Die Ursprünge der heutigen südafrikanischen Migrationspolitik gehen bis in die Kolonialzeit zurück, wobei das Ende der Apartheid (1994) einen wichtigen historischen Wendepunkt darstellt. Obwohl Migration ein zentraler Faktor für die sozio-ökonomische Entwicklung Südafrikas bleibt und Migrationspolitik sich an einer Schnittstelle vielfältiger und kontrovers diskutierter gesellschaftlicher Probleme befindet, hat der Afrikanische Nationalkongress (ANC), der seit 1994 die Regierung stellt, Migration nicht zu einem Schlüsselthema der politischen Reformen der Post-Apartheid gemacht.
Migrationspolitik vor der Apartheid
Die Phase der Migrationssteuerung durch ein stark reglementiertes Arbeitsmigrationssystem (migrant labour system) der Minengesellschaften war auch für die späteren Gesetze des Apartheid-Regimes prägend. Die südafrikanische Migrationspolitik beruhte bereits vor der Apartheid auf Rassendiskriminierung. Eine der ersten landesweiten Gesetzgebungen zur Migration, der Immigration Act von 1913, war bereits darauf ausgerichtet, die damals ansteigende Zuwanderung afrikanischer Arbeitskräfte zu regulieren und auch die einheimische schwarze Bevölkerung des Landes in ihrer Bewegungsfreiheit einzuschränken.
Migrationspolitik während der Apartheid
Die Zuwanderungsgesetzgebung des Apartheid-Regimes beruhte auf rassistischen Selektionskriterien, zielte auf die ökonomische Ausbeutung von Arbeitsmigranten aus den Nachbarländern ab und war zudem durch das Fehlen einer Asylpolitik gekennzeichnet. Der Aliens Control Act von 1937 führte ein Rassenkriterium für die Zuwanderung nach Südafrika ein. Demnach wurden weiße (insbesondere protestantische) Einwanderer aus Europa gegenüber schwarzen Zuwanderern aus den Nachbarländern sowie jüdischen Zuwanderern aus Osteuropa bevorzugt.
Die Zuwanderung von Arbeitsmigranten, die in der Bergbauindustrie beschäftigt waren, erfolgte über bilaterale Verträge mit den jeweiligen Entsendeländern; die angeworbenen Arbeiter waren dabei weitgehend rechtlos. Durch den Aliens Control Act von 1991, ein Rahmengesetz, das alle vorangegangenen Gesetzgebungen zusammenführte, wurde die Zuwanderung von Weißen zusätzlich erleichtert. Es formalisierte den rassistischen Ansatz der Migrationspolitik weiter, indem es an der sogenannten "two-gates-policy" festhielt, die für weiße und schwarze Migranten unterschiedliche Bedingungen und Rechte etablierte. Weiße Zuwanderer wurden willkommen geheißen, in der Hoffnung, dass dieses die Macht der regierenden Elite sichere; für Schwarze gab es hingegen kaum legale Zuwanderungsmöglichkeiten. Sie wurden nur temporär zur Arbeit in den Minen zugelassen. Arbeitgeber, die Migranten ohne gültige Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis beschäftigten, wurden rechtlich nicht belangt, was die Ausbeutung dieser Arbeitskräfte weiter begünstigte.
Migrationspolitik seit dem Ende der Apartheid
Das Apartheidserbe spiegelte sich auch in der Migrationspolitik im "Neuen Südafrika" wider. Der Aliens Control Act von 1991 blieb bis 2002 in Kraft. Zunächst wurden innenpolitische Prioritäten gesetzt: Im Prozess einer nationalen Identitätsbildung war das oberste Ziel der neuen Regierung, die Lebensbedingungen der einheimischen schwarzen Bevölkerung zu verbessern. Einwanderer aus den Nachbarregionen wurden beim Neuaufbau eher als störend empfunden.
Dennoch verlangten aktuelle Entwicklungen auch migrationspolitisches Handeln. Zu den dringendsten Herausforderungen für die neue Regierung zählten steigende Zahlen von Asylsuchenden, die Rechtslage von Migranten ohne gültige Aufenthaltsgenehmigung (irreguläre Migranten), die Auswanderung hochqualifizierter Fachkräfte (Braindrain) und gleichzeitig der Bedarf an qualifizierter Zuwanderung. Nach der Anerkennung internationaler Abkommen gewährte die Regierung verschiedenen Migrantengruppen eine Amnestie, ihr Aufenthalt im Land wurde legalisiert. Besonders Arbeitsmigranten aus den Hauptherkunftsländern Mosambik, Simbabwe, Malawi, Lesotho, Botswana und Swasiland erlangten so einen permanenten Aufenthaltsstatus. Einem siebenjährigen politischen Aushandlungsprozess folgte schließlich eine neue Rahmengesetzgebung: der Immigration Act von 2002. Dieser erkannte Migration erstmals in der Geschichte Südafrikas als nützliches Instrument zur sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung an und sprach Migranten bestimmte Grundrechte zu. Im Gegensatz zur vorherigen Migrationspolitik, die lediglich auf billige (niedrigqualifizierte) Arbeitskräfte ausgerichtet war, legte das Gesetz nun ein besonderes Augenmerk auf die Anwerbung qualifizierter Arbeitnehmer. Dabei sollte die südafrikanische Bevölkerung allerdings nicht benachteiligt werden: Ausländische Arbeitskräfte werden bis heute nur in Sektoren angeworben, in denen der Arbeitskräftebedarf nicht durch Einheimische gedeckt werden kann. Den Angeworbenen wird zudem zumeist nur eine zeitlich begrenzte Aufenthaltsgenehmigung ausgestellt. Bestehende Mindeststandards z.B. im Arbeitsrecht sollen nicht durch Zuwanderung ausgehöhlt werden.
Der Immigration Act 2002, inklusive einiger Novellen, bildet bis heute die Grundlage der südafrikanischen Migrationspolitik. Durch eine Erweiterung von 2014 wurden Visa-Regelungen verschärft, um insbesondere die irreguläre Einwanderung einzudämmen.
Abbildung 2: Zahl der Empfänger temporärer Aufenthaltsgenehmigungen nach den acht führenden Herkunftsländern 2011 (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
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Trotz einiger recht weitreichender migrationspolitischer Veränderungen bleibt der Ansatz der Vermeidung, Selektion und Kontrolle von Migration sowie der gesellschaftliche Ausschluss von Migranten weiterhin bestehen. Es gibt keine kohärenten Strategien zur Integration der Zugewanderten. Ausländische Urkunden und Abschlüsse werden häufig nicht anerkannt, zugewanderte Arbeitskräfte haben nicht dieselben Arbeitnehmerrechte wie südafrikanische Staatsangehörige und die Erteilung von Aufenthaltsgenehmigungen hängt von der wirtschaftlichen Erwünschtheit der Zuwanderer ab.
Neben parteipolitischen Konflikten verlangsamen auch einflussreiche Interessengruppen die schnelle Umsetzung einer modernen Migrationspolitik. So hat beispielsweise die Lobby der Minengesellschaften ein besonderes Interesse daran, dass die Anwerbung billiger, weitgehend rechtloser ausländischer Arbeitskräfte weiterhin möglich ist. Dieser Einfluss privatwirtschaftlicher Akteure auf die Politik war während des gesamten 20. Jahrhunderts kennzeichnend für die Einwanderungspolitik Südafrikas und beeinflusst bis heute das Agenda-Setting der südafrikanischen Migrationspolitik.
Staatsbürgerschaft
Abbildung 3: Dauerhafte Aufenthaltsgenehmigungen nach Kategorie 2011 (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
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Vor der demokratischen Wende Südafrikas waren Staatsbürgerschaft und Bürgerrechte ausschließlich weißen Bevölkerungsgruppen vorbehalten. Gebürtige weiße Südafrikaner wie auch weiße qualifizierte Zuwanderer aus Nachbarländern, welche die südafrikanische Staatsbürgerschaft relativ problemlos erhielten, hatten volle Staatsbürgerschaftsrechte. So sicherte sich die weiße Minderheit während der Apartheid lange ihre Macht. Die vielen schwarzen Arbeitsmigranten, die für Bergbau, Industrie und Landwirtschaft unabdingbar waren, und auch die schwarzen Südafrikaner in den Homelands hatten hingegen keinen Anspruch auf die südafrikanische Staatsbürgerschaft. Das änderte sich erst mit dem Ende der Apartheid.
Abbildung 4: Zahl der Empfänger dauerhafter Aufenthaltsgenehmigungen nach den acht führenden Herkunftsländern 2011 (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
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Seit der Reform des Staatsbürgerschaftsrechts mit dem South African Citizenship Act von 1995 gibt es drei Möglichkeiten, Südafrikaner zu werden: Erstens durch Geburt auf dem Staatsterritorium Südafrikas (jus soli); zweitens durch Geburt auch außerhalb Südafrikas, wenn zumindest ein Elternteil südafrikanischer Staatsbürger ist (jus sanguinis); und drittens durch Einbürgerung. Der Antrag auf Einbürgerung ist nach fünf Jahren ununterbrochenen Aufenthalts mit einer dauerhaften Aufenthaltsgenehmigung möglich. Vor allem für qualifizierte Migranten sowie deren Familien schafft das neue Staatsbürgerschaftsrecht einen Anreiz, dauerhaft einzuwandern. Den vielen Arbeitsmigranten jedoch, die große Teile ihres Lebens in den Minen oder auf den Feldern Südafrikas verbringen, wird nur sehr selten eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung erteilt. Sie haben kaum eine Chance, südafrikanische Staatsbürger zu werden und umfassende Rechte zu erwerben. Der Aufenthaltstitel wird so zu einem zentralen Instrument der Migrationspolitik. Er steuert die Möglichkeiten der gesellschaftlichen Teilhabe von Migranten. Diese wird von Kriterien wie wirtschaftlichem Nutzen, Wohlstand und Fähigkeiten der potenziellen Neu-Bürger abhängig gemacht.
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