Das beispiellose Ausmaß der Entwicklungsprojekte in den ölreichen Golfstaaten, das auf den Ölboom im Oktober 1973 folgte, führte zu einer extrem schnellen Zunahme der Nachfrage nach sowohl qualifizierten als auch unqualifizierten Arbeitskräften, die nicht aus dem einheimischen
Dies lag zum einen am geringen Umfang der nationalen Erwerbsbevölkerung. Um 1975 umfasste die Gesamtzahl der einheimischen Erwerbstätigen der sechs Ölstaaten nur 1,36 Millionen Personen. Zum anderen verfügten die einheimischen Arbeitskräfte nicht über einen ausreichenden Qualifizierungsgrad, da es an modernen Bildungs- und Ausbildungseinrichtungen mangelte. Um diese beiden Einschränkungen zu beheben, verfolgten die Obrigkeiten der Golfstaaten die Strategie, kurzfristig Arbeitskräfte aus dem Ausland anzuwerben. Auf lange Sicht sollte einerseits eine extrem pro-natalistische Politik implementiert werden, um die hohen Geburtenraten aufrecht zu erhalten, andererseits sollten umfangreiche Investitionen in das Bildungs- und Ausbildungssystem das Qualifikationsniveau (und damit auch die Qualität) der einheimischen Erwerbsbevölkerung verbessern.
Geburtenzahlen und pro-natalistische Strategien der GCC-Staaten
Im Anschluss an den Ölboom im Oktober 1975 implementierten die herrschenden Familien in den GCC-Staaten die weltweit umfangreichsten pro-natalistischen Maßnahmen. Dazu zählten die Initiierung öffentlicher Wohnungsbauprojekte, die Förderung einer frühen Eheschließung durch hohe Zuschüsse für Ehepaare sowie großzügige Kindergeldzahlungen. Obwohl Oman und Saudi Arabien seit Mitte der 1990er Jahre begonnen haben, ihre vorherige pro-natalistische Politik schrittweise aufzuheben, bleibt tatsächlich aber auch in diesen beiden Ländern das pro-natalistische sozioökonomische Gerüst weiterhin bestehen. In den vergangenen Jahren sind jedoch die Geburtenraten in jedem einzelnen der Golfstaaten, selbst in jenen Staaten, die weiterhin direkte pro-natalistische Maßnahmen betreiben, rasch von durchschnittlich 6 bis 8 Kindern pro Frau in den 1970er und 1980er Jahren auf rund 3,5 Kinder je Frau gesunken. Dieser Rückgang kann vor allem auf die drastische Anhebung des Bildungsniveaus von Frauen zurückgeführt werden und hier vor allem auf den hohen Prozentsatz von Frauen mit Hochschulabschluss. Den dramatischsten Geburtenrückgang erlebte Oman. Während eine Frau in den 1970er und frühen 1980er Jahren im Durchschnitt noch 7 Kinder zur Welt brachte, waren es 2010 nur noch 3,7 Kinder. Auch in Saudi Arabien sind die Geburtenzahlen stark eingebrochen. Obwohl die saudische Regierung keine Angaben zur Fertilität und ähnliche Daten veröffentlicht, kann aufgrund von zugänglichem Datenmaterial dennoch angenommen werden, dass sich die rohe Geburtenrate der einheimischen Bevölkerung Saudi Arabiens im Jahr 2007 auf 25 Geburten je 1000 Einwohner belief; in den 1970er Jahren waren es noch 50 Geburten. Trotz des Geburtenrückgangs wird die einheimische Bevölkerung der GCC-Staaten aufgrund der Altersstruktur der Bevölkerung, die einen hohen Anteil junger Menschen aufweist, jedoch zumindest in den nächsten zwei Generationen weiter stark wachsen – eine Konsequenz des demographischen Momentums* (al-Najjar 1993, S. 212; Winckler 2009, S. 198-199; Fargues/Brouwer 2012, S. 238-240; Oman, MNE, SY-2011, Tabelle 6-2; KSA, CDSI 2008).
*Demographisches Momentum (Trägheitseffekt): Auch wenn die Geburtenziffer das Ersatzniveau erreicht oder sogar unter dieses sinkt, wächst die Bevölkerung zunächst noch weiter an, da hohe Fertilitätsraten in der Vergangenheit für stark besetzte Jahrgänge gesorgt haben, die mit dem Eintritt in das fertile Alter für relativ hohe Geburtenziffern sorgen.
Diese Strategie der GCC-Staaten führte dazu, dass während des blühenden "Öljahrzehnts" (1973 – 1982) die Zahl ausländischer Arbeitskräfte in den ölfördernden Golfstaaten rapide zunahm und bereits 1985 bei 4,4 Millionen lag. In der ersten Phase dieser Entwicklung ermöglichte eine sehr liberale Zuwanderungspolitik den zu dieser Zeit hauptsächlich arabischen Arbeitsmigranten ihre Familienangehörigen mit in die GCC-Staaten zu bringen. Daher waren im Jahr 1975 30% der Ausländerinnen und Ausländer, die sich in den GCC-Staaten aufhielten, Familienangehörige von Arbeitsmigranten. Dem "Öljahrzehnt" folgte ein starker Einbruch der Öleinnahmen.
Staatsangehörige und Ausländer/-innen in der Erwerbsbevölkerung der GCC-Staaten, 1975-2010 (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
Staatsangehörige und Ausländer/-innen in der Erwerbsbevölkerung der GCC-Staaten, 1975-2010 (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
Die irakische Invasion Kuwaits im August 1990 wirkte sich entscheidend auf die Entwicklung der Migration nach dem Ölboom im Oktober 1973 aus. Die Invasion veranlasste zahlreiche Ausländer die GCC-Staaten - insbesondere Kuwait und Saudi Arabien - zu verlassen. Nach der Befreiung Kuwaits im Februar 1991 nahm die Zahl ausländischer Arbeitskräfte in jedem einzelnen der GCC-Staaten jedoch wieder zu, obwohl einerseits die Ölpreise weiterhin sehr niedrig waren und andererseits die Zahl einheimischer Arbeitskräfte schnell anstieg. 1999 lag die Zahl ausländischer Arbeitskräfte in den GCC-Staaten bei 7,1 Millionen, was einem Wachstum von 36,3 Prozent gegenüber ihrer Zahl Mitte der 1990er Jahre entspricht.