Irreguläre Migration wird in Kanada vor allem mit Individuen in Verbindung gebracht, die das Einwanderungssystem missbrauchen, indem sie sich selbst ungerechtfertigterweise als Asylbewerber oder Familiennachzügler ausgeben oder ihre temporäre Aufenthaltserlaubnis überziehen. Angaben der kanadischen Einwanderungsbehörde zufolge wurde 2012 gegen 10.663 kanadische Staatsangehörige, Personen mit dauerhaftem Aufenthaltsrecht und Dritte wegen des Erschleichens von Aufenthaltstiteln ermittelt.
Die kanadische Einwanderungsbehörde schätzt, dass es sich bei einem erheblichen Teil der 20 Prozent der Anträge auf Lebens- oder Ehepartnernachzug (von insgesamt 49.500 eingegangenen Anträgen), die im Jahr 2009 von den Visavergabestellen abgelehnt wurden, um Fälle von Scheinehen handelte.
″Prekärer Status″
Einwanderer und Einwandererbevölkerung nach Aufenthaltsstatus (© bpb)
Einwanderer und Einwandererbevölkerung nach Aufenthaltsstatus (© bpb)
Kanadische Migrationsforscher haben angefangen, der Debatte um irreguläre Einwanderung einen neuen Rahmen zu geben, indem sie den Begriff des "prekären Status" eingeführt haben.
Wege in einen prekären Status sind Teil von Politiken, die eine große und zunehmende Personenzahl betreffen. Wie Abbildung 4 zeigt, hat die Zahl der Personen, die mit einer befristeten Aufenthaltsgenehmigung in Kanada leben im Vergleich zur Zahl neuankommender temporärer Einwanderer kontinuierlich zugenommen, was darauf hindeutet, dass mehr temporäre Einwanderer im Land verbleiben als Kanada wieder verlassen. Setzt sich dieser Trend fort, so besteht die Gefahr, dass der Umfang der Bevölkerung ohne Aufenthaltsstatus wächst.
Dabei empfinden Beobachter es als besonders besorgniserregend, dass temporäre Einwanderer zunehmend schlecht qualifiziert sind und keine Integrationsleistungen (z.B. Sprachunterricht, Unterstützung bei der Arbeitsmarkteingliederung) in Anspruch nehmen dürfen während sie sich noch legal im Land aufhalten. Dies bedeutet, dass die illegal im Land lebende Bevölkerung zukünftig mehr und mehr Individuen umfassen wird, die weder die Ausbildung noch die Ressourcen mitbringen, um sich in die kanadische Gesellschaft zu integrieren. Wenn fast die Hälfte der rund 200.000 jährlich zuziehenden temporären Migranten niedrigqualifiziert wären und die Hälfte von ihnen wiederum ihr Visum überziehen würde, würde die niedrigqualifizierte Bevölkerung ohne Aufenthaltsstatus jährlich um 50.000 Personen wachsen. Dies entspräche etwa der Zahl irregulärer Migranten, die jährlich aus Mexiko in die USA gelangen.