In den 1990er Jahren entwickelte sich Griechenland zum Einwanderungsland. Durch die Wirtschaftskrise 2010 kehrte sich dieser Trend vorübergehend um. Die aktuelle Migrationspolitik ist durch eine restriktive Haltung gegenüber Asylsuchenden gekennzeichnet.
Griechenland, traditionell ein Auswanderungsland, entwickelte sich im Zeitraum 1990-2009 zu einem Zielland für Arbeitsmigrant/-innen und einem Transitland für Asylsuchende. In den 1990er Jahren führte die Auflösung der Sowjetunion (UdSSR) und der Zerfall Jugoslawiens zu massiven (Zwangs-)Migrationen innerhalb Europas. Unter den ersten größeren Gruppen Eingewanderter in Griechenland waren vor allem Menschen aus den benachbarten Balkanstaaten, insbesondere aus Interner Link: Albanien. Ab dem Jahr 2000 verzeichnete Griechenland zahlreiche irreguläre Einreisen – erneut hauptsächlich aus Albanien, aber auch aus weiter entfernten Ländern wie Bangladesch, Pakistan, Afghanistan, Indien sowie Staaten aus Subsahara-Afrika und der Maghreb-Region. Die gemischten Wanderungen (sogenannte mixed migrations) von Arbeitsmigrant/-innen und Asylsuchenden führten zu einer multiethnischen Einwanderungsbevölkerung, die bis heute in Griechenland stark präsent ist.
Die Einwanderungsbevölkerung Griechenlands
Am 1. Januar 2020 lebten nach Schätzungen der griechischen Statistikbehörde ELSTAT rund 906.000 ausländische Staatsangehörige in Griechenland, was rund 8,4 Prozent der Gesamtbevölkerung entsprach (siehe Tabelle 1). Im Vergleich zu den Ergebnissen der Volkszählung im Jahr 2011 ist die Zahl der ausländischen Staatsangehörigen leicht gesunken. Dies ist auf eine rückläufige Zahl der in Griechenland lebenden EU-Bürger/-innen zurückzuführen; die Zahl der Drittstaatsangehörigen ist hingegen gestiegen, vor allem, weil die Daten nun auch Flüchtlinge umfassen. Nach Angaben der europäischen Statistikbehörde Eurostat belief sich die im Ausland geborene Bevölkerung, zu der auch Eingewanderte zählen, die die griechische Staatsbürgerschaft erworben haben, auf 1.348.174 Personen (2020) und damit auf 12,6 Prozent der Gesamtbevölkerung Griechenlands.
Tabelle 1: Ausländische Bevölkerung in Griechenland
Ab 2010 kehrten die Wirtschaftskrise und die hohe Arbeitslosigkeit unter griechischen Staatsangehörigen, aber insbesondere auch in der ausländischen Bevölkerung den Trend des positiven Wanderungssaldos vorübergehend um (siehe Abbildung 1). Schätzungen zufolge verließen im Zeitraum 2010-2015 etwa 250.000 ausländische Staatsangehörige das Land.
Ungeachtet dieser Schwankungen mit Blick auf das Migrationsgeschehen (in Abbildung 1): Die Zahl der Staatsangehörigen aus den Hauptherkunftsländern von in Griechenland lebenden Drittstaatsangehörigen ist in den letzten fünf Jahren relativ stabil geblieben. Das deutet darauf hin, dass sich viele von ihnen inzwischen in Griechenland niedergelassen haben (siehe Tabelle 2).
Tabelle 2: Hauptstaatsangehörigkeiten von Drittstaatsangehörigen, die mit gültiger Aufenthaltsgenehmigung in Griechenland leben
Die Daten zeigen, dass unter den in Griechenland lebenden Drittstaatsangehörigen Menschen aus Albanien überwiegen. Viele albanische Staatsangehörige verfügen über verlängerbare Zehnjahresgenehmigungen. Von den insgesamt 508.452 Personen, die im Dezember 2020 gültige Aufenthaltsgenehmigungen besaßen, waren 62,3 Prozent albanische Staatsangehörige. Ebenso waren sie im Jahr 2020 die führende Nationalität im Programm für "Goldene Visa". Es gewährt Drittstaatsangehörigen und ihren Familienmitgliedern, die in Griechenland Immobilien im Wert von mindestens 250.000 Euro erwerben, eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis. Im Rahmen dieses Programms wurden im Jahr 2020 2.555 Visa an albanische Staatsangehörige ausgestellt. Chinesische Staatsangehörige standen 2019 mit 10.787 erteilten Genehmigungen an der Spitze dieses Aufenthalt-durch-Investition-Programms. 2021 stellten chinesische Staatsangehörige im Rahmen dieses Programms 6.274 neue Anträge und belegten damit erneut den Spitzenplatz.
