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Irreguläre Zuwanderung nach und Abschiebungen aus Frankreich | Frankreich | bpb.de

Frankreich Frankreich und die Einwanderung

Irreguläre Zuwanderung nach und Abschiebungen aus Frankreich

Dr. Marcus Engler

/ 3 Minuten zu lesen

Nicht alle Einwanderer in Frankreich haben eine gültige Aufenthaltsgenehmigung. In der Vergangenheit erhielten viele dieser sogenannten Sans-Papiers im Rahmen von Legalisierungsprogrammen einen Aufenthaltstitel. Automatische Legalisierungen für bestimmte Migrantengruppen wurden jedoch mit dem Einwanderungsgesetz von 2006 abgeschafft.

Ein Roma trägt sein Gepäck auf dem Rücken nachdem er von Frankreich kommend in Rumänien angekommen ist (Foto vom 26.08.2010). Der Streit um die Abschiebung tausender Roma aus Frankreich war in Brüssel ein Reizthema. (© picture-alliance, epa/Mihai Barbu)

Schätzungen zufolge befinden sich etwa 200.000 bis 400.000 Personen ohne legalen Aufenthaltsstatus – sogenannte Sans-Papiers – auf französischem Territorium. Während sich die irreguläre Migration in den Übersee-Territorien aus der Region selbst speist, beispielsweise aus Haiti, wird vermutet, dass die Mehrheit der irregulären Migranten in der Metropole aus Westafrika und den Maghreb-Staaten stammt. Vermutlich ist nur ein kleiner Teil der Sans-Papiers ohne Erlaubnis nach Frankreich eingereist. Die Mehrzahl der Personen dürfte in die aufenthaltsrechtliche Irregularität geraten sein, weil sie nach Ablauf eines Visums oder eines Aufenthaltstitels das Land nicht verlassen hat. Als Reaktion auf das Phänomen wurde bereits 1982 ein erstes Legalisierungsprogramm durchgeführt, im Zuge dessen erhielten 132.000 Personen einen legalen Aufenthaltsstatus. Öffentlich in Erscheinung traten die Sans-Papiers besonders mit ihren Protesten im Jahr 1996. Damals wurden in Paris zwei Kirchen besetzt und die Erteilung von Aufenthaltstiteln gefordert. Seitdem sind der Begriff und die Bewegung der Sans-Papiers in der französischen Öffentlichkeit fest verankert. Wenige Wochen nach Antritt der Regierung Lionel Jospin (PS) im Juni 1997 wurde dann ein zweites größeres Legalisierungsprogramm aufgelegt. Diesmal erhielten etwa 87.000 von insgesamt 150.000 Antragstellern einen Aufenthaltstitel.

Im Jahr 2006 gab es eine sehr beschränkte Legalisierung von Familien ohne Papiere, deren Kinder in Frankreich zur Schule gehen. Von den mehr als 30.000 Antragstellern erhielten letztendlich nur 6.924 eine Aufenthaltsgenehmigung. Migrantenhilfsorganisationen wie das Netzwerk Bildung ohne Grenzen (RESF) forderten in regelmäßigen Abständen weitere Legalisierungen. Mit dem Einwanderungsgesetz von 2006 wurde jedoch die automatische Legalisierung der Einwanderer, die ohne entsprechende Erlaubnis seit mindestens zehn Jahren in Frankreich leben, abgeschafft. Somit stellte das Gesetz grundsätzlich eine Abkehr von Legalisierungen als Instrument im Umgang mit der Problematik der irreguläreren Zuwanderung dar.

Legalisierungen gab es jedoch weiterhin (ca. 30.000 pro Jahr), allerdings auf Einzelfallbasis, wobei die Kriterien nicht transparent waren. Die sozialistische Regierung unter Präsident François Hollande änderte nach ihrem Wahlsieg diese Politik. Mit dem vom damaligen Innenminister Manuel Valls herausgegebenen Rundschreiben vom 28. November 2012 wurden die Regelungen für die Legalisierung klarer und landesweit einheitlicher gefasst. Legalisiert werden können seither Personen, die seit mindestens fünf Jahren in Frankreich leben, Französisch sprechen, die Werte der Republik teilen sowie weitere Bedingungen erfüllen. Insbesondere können Eltern, deren Kinder in Frankreich zur Schule gehen, junge Erwachsene, Ehepartner von legal aufhältigen Ausländern und Personen, die seit längerem einer Erwerbsarbeit nachgehen, einen Aufenthaltstitel erhalten. Nach Einführung dieser Regeln stieg die Zahl der Personen, die im Zuge einer Legalisierung einen Aufenthaltstitel erhielten, kurzzeitig an (2013: 35.278; 2014: 32.244). Seit 2015 liegt sie wieder bei jährlich rund 30.000 Personen.

Die Abschiebung von Personen ohne gültige Aufenthaltserlaubnis avancierte unter Präsident Nicolas Sarkozy (2007-2012) zu einem populären Mittel im "Kampf" gegen irreguläre Migration. Bereits in seiner Funktion als Innenminister (2002-2007) hatte Sarkozy angekündigt, die Zahl der Abschiebungen irregulärer Migranten signifikant erhöhen zu wollen. Diese Politik setzte er gezielt in die Tat um. Während zwischen 1997 und 2002 jährlich rund 9.000 Sans-Papiers abgeschoben wurden, erreichten die Ausweisungen 2012 ein Rekordniveau: Insgesamt wurden laut Regierungsangaben 36.822 Personen abgeschoben oder zurückgeführt. Unter der sozialistischen Regierung sank die Zahl der Abschiebungen und Rückführungen in den folgenden Jahren wieder leicht: 2016 lag sie bei 24.707 Personen. Die Verhinderung irregulärer Zuwanderung stellte jedoch auch für die Regierungen unter Präsident Hollande eine hohe Priorität dar.

Dieser Text ist Teil des Interner Link: Migrationsprofils Frankreich.

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Marcus Engler ist Sozialwissenschaftler und Migrationsforscher. Seit langem verfolgt er die Entwicklungen in der französischen Migrations- und Integrationspolitik. Er absolvierte einen Freiwilligendienst in einer Beratungsstelle für Migranten in Marseille. Anschließend studierte er Sozial- und Wirtschaftswissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin und am Institut d’Etudes Politiques in Paris. Derzeit ist er als selbständiger Autor, Referent und Berater tätig und ist Mitglied im Netzwerk Flüchtlingsforschung und im Netzwerk Migration in Europa.
E-Mail: E-Mail Link: engler@migration-analysis.eu