Arbeitsmarkt
Die Arbeitslosenquote der ausländischen Bevölkerung ist höher als die der Luxemburger, befindet sich aber im internationalen Vergleich auf einem eher niedrigen Niveau. Der Anteil der Erwerbstätigen liegt dagegen aufgrund der jüngeren Alterstruktur für fast alle Nationalitäten deutlich über dem Wert für die Luxemburger. Auf volkswirtschaftlicher Ebene erhalten vor allem die Einwanderer und Grenzpendler die Stabilität des Sozialversicherungssystems, das großzügige Leistungen mit relativ niedrigen Beiträgen kombiniert. Das funktioniert, solange die Zahl der Beitragszahler Jahr für Jahr weiter steigt, wobei das Wachstum des Arbeitsmarktes immer mehr durch Grenzpendler gedeckt wird (siehe Abb. 3).
Bezüglich der Lohnstruktur und der Beschäftigungssektoren gibt es erhebliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Nationalitäten: Luxemburger und Einwanderer aus westeuropäischen Staaten finden sich vor allem in höher entlohnten Sektoren des Arbeitsmarktes, Grenzpendler verdienen im Schnitt deutlich weniger und Portugiesen, Kapverdier sowie Einwanderer aus den Balkanstaaten gehen mehrheitlich gering entlohnten Tätigkeiten nach. Die Erwerbsstruktur der größten Einwanderergruppe, der Portugiesen, hat sich über mehrere Jahrzehnte hinweg kaum verändert: Neuzugewanderte Männer arbeiten vor allem im Baugewerbe, Frauen als Reinigungskräfte und Haushaltshilfen. Die zweite Generation portugiesischer Herkunft, also diejenigen, die in Luxemburg geboren sind und das dortige Schulsystem durchlaufen haben, verteilt sich dagegen wesentlich breiter auf unterschiedliche Branchen und verdient im Schnitt mehr als ihre Eltern – wenn auch weiterhin unterdurchschnittlich mit Blick auf die Gesamtbevölkerung.
Ebenso wie in den unteren Arbeitsmarktsegmenten, befinden sich auch am oberen Ende der Einkommensskala (die fünf Prozent mit den höchsten Einkommen, zumeist Führungskräfte im Bankwesen und internationalen Organisationen) vorwiegend Ausländer, häufig aus den Nachbarstaaten Luxemburgs. Die Luxemburger selbst, die nur noch knapp 30 Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung ausmachen, haben eine (sichere und gut entlohnte) Nische gefunden: Fast jeder zweite luxemburgische Arbeitnehmer arbeitet inzwischen im öffentlichen Dienst. Die meisten Stellen dort sind entweder direkt an die luxemburgische Staatsbürgerschaft gebunden oder als Einstellungsvoraussetzung gilt die Dreisprachigkeit, womit alle, die nicht das luxemburgische Schulsystem erfolgreich durchlaufen haben, faktisch ausgeschlossen sind.
Bildung
Besondere Bedeutung für die Zukunft einer (Einwanderungs-)Gesellschaft kommt dem Bildungssystem zu. Chancengleichheit – ein Hauptziel in demokratischen Gesellschaften – verwirklicht das luxemburgische Schulsystem nicht.
Auf eine zweijährige obligatorische Spillschoul, an der das Luxemburgische die Umgangssprache ist, folgt die sechsjährige Grundschule mit der Unterrichtssprache Deutsch. Ab der siebten Klasse werden die Schüler auf verschiedene Schulformen aufgeteilt: das Enseignement Secondaire, das in etwa dem deutschen Gymnasium entspricht sowie das weniger prestigeträchtige Enseignement Secondaire Technique, das sowohl auf die Hochschulreife als auch auf eine berufliche Ausbildung vorbereiten kann. In der Sekundarstufe, vor allem im Enseignement Secondaire, ersetzt das Französische nach und nach das Deutsche als Unterrichtssprache, so dass idealtypisch am Ende der Schullaufbahn der "dreisprachige Luxemburger" stehen soll. Für jugendliche Migranten, die nach ihrer Ankunft im Land ins Schulsystem quereinsteigen, stellt die Dreisprachigkeit naturgemäß eine sehr hohe Hürde dar, aber auch die zweite Generation hat Schwierigkeiten.
Die Übergangsquoten auf die Schulen der Sekundarstufen unterscheiden sich in eklatanter Weise je nach sprachlich-kulturellem Hintergrund bzw. Herkunft der Eltern. So besuchen beispielsweise 50 Prozent der Schüler mit luxemburgischem oder deutschem Sprachhintergrund, 40 Prozent der frankophonen, aber nur 15 Prozent der Schüler aus portugiesischen Familien das Enseignement Secondaire – und das, obwohl die meisten von ihnen in Luxemburg geboren wurden und seit der Vorschule das Bildungssystem durchlaufen. Ähnliche Unterschiede lassen sich bei den in den PISA-Studien gemessenen Kompetenzen feststellen. Alles in allem gehört Luxemburg zu den europäischen Ländern, in denen – bei insgesamt unterdurchschnittlichen Ergebnissen – die Unterschiede zwischen Schülern mit und ohne Migrationshintergrund besonders groß ausfallen. Diese Unterschiede sind einerseits auf die in Luxemburg besonders enge Kopplung von sozio-ökonomischem Status der Eltern und Bildungserfolg zurückzuführen (wobei vor allem Portugiesen meist aus bildungsfernen Familien stammen), und hängen andererseits direkt mit der Sprache zusammen.
Der Aufbau des Schulsystems mit seiner (verpflichtenden) luxemburgischsprachigen Vorschule und der deutschsprachigen Grundschule orientiert sich an einem germanophonen Ideal, das schon lange keine Realität mehr ist: Nur 41,5 Prozent der Grundschüler sprechen Luxemburgisch als Erstsprache. Die Alphabetisierung auf Deutsch – wobei im Unterricht auch immer wieder auf Luxemburgisch zurückgegriffen wird – stellt die Kinder mit romanischer Muttersprache vor ungleich größere Herausforderungen. Ihre Kompetenzen in Französisch (in vielen portugiesischen und italienischen Familien die Zweitsprache) werden dagegen kaum genutzt, da Französisch als Fremdsprache eingeführt wird und vor allem in der Sekundarstufe zur Anwendung kommt, also nachdem bereits die Selektion und Verteilung auf die weiterführenden Schulzweige erfolgt ist. Zwar gibt es eine Reihe von pädagogischen Maßnahmen, die Schüler mit Migrationshintergrund unterstützen sollen, wie z.B. zusätzliche Lehrkräfte in der jeweiligen Muttersprache, die strukturellen Probleme des Schulsystems bestehen jedoch fort und weit reichende Reformen des Schulsystems (insbesondere des Sprachenunterrichts) bleiben eine aktuelle politische Herausforderung.
Für portugiesische Schüler der zweiten Generation lässt sich dennoch ein merklicher Anstieg beim durchschnittlich erreichten Bildungsniveau konstatieren – dies allerdings im Vergleich zur sehr geringen Schulbildung ihrer eingewanderten Eltern.
Gesellschaftliche Debatten um Ausländer, "Integration" und Sprache
Die offizielle Politik verfolgt seit einigen Jahrzehnten ein "ausländerfreundliches Staatscredo" und betont regelmäßig den Beitrag der Migranten zum Wohlstand des Landes. In Umfragen ist die Zustimmung zur Einwanderung vergleichsweise groß und offene Konflikte oder gar Gewalt gegen Ausländer sind die absolute Ausnahme. Im Parlament ist keine rechtsextreme Partei vertreten. Dies sind vor dem Hintergrund der massiven Einwanderung der vergangenen Jahrzehnte bemerkenswerte Tatsachen. Sie dürften jedoch in erheblichem Maße mit dem Wohlstand Luxemburgs zusammenhängen: Ausländer wurden nie als Konkurrenz um knappe Arbeitsplätze wahrgenommen, sondern als komplementärer Faktor auf dem stetig wachsenden Arbeitsmarkt. Ebenso wird bisweilen die relative kulturelle Nähe der vorwiegend europäischen Einwandererbevölkerung als Erklärung für das Ausbleiben größerer Konflikte ins Feld geführt.
Auf der anderen Seite ist auch in Luxemburg ein Diskurs zu beobachten, der Integration vorwiegend als Anpassung derer, die noch nicht lange im Land leben, an (vermeintliche) Gewohnheiten und Regeln der "alteingesessenen" Bevölkerung ansieht und die Entstehung sogenannter Parallelgesellschaften anprangert.
Diskurse um "Integration" und die "Luxemburger Identität" sind in der Regel eng mit der luxemburgischen Sprache verknüpft. Die Anerkennung dieses bis dahin fast ausschließlich mündlich verwendeten Dialekts als Nationalsprache im Jahr 1984 wurde von verschiedenen Gruppierungen seit den 1970er Jahren mit großem Engagement vorangetrieben. Seitdem erfährt sie einen symbolischen und praktischen Bedeutungszuwachs, der mit der sprachlich immer heterogener werdenden Gesellschaft Luxemburgs kontrastiert.
Integrationspolitik
Trotz der massiven Einwanderung kam eine aktive bzw. explizite Integrationspolitik erst spät auf die politische Agenda. Angeregt durch Reformen in den Nachbarländern Deutschland und Frankreich wurde 2008 ein Integrationsgesetz verabschiedet, das unter anderem die Schaffung einer neuen Integrationsbehörde (OLAI – Office luxembourgeois de l’accueil et de l’intégration) und die Erstellung eines "Mehrjahresplans für Integration und gegen Diskriminierung" vorsieht.
Politische Beteiligung
Als 1994 auf europäischer Ebene das Wahlrecht für Unionsbürger bei EU- und Kommunalwahlen eingeführt wurde, handelte Luxemburg mit Verweis auf die große Ausländerzahl im Land gegen den Widerstand des Europäischen Parlaments verschiedene Ausnahmeregelungen aus. So war zunächst das aktive Wahlrecht beispielsweise an einen Mindestaufenthalt in Luxemburg von sechs Jahren und das passive Wahlrecht an eine Wohndauer von mindestens zwölf Jahren geknüpft. Zudem durften nur Luxemburger Staatsangehörige Bürgermeister werden.
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