Migrationspolitik
Die griechische Migrationspolitik zielte seit den 1990er Jahren in erster Linie darauf, Einwanderung zu steuern und zu verringern. Sie war eher reaktiv als proaktiv und konzentrierte sich auf zahlreiche Gesetzesänderungen, die oft komplex und bürokratisch waren und nur begrenzt die beabsichtigten Ergebnisse erzielten. Zwischen 1998 und 2008 wurden mehrere Regularisierungsprogramme aufgelegt. Sie vereinfachten den Erwerb von Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigungen für sich irregulär im Land aufhaltende Migrant/-innen und waren eine Reaktion auf die wachsende Zahl von Menschen, die sich ohne Genehmigung im Land aufhielten. Zwischen 2008 und 2014 lag der Schwerpunkt der Migrationspolitik auf der Kontrolle der Grenzen und einer Reform des Asylsystems. Im Jahr 2010 wurde jedoch der Versuch unternommen, Integrationsprozesse zu verbessern: so wurde die Einbürgerung von Kindern der zweiten Generation erleichtert und in Griechenland lebenden Drittstaatsangehörigen das aktive und passive Wahlrecht auf kommunaler Ebene gewährt (Gesetz 3838/2010 ). Aspekte des Gesetzes wurden allerdings 2013 für verfassungswidrig erklärt und die zuvor geltenden Regelungen wieder eingeführt.
2014 und 2015 wurden Gesetzesänderungen vorgenommen, die Lücken bei der Niederlassung und Integration von sich bereits im Land aufhaltenden Migrantengruppen schließen sollten. 2014 wurde das Gesetz über Einwanderung und soziale Integration (Gesetz 4251/2014) eingeführt. Ein wichtiges Element des Gesetzes war die Einführung einer langfristigen Aufenthaltserlaubnis für Drittstaatsangehörige. Ein weiteres neues Gesetz (Gesetz 4332/2015 ), das 2015 verabschiedet wurde, ermöglichte es Kindern der zweiten Generation, die in Griechenland geboren und/oder ausgebildet wurden, die griechische Staatsbürgerschaft zu erhalten. Zudem gab es Flüchtlingen die Möglichkeit, nach drei Jahren Aufenthalt die Einbürgerung zu beantragen. Im Jahr 2019 führte die neue liberal-konservative Regierung der Nea Dimokratia einen obligatorischen schriftlichen Einbürgerungstest vor einer mündlichen Befragung ein und machte einen siebenjährigen Aufenthalt in Griechenland zur Voraussetzung für die Einbürgerung von Flüchtlingen.
Insgesamt ist die griechische Migrationspolitik seit Anfang der 1990er Jahre restriktiv, Interner Link: vor allem hinsichtlich Asyl. Insbesondere seit der "Flüchtlingskrise" von 2015 hat die Regierung mit mehreren Gesetzesänderungen versucht, die asylsuchende Bevölkerung im Land zu regulieren, indem ein starker Fokus auf Abschreckung gelegt wurde. Am bemerkenswertesten ist das Gesetz über den internationalen Schutz (International Protection Act, IPA) (Gesetz 4636/2019), das bereits kurz nach seiner Verabschiedung am 1. November 2019 geändert wurde (durch Gesetz 4686/2020 ). Hierüber wurden der Zugang zum Asylverfahren weiter eingeschränkt und die Praxis, Asylsuchende für bis zu 18 Monate zu inhaftieren, legalisiert, während der Zugang zu materieller Versorgung massiv eingeschränkt wurde. Die griechische Regierung unter Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis legt einen Schwerpunkt auf die Sicherheit der Grenzen. So wurde der Interner Link: Grenzzaun entlang der Landgrenze zur Türkei am Interner Link: Evros verstärkt. Zudem wurden die Grenzpatrouillen sowohl nach dem Zwischenfall am Evros im Interner Link: Februar 2020 (als Tausende Migrant/-innen ermutigt wurden, zu versuchen, die griechische Landgrenze aus der Türkei zu überqueren ) als auch nach der Rückkehr der Interner Link: Taliban an die Macht in Afghanistan im August 2021 verstärkt.
Dreißig Jahre nach dem ersten umfangreichen Zuzug von Migrant/-innen und sieben Jahre nach der europäischen "Flüchtlingskrise" hat Griechenland immer noch mit seinem Wandel von einem Auswanderungs- und Transitland zu einem Zielland von Migrant/-innen und Flüchtlingen zu kämpfen.
ist Forschungsbeauftragte und Leiterin des Migrationsprogramms bei der Hellenic Foundation for European & Foreign Policy (ELIAMEP). Sie ist Politikwissenschaftlerin und interessiert sich für irreguläre Migration und Asyl. Ihre Forschung konzentriert sich auf Europa, insbesondere auf die Außengrenz- und Transitländer.
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