjährige kostenlose Schulpflicht mobil in Anspruch genommen werden können: Dies würde der Zusammenführung von Migrantenfamilien ebenso dienen wie ihrer städtischen Integration.
Es müsste durch eine Steuerreform eine lokale Steuerbasis geschaffen werden, die quasi mit der wachsenden Bevölkerung mitwächst: Hieraus könnten dann die anzubietenden öffentlichen Dienstleistungen finanziert werden.
Auf diese Weise könnten durch umfassende hukou-Reformen wesentliche Voraussetzungen geschaffen werden, um das Problem der städtischen Integration einer Vielzahl von Binnenmigranten lösen zu können.