Das außergewöhnliche wirtschaftliche Wachstum der letzten Jahrzehnte hat den enormen Anstieg der Einwandererbevölkerung ausgelöst. Gleichzeitig ist die wirtschaftliche Prosperität verantwortlich für die überwiegend gelungene Integration der Zuwanderer in den Arbeitsmarkt und zumindest mitverantwortlich für das Ausbleiben größerer gesellschaftlicher Konflikte zwischen Migranten und Nichtmigranten. Wie sich die wirtschaftliche Lage Luxemburgs in Zukunft entwickelt ist dagegen fraglich, seit Teile des "Geschäftsmodells Luxemburg" international in der Kritik und auf dem Prüfstand stehen. Wie sich das Verhältnis von Zu- und Abwanderung im Fall schlechterer Jobmöglichkeiten und geringerer Löhne entwickelt – und welche Auswirkungen eine angespannte Wirtschaftslage auf das soziale Miteinander hätte – ist schwer abzusehen.
Sollten Arbeitsplätze in größerem Umfang verloren gehen, würde dies wohl zuerst die Grenzpendler betreffen. Bleibt der Standort Luxemburg dagegen weiterhin ähnlich attraktiv, wird sich die Frage stellen, ob die Förderung der Niederlassung der "Frontaliers" zum politischen Projekt wird – nicht zuletzt wegen der Probleme des Massenpendels für Verkehr und Umwelt. Gleichzeitig dürfte ein weiteres Anwachsen der Einwandererbevölkerung neue gesellschaftliche Debatten nach sich ziehen. Die Integration der Einwandererkinder in das Bildungssystem bleibt in diesem Zusammenhang eine wichtige Herausforderung.
Das Referendum im Juni 2015 hätte ein Meilenstein der Integrationspolitik werden können. Zur Abstimmung stand die Frage, ob Ausländer, die immerhin einen Anteil von über 40 Prozent der Bevölkerung Luxemburgs stellen, in Zukunft an nationalen Parlamentswahlen teilnehmen dürfen, wobei das vorgeschlagene Ausländerwahlrecht unter anderem an die Bedingung eines mindestens zehnjährigen Aufenthalts geknüpft war. Entgegen aller Umfragen, die lange einen eher knappen Ausgang vorhergesagt hatten, fiel das Ergebnis mit fast 80 Prozent Ablehnung am Ende sehr deutlich aus. Eine Entkopplung von Nationalität und Wahlrecht auf Landesebene wäre ein revolutionärer Schritt gewesen, der auch international die Debatte, ob demokratische Mitbestimmung weiterhin an die (nationale) Herkunft gebunden sein soll, anregt hätte. Zu diesem Schritt war die wahlberechtigte Bevölkerung im Juni 2015 unter anderem aufgrund einer weit verbreiteten Angst vor einem "Identitätswandel" des Landes (noch) nicht bereit.
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