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Die Flucht- und Migrationskrise in Venezuela | Migrationspolitik – Monatsrückblick | bpb.de

Migrationspolitik – Monatsrückblick Die Flucht- und Migrationskrise in Venezuela Politische Partizipation Rückkehr nach Syrien?

Die Flucht- und Migrationskrise in Venezuela Migrationspolitik im Fokus

Vera Hanewinkel

/ 9 Minuten zu lesen

In Venezuela herrscht eine vielschichtige Krise, die seit Mitte der 2010er Jahre Millionen Menschen ins Ausland getrieben hat – vor allem in die Nachbarländer, aber auch nach Europa.

Millionen Venezolanerinnen und Venezolaner überquerten in den vergangenen Jahren die Grenze nach Kolumbien. Sie sind entweder auf der Durchreise vor allem nach Norden oder suchen im Nachbarland Zuflucht. (Archivbild: Necocli, Kolumbien, Oktober 2022) (© picture-alliance, ASSOCIATED PRESS | Fernando Vergara)

Syrien, Ukraine, Afghanistan – über die Flucht aus diesen Ländern wird häufig berichtet. Andere Flucht- und Vertreibungskrisen finden hingegen in der Medienberichterstattung kaum Beachtung. Hierzu zählt die Situation in Venezuela. Seit 2017 haben mehr als acht Millionen Menschen das Land auf dem südamerikanischen Kontinent Externer Link: verlassen. Das sind mehr Menschen als jeweils vor den Kriegen in Interner Link: Syrien (ab 2011) oder der Interner Link: Ukraine (ab 2022) ins Ausland geflohen sind. Die meisten venezolanischen Vertriebenen leben heute in einem der Nachbarländer, insbesondere in Kolumbien (2,8 Mio.) und Peru (1,7 Mio.). Aber auch in Europa sind die Auswirkungen von Auswanderung, Flucht und Vertreibung aus Venezuela spürbar: 2024 war Venezuela das Externer Link: zweitwichtigste Herkunftsland von Asylantragstellenden in der Europäischen Union. Die meisten venezolanischen Asylsuchenden steuern dabei Spanien an, wo im Zeitraum 2017 bis 2024 rund 288.000 Asylanträge von Venezolaner:innen Externer Link: registriert worden sind.

Warum haben so viele Menschen Venezuela verlassen?

Interner Link: Venezuela befindet sich seit Jahren in einer tiefen politischen, wirtschaftlichen und humanitären Krise. Im März 2013 starb der seit 1999 amtierende Präsident Hugo Chávez. Vor seinem Tod hatte er persönlich Vizepräsident Nicolás Maduro (Vereinigte Sozialistische Partei/Partido Socialista Unido de Venezuela) zu seinem Wunschnachfolger erklärt. Dieser gewann die Interner Link: Präsidentschaftswahl im April 2013 knapp. Unter Maduros Präsidentschaft entwickelte sich Venezuela zu einer Autokratie. Ein Großteil der rechtsstaatlichen Prinzipien ist außer Kraft gesetzt worden, politischen Gegnern drohen Repression und Haft. Die Präsidentschaftswahlen 2018 und 2024 stehen unter dem Vorwurf, weder fair noch frei gewesen zu sein. Zahlreiche Länder erkannten Maduro daraufhin nicht als rechtmäßigen Präsidenten an. Die USA und die EU Externer Link: verhängten Sanktionen gegen die Regierung und Einzelpersonen, nicht zuletzt wegen gravierender Menschenrechtsverletzungen.

Neben der politischen Krise leidet Venezuela unter einer massiven Wirtschafts- und Versorgungskrise. Bereits unter Präsident Chávez waren hohe Arbeitslosigkeit, Kriminalität, Inflation und Vetternwirtschaft ein Problem gewesen. Als die Ölpreise 2014 einbrachen, führte dies im Externer Link: erdölreichsten Land der Welt zu einer massiven Wirtschaftskrise. Diese offenbarte das langjährige Missmanagement der Regierung und Interner Link: die große Abhängigkeit des Landes von der Erdölindustrie. Noch in den 1970er Jahren war Venezuela das reichste Land Südamerikas. Heute zählt es zu den ärmsten Ländern in der Region. Von 2013 bis 2020 schrumpfte Venezuelas Wirtschaft ununterbrochen. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf sank in dieser Zeit Externer Link: nach Daten des Internationalen Währungsfonds um mehr als 80 Prozent. Vergleichbare wirtschaftliche Einbrüche gibt es sonst vor allem in Folge von Kriegen und Bürgerkriegskonflikten zum Beispiel 1990/91 in Irak oder ab 2011 in Syrien und in Libyen.

Ab 2017 kam es in Venezuela zu gigantischen Preissteigerungen (Interner Link: Hyperinflation) und einer tiefen humanitären Krise. Die Armut im Land wuchs. 2021 Externer Link: galten 90 Prozent der Bevölkerung Venezuelas als arm, fast 68 Prozent lebten in extremer Armut, konnten also grundlegende wirtschaftliche und soziale Bedürfnisse nicht befriedigen. Mehr als 17 Prozent der Venezolaner:innen galten Externer Link: dem Welthunger-Index zufolge 2024 als unterernährt, 2008 waren es nur 2,8 Prozent. Regelmäßig fallen die Wasser- und Stromversorgung aus und es kommt zu Lebensmittelengpässen. Die Gesundheitsversorgung liegt am Boden, es fehlt an Personal, Geräten und Medikamenten. Nach Externer Link: Daten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sank die Lebenserwartung der venezolanischen Bevölkerung zwischen 2013 und 2021 um mehr als drei Jahre. 2024 waren sieben Millionen Menschen in Venezuela Externer Link: nach UN-Angaben auf humanitäre Hilfe angewiesen.

Gleichzeitig zählt Venezuela zu den gefährlichsten Ländern der Welt. Das Land hatte zeitweise eine der höchsten Mordraten. Bandengewalt, bewaffnete Überfälle, Entführungen, Diebstahl und Korruption gehören zum Alltag. Laut WHO waren 2021 Gewalttaten die zweithäufigste Todesursache in Venezuela.

Migration als Überlebensstrategie

Aufgrund dieser mehrdimensionalen Krise haben Millionen Menschen das Land verlassen, um das eigene Überleben zu sichern (sogenannte Externer Link: survival migration). Im Dezember 2024 lebten nach Angaben der Externer Link: Koordinierungsplattform für Flüchtlinge und Migranten aus Venezuela (R4V) rund 7,9 Millionen venezolanische Flüchtlinge und Migrant:innen im Ausland – der überwiegende Teil (6,7 Millionen) in Staaten Lateinamerikas und der Karibik. Die Externer Link: fünf Länder der Region, die die meisten venezolanischen Staatsangehörigen aufgenommen hatten, waren Kolumbien (2,8 Millionen), Peru (1,7 Millionen), Brasilien (627.000), Chile (533.000) und Ecuador (445.000). Beim UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) waren im Juni 2024 rund 369.800 Menschen aus Venezuela als Flüchtlinge Externer Link: erfasst, sie hatten also in einem anderen Land einen Schutzstatus erhalten. Weitere 1,3 Millionen hatten einen Asylantrag gestellt, über den aber noch nicht entschieden worden war. Knapp 5,8 Millionen Migrant:innen aus Venezuela hat UNHCR als „andere Menschen mit Bedarf an internationalem Schutz“ klassifiziert.

Wer gilt als Person mit Bedarf an internationalem Schutz?

Als Personen mit Bedarf an internationalem Schutz Externer Link: gelten laut UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) Menschen, die sich außerhalb ihres Herkunftslandes befinden, in welches sie nicht zurückkehren können, weil sie dort bedroht wären und der Staat sie nicht schützen kann oder will. Die Risiken reichen von Verfolgung, über Bedrohungen für Leben, Freiheit und körperliche Unversehrtheit aufgrund von bewaffneten Konflikten, öffentlichen Unruhen aber auch von Hungersnöten und Naturkatastrophen. Nicht alle davon betroffenen Menschen erfüllen jedoch die Kriterien, um einen Schutzstatus nach der Genfer Flüchtlingskonvention oder nationalen bzw. regionalen asylrechtlichen Regelungen zu erhalten. Dennoch können sie Schutzbedarfe haben, wie etwa den Schutz vor einer Rückführung ins Herkunftsland oder den Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen. Vor diesem Hintergrund hat UNHCR Mitte 2022 die Kategorie „andere Personen mit Bedarf an internationalem Schutz“ (other people in need of international protection) eingeführt. In diese Kategorie fallen in der UNHCR-Statistik all jene Externer Link: Personen, die nicht als Asylsuchende, Flüchtlinge oder Menschen in flüchtlingsähnlichen Situationen erfasst werden. Dies betrifft fast ausnahmslos venezolanische Staatsangehörige. Die 2018 von UNHCR dafür zunächst eingeführte Kategorie „ins Ausland vertriebene Venezolaner:innen“ (Venezuelans displaced abroad) wird heute nicht mehr genutzt.

Neben venezolanischen Staatsangehörigen haben auch Menschen das Land verlassen, die zuvor selbst als Flüchtlinge oder andere Migrant:innen nach Venezuela gekommen waren. Dies betrifft vor allem Kolumbianer:innen, welche vor dem Interner Link: jahrzehntelangen bewaffneten Konflikt zwischen Guerilla-Gruppen und der kolumbianischen Armee Interner Link: Schutz gesucht hatten. 2015 sollen nach Angaben von UN DESA (United Nations Departmenet of Economix and Social Affairs) mindestens eine Million Kolumbianer:innen in Venezuela gelebt haben. Die tatsächliche Zahl dürfte aber höher sein. Allein bis 2019 waren gut eine Externer Link: halbe Million davon nach Kolumbien zurückgekehrt.

Regionale Reaktionen auf die Vertreibungskrise

Auf die umfangreiche Abwanderung aus Venezuela haben die Staaten in der Region unterschiedlich reagiert. Eine wichtige Rolle spielten regionale Zusammenschlüsse wie der Gemeinsame Südamerikanische Markt (Mercado Común del Sur, MERCOSUR), Interner Link: in denen es bereits etablierte Mobilitäts- und Freizügigkeitsregelungen gab. So erlaubten etwa die Mitgliedstaaten des Interner Link: MERCOSUR venezolanischen Staatsangehörigen einen vorübergehenden legalen Aufenthalt, obwohl Venezuelas MERCOSUR-Mitgliedschaft 2017 dauerhaft ausgesetzt worden war. Mit der Externer Link: Quito-Erklärung bekundeten 2018 elf süd- und mittelamerikanische Staaten ihren Willen, sich zusammenzuschließen, um die Antwort auf die venezolanische Vertreibungskrise besser zu koordinieren. Eine einheitliche regionale Aufnahmepolitik gibt es bis heute aber nicht.

Einige lateinamerikanische Staaten haben spezielle Aufnahmeprogramme für venezolanische Staatsangehörige aufgelegt. Ein Beispiel ist Kolumbien: Dort können Venezolaner:innen seit 2021 einen temporären Schutzstatus (Estatuto Temporal de Protección para Migrantes Venezolanos) erhalten, der ihren Aufenthalt für zehn Jahre legalisiert und ihnen Zugang zu Ausweisdokumenten, Gesundheitsversorgung, Bildung und Arbeit ermöglicht.

Auch Peru gewährte venezolanischen Migrant:innen ab 2017 zunächst eine befristete Aufenthaltsgenehmigung. Durch eine Passpflicht 2018 und durch das Erfordernis eines humanitären Visums ab 2019 wurde ihre Einreise aber wieder erschwert. Da vielen venezolanischen Staatsangehörigen die dafür erforderlichen Dokumente – unter anderem aufgrund der nur schlecht funktionierenden Verwaltung in ihrem Herkunftsland – fehlten, stellten sie stattdessen einen Asylantrag. Im Externer Link: Juni 2024 waren in Peru rund eine halbe Million solcher Asylverfahren noch nicht entschieden.

Die meisten Asylanträge von Venezolaner:innen werden in Peru jedoch abgelehnt, ebenso wie in vielen anderen lateinamerikanischen Staaten. Eine Ausnahme bildet Brasilien, das allein 2019 und 2020 rund 47.000 venezolanische Staatsangehörige auf der Basis der Cartagena-Erklärung von 1984 (siehe Infokasten) Externer Link: als Flüchtlinge anerkannte. Das Land gehört aufgrund seines pragmatischen Umgangs mit der Vertreibungskrise zu den lateinamerikanischen Staaten mit dem höchsten Anteil an venezolanischen Staatsangehörigen in einer regulären aufenthaltsrechtlichen Situation.

Was ist die Erklärung von Cartagena?

Die Externer Link: Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 bildet das Fundamt des internationalen Flüchtlingsschutzes. Sie legt fest, wer im rechtlichen Sinne als Flüchtling anzuerkennen ist. Flüchtling ist demnach jede Person, die sich „aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt“ oder in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte.

Damit deckt die Konvention aber nicht alle Gegebenheiten ab, die Menschen zur Flucht zwingen, etwa allgemeine Gefahren für Leib und Leben durch bewaffnete Konflikte oder die Folgen des Klimawandels. Darauf haben einige Weltregionen reagiert, indem sie ergänzende Erklärungen und Vereinbarungen zum Flüchtlingsschutz entwickelt haben. Eine davon ist die Externer Link: Erklärung von Cartagena aus dem Jahr 1984, die ursprünglich von zehn Staaten im lateinamerikanischen Raum unterzeichnet wurde und bis heute von den meisten Staaten in der Region in nationales Recht übernommen worden ist. Sie war eine Reaktion auf umfassende Fluchtbewegungen, die durch Bürgerkriege und Menschenrechtsverletzungen in Zentralamerika ausgelöst worden waren.

Die nicht-bindende Cartagena-Erklärung erweitert den Anwendungsbereich des Flüchtlingsbegriffs der Genfer Flüchtlingskonvention, indem auch Personen als Flüchtlinge anerkannt werden können, deren „Leben, Sicherheit oder Freiheit durch allgemeine Gewalt, ausländische Aggression, interne Konflikte, massive Menschenrechtsverletzungen oder andere Umstände, die die öffentliche Ordnung ernsthaft gestört haben, bedroht sind“. Die Flüchtlingsdefinition kann nicht nur auf Einzelpersonen angewendet werden, sondern auch prima facie (bzw. bis etwas anderes bewiesen ist) auf ganze Gruppen von Menschen. Das bedeutet: Wenn Fluchtgründe offensichtlich sind, weil Menschen z. B. aus einem Kriegsgebiet fliehen, können sie als Flüchtlinge anerkannt werden, ohne ein individuelles Asylverfahren durchlaufen zu müssen. Das entlastet die nationalen Asylsysteme.

Situation vertriebener venezolanischer Staatsangehöriger in Lateinamerika

Die Externer Link: Koordinierungsplattform R4V – ein Zusammenschluss von mehr als 200 internationalen, regionalen und lokalen Organisationen – analysiert regelmäßig die Bedarfe der vertriebenen venezolanischen Migrant:innen in 17 Ländern im lateinamerikanischen und karibischen Raum. Aus ihrem jüngsten Externer Link: Bericht für das Jahr 2024 geht hervor, dass 4,5 Millionen venezolanische Staatsangehörige eine legale Aufenthaltserlaubnis in einem der betrachteten Länder erhalten haben. 2,3 Millionen leben hingegen (weiterhin) in irregulärer Situation.

Die Lebensumstände der Vertriebenen sind oft prekär. In einer Haushaltsumfrage von R4V, die rund 41.500 venezolanische Migrant:innen erreicht hat, gaben 16 Prozent an, arbeitslos zu sein. Von denjenigen, die einen Job haben, arbeiten 82 Prozent im informellen Sektor, in dem niedrige Löhne, fehlende soziale Absicherung und unsichere Arbeitsbedingungen verbreitet sind. Die Wohnbedingungen sind häufig schlecht: Die Behausungen sind überfüllt, teilweise fehlt es an Zugang zu Trinkwasser. 42 Prozent der Befragten, die nicht auf der Weiterreise waren, beklagen Ernährungsunsicherheit. 22 Prozent der venezolanischen Kinder gehen nicht zur Schule, auch weil Kosten für den öffentlichen Nahverkehr nicht aufgebracht werden können. 18 Prozent der befragten Venezolaner:innen berichten von Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung am Arbeitsplatz.

Auf der Suche nach Möglichkeiten, sich ein neues Leben aufzubauen, ziehen viele Venezolaner:innen in andere Länder weiter, u.a. in Richtung USA. Fehlende legale Einreisemöglichkeiten lassen sie dabei auf Interner Link: gefährliche Migrationsrouten ausweichen, etwa den Weg durch den Externer Link: Darién Gap, eine etwa 100 Kilometer breite Dschungel-Landschaft in der Grenzregion zwischen Kolumbien und Panama. Der Dschungel wird durch bewaffnete Banden kontrolliert und gilt als eine der gefährlichsten Migrationsrouten auf dem amerikanischen Doppelkontinent. 2023 durchquerten ihn etwa 520.000 Menschen, 2024 waren es noch rund 300.000. Mehr als zwei Drittel von ihnen sollen venezolanische Migrant:innen gewesen sein.

Venezolanische Migrant:innen in den USA

Die USA sind in den letzten Jahren Externer Link: verstärkt zum Ziel venezolanischer Migrant:innen geworden. Die U.S.-amerikanische Zoll- und Grenzschutzbehörde (U.S. Customs and Border Protection, CBP) griff im Steuerjahr 2021 rund 49.000 illegal einreisende venezolanische Staatsangehörige an der Grenze zu Mexiko auf. Im Jahr darauf waren es 188.000 und 2023 bereits 266.000. Für das Steuerjahr 2024 zeichnete sich ein leichter Rückgang auf 261.000 ab.

Ab Mitte 2024 konnten Venezolaner:innen, die irregulär in die USA eingereist waren, keinen Anspruch auf Asyl mehr geltend machen. Gleichzeitig verlängerte die US-Regierung unter Joe Biden (Demokraten) aber den 2021 für venezolanische Staatsangehörige geöffneten Temporären Schutzstatus (Temporary Protected Status, TPS), welcher bereits in den USA lebenden Venezolaner:innen eine Arbeitserlaubnis und Schutz vor Abschiebung bietet. Im Januar 2025 sollen nach Angaben des Migration Policy Institutes schätzungsweise rund 607.000 venezolanische Staatsangehörige in den Geltungsbereich dieses Schutzstatus gefallen sein. Das ist ein Großteil der rund 770.000 Venezolaner:innen, die nach Externer Link: Angaben des US-Volkszählungsamtes (U.S. Census Bureau) 2023 in den USA gelebt haben.

Neben TPS gab es für Venezolaner:innen mit einem in den USA lebenden Bürgen ein spezielles humanitäres Programm (bekannt als CHNV), welches die legale Einreise erlaubte. Über dieses waren bis Dezember 2024 Externer Link: 117.330 Venezolaner:innen in die USA gekommen. Am ersten Tag im Präsidentenamt hat Bidens Nachfolger Interner Link: Donald Trump (Republikaner) jedoch sowohl den Temporären Schutzstatus als auch das CHNV-Programm beendet. Damit verliert ein Großteil der Betroffenen im Laufe des Jahres 2025 das Recht, sich legal in den USA aufzuhalten und zu arbeiten. Die U.S.-Behörden haben bereits damit begonnen, venezolanische Staatsangehörige abzuschieben.

Flucht aus Venezuela in die EU

2024 stellten nach Externer Link: Angaben des europäischen Statistikamts Eurostat rund 72.800 Venezolaner:innen einen Asylerstantrag in einem der 27 EU-Mitgliedstaaten. Venezuela war damit das zweitwichtigste Asylherkunftsland. Hauptzielland war mit weitem Abstand Spanien (65.000), danach folgen Deutschland (3.000) und Italien (2.400). Die Asylanträge von venezolanischen Staatsangehörigen werden jedoch größtenteils abgelehnt. Nur in drei Prozent der 38.433 Asylentscheidungen wurde 2024 ein Schutzstatus gewährt.

Die meisten Asylsuchenden können mangels legaler Einreisemöglichkeiten nur illegal in die EU einreisen. Venezolanische Staatsangehörige haben dieses Problem nicht. Sie dürfen Externer Link: visumfrei in den Schengenraum einreisen. Insgesamt kommt etwa Externer Link: ein Fünftel der Asylantragstellenden in der EU regelmäßig aus Ländern, deren Staatsangehörige für die Einreise kein Visum benötigen. Darunter sind viele Asylsuchende aus lateinamerikanischen Staaten. Die meisten von ihnen steuern Spanien an, das vom späten 15. bis ins 19. Jahrhundert hinein Interner Link: große Teile Süd- und Mittelamerikas kolonisiert hatte, wodurch bis heute sprachliche und kulturelle Ähnlichkeiten sowie postkoloniale Verbindungen bestehen. In der Regel kommen etwa drei Viertel der Asylantragstellenden in Spanien aus Ländern, mit denen die EU Vereinbarungen zum visumfreien Reisen unterhält. In Spanien erhalten venezolanische Asylsuchende zwar häufig keinen internationalen Schutz, wie etwa den Flüchtlingsstatus, ihnen kann aber eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen gewährt werden.

Seit 2016 war Venezuela durchgehend das Externer Link: Hauptherkunftsland Asylsuchender in Spanien. Während 2014 lediglich 124 venezolanische Staatsangehörige einen Asylantrag stellten, Externer Link: waren es zehn Jahre später 66.134. Auch über andere Migrationswege kommen venezolanische Staatsangehörige ins Land. Am 1. Januar 2024 lebten nach Externer Link: Angaben des nationalen Statistikamtes (Instituto Nacional de Estadística, INE) insgesamt 325.254 venezolanische Staatangehörige in Spanien. Schätzungen zufolge soll diese Zahl bis Januar 2025 auf rund 400.000 gestiegen sein – ein massiver Anstieg: 2014 lebten noch Externer Link: 49.717 Menschen mit venezolanischem Pass in Spanien. Venezuela zählt inzwischen zu den fünf Hauptherkunftsländern der ausländischen Bevölkerung.

Ausblick

Ein Ende von Flucht und Vertreibung aus Venezuela ist derzeit nicht absehbar. Zwar verlassen inzwischen weniger Menschen das Land als in den Jahren 2017 bis 2019. Allerdings hat UNHCR allein im ersten Halbjahr 2024 weltweit rund 180.000 Asylanträge venezolanischer Staatsangehöriger Externer Link: registriert, zwölf Prozent mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Die Wirtschaft in Venezuela scheint sich leicht zu erholen, die Gewalt im Land hat etwas nachgelassen und es leben inzwischen weniger Haushalte in extremer Armut als noch 2019. Die Gesamtsituation bleibt aber schwierig. Präsident Maduro hält sich nach einer von Betrugsvorwürfen überschatteten Präsidentschaftswahl im Juli 2024 weiterhin an der Macht. Externer Link: Proteste gegen das Wahlergebnis ließ er zum Teil gewaltsam niederschlagen und mehr als 2.000 Menschen verhaften. Wenige Wochen nach der Wahl floh Maduros Gegenkandidat für das Präsidentenamt und Oppositionsführer Edmