Zu- und Abwanderung im Zeitalter der Industrialisierung
Das Großherzogtum Luxemburg besteht seit 1839 als unabhängiger Staat in den heutigen Grenzen und war in seinen Anfängen ein eher armes, ländlich geprägtes Gebiet. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts etablierte sich im Süden des Landes eine Eisen- und Stahlindustrie, die Arbeitskräfte aus dem Ausland anzog: Zunächst Deutsche aus den angrenzenden Regionen, die zumeist als Facharbeiter rekrutiert wurden, dann auch italienische Arbeitswanderer, die die schlecht bezahlten, unqualifizierten Tätigkeiten übernahmen. Parallel zu dieser ersten Einwanderungswelle war Luxemburg bis zum Ersten Weltkrieg auch ein Auswanderungsland: Viele gebürtige Luxemburger migrierten nach Nordamerika, aber auch ins nahe Lothringen, wo sie in der dortigen Industrie höhere Löhne erzielen konnten.
Der Ausländeranteil der Bevölkerung verfünffachte sich zwischen 1875 und 1910 von knapp drei Prozent auf 15 Prozent.
Neben wirtschaftlichen Krisen führten vor allem die beiden Weltkriege zu vorübergehenden Rückgängen der ausländischen Bevölkerung. Am Ende des Zweiten Weltkriegs erreichte diese den niedrigsten Stand seit der Jahrhundertwende.
Einwanderung nach dem Zweiten Weltkrieg
Nach 1945 benötigte das unter deutscher Besatzung stark zerstörte Luxemburg ausländische Arbeitskräfte zum Wiederaufbau des Landes. Die Zielgruppe der luxemburgischen Regierung waren zunächst erneut junge, alleinstehende Italiener, die für einen begrenzten Zeitraum ins Land geholt werden sollten. Hierfür unterzeichnete sie bereits im Jahr 1948 ein erstes Abkommen mit Italien, das in der Folge mehrfach erneuert wurde. Diese zweite italienische Einwanderungswelle ebbte jedoch Anfang der 1960er Jahre wieder ab, da italienische Auswanderer nun Deutschland und die Schweiz, wo das Lohnniveau zu jener Zeit höher war, bevorzugten und auch die wachsende norditalienische Wirtschaft zunehmend mehr Arbeitsperspektiven bot.
Um dem Arbeitskräftebedarf der boomenden Wirtschaft zu begegnen, schloss die luxemburgische Regierung 1970 Anwerbeabkommen mit Portugal und Jugoslawien ab und erleichterte damit die Einwanderung aus diesen Nicht-EG-Ländern.
Abbildung 2: Ausländische Bevölkerung seit 1945 nach Hauptherkunftsländern. Grafik als Interner Link: PDF-Datei (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
Abbildung 2: Ausländische Bevölkerung seit 1945 nach Hauptherkunftsländern. Grafik als Interner Link: PDF-Datei (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
Die portugiesische Einwanderung war dabei von Anfang an zu großen Teilen eine familiäre und auf längere Dauer angelegte. Ehepaare migrierten mit ihren Kindern bzw. holten diese nach einer Weile nach oder gründeten in Luxemburg eine Familie. Häufig kam es zu einer Kettenmigration: Auf die "Pionier"-Migranten folgten Geschwister, Cousins und Cousinen oder Bekannte aus demselben Heimatdorf. Der Großteil dieser Einwanderer verfügte über eine geringe Schulbildung (nicht selten nur vier Jahre Grundschule) und fand Anstellung in Branchen, die von Luxemburgern zunehmend gemieden wurden: Männer vorwiegend im Bauwesen, Frauen z.B. als Reinigungskräfte oder Haushaltshilfen.
Parallel zur Migration in die unteren Segmente des Arbeitsmarktes, setzte – zunächst in kleinerem Rahmen – eine Arbeitsmigration anderen Typs ein, die ab Ende der 1980er Jahre Schwung aufnahm: Der Zuzug von Hochqualifizierten, die in Institutionen der Europäischen Gemeinschaft und in Unternehmen des Finanzsektors eine Anstellung fanden. Die Finanzbranche wurde zum Motor des Wirtschaftswachstums und konnte den Verlust an Arbeitsplätzen durch das Ende der Schwerindustrie im Süden des Landes mehr als kompensieren. Die Hauptherkunftsländer dieser Zuwanderer waren (und sind) die Nachbarstaaten Belgien, Deutschland und Frankreich, wobei vor allem Franzosen auch in anderen, weniger gut entlohnten Branchen wie dem Hotel- und Gaststättengewerbe durchaus zahlreich vertreten sind.
Diese doppelte Einwanderung (double immigration) sowohl am unteren als auch am oberen Ende der Einkommensskala ist ein Merkmal der luxemburgischen Migrationsgeschichte, das sich im Grunde seit den Anfängen der Einwanderungsgeschichte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis in die heutige Zeit fortsetzt.
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