Wie sich die Migration nach Italien und der Zuwanderungsdiskurs im Land selbst zukünftig entwickelt, hängt davon ab, wie drei Hauptthemen adressiert werden. (1) Auf der politischen Ebene stehen Fragen nach der Verbesserung der Migrationssteuerung sowie der Integration der Zuwanderer im Zentrum der Aufmerksamkeit. (2) Ein weiteres Thema ist die Wahrnehmung der Zuwanderung in der italienischen Öffentlichkeit. Werden Zuwanderung und Zuwanderer weiterhin eher in einem negativen Licht betrachtet oder werden sie zukünftig mehr als Chance denn als Bedrohung wahrgenommen? (3) Schließlich nehmen internationale Ereignisse wie die Wirtschaftskrise und aktuelle politische Veränderungen in vielen nordafrikanischen Ländern Einfluss auf die Entwicklung des Migrationsgeschehens in Italien. Der Umgang mit den Auswirkungen dieser Ereignisse stellt Italien vor eine politische und wirtschaftliche Herausforderung, auf die das Land Antworten finden muss.
(1) Im Hinblick auf migrationspolitische Strategien stellt der Umgang mit irregulärer Migration unzweifelhaft eine der größten Herausforderungen für Italien dar. Es ist notwendig, angemessene Maßnahmen zu entwickeln, um die Zahl der Migranten, die in der Irregularität leben, zu reduzieren. Aufgrund ihres irregulären Aufenthaltsstatus haben sie keine sozialen und politischen Rechte, was zu gesellschaftlicher Marginalisierung führt. Darüber hinaus muss die Politik kohärente Integrationsmaßnahmen entwickeln. Dazu zählt auch, dass das Konzept von Staatsangehörigkeit und Einbürgerung vor dem Hintergrund von Italiens aktuellem Charakter als Einwanderungsland neu überdacht wird.
(2) Wie Zuwanderung in der italienischen Öffentlichkeit wahrgenommen wird, hängt auch davon ab, wie dieses Thema auf der politischen Ebene adressiert wird. Besonders rechtsgerichtete Parteien wie die Lega Nord (Nördliche Liga) instrumentalisieren das Thema Zuwanderung in Wahlen, indem sie eine enge Verbindung zwischen Einwanderung und öffentlicher Sicherheit ziehen und ausschließlich die Kriminalisierung irregulärer Migration fokussieren. Um Wählerstimmen zu gewinnen stellen sie Zuwanderer als Konkurrenten um Arbeitsplätze dar und werfen ihnen vor, für die Arbeitslosigkeit unter italienischen Staatsangehörigen mitverantwortlich zu sein. Dies ist vor dem Hintergrund der aktuellen Wirtschaftskrise besonders gefährlich, da von der Rezession vor allem schwache soziale Gruppen, darunter auch Migranten, betroffen sind. Die Erosion des Arbeitsmarktes sowohl für Zuwanderer als auch für Einheimische könnte in den kommenden Jahren zu einer zunehmenden Konkurrenz um Arbeitsplätze führen und sowohl soziale Spannungen hervorrufen als auch zu Veränderungen im Zuwanderungsgeschehen führen. Parallel zu diesem Negativ-Diskurs entwickelt sich in der italienischen Öffentlichkeit aber auch zunehmend das Bewusstsein der ergänzenden Rolle zugewanderter Arbeitskräfte, die vor allem in Wirtschaftsbereichen wie dem Pflege- oder Bausektor Arbeiten übernehmen, für die sich keine Einheimischen finden.
(3) Schließlich beeinflussen internationale Entwicklungen das Migrationsgeschehen in Italien. So hat der 'Arabische Frühling' im Jahr 2011 neue Migrationsbewegungen von Afrika nach Italien und in andere Teile Europas ausgelöst. In diesem Zusammenhang sind die Schwächen des italienischen Flüchtlings- und Asylsystems deutlich zu Tage getreten. Diese müssen in naher Zukunft behoben werden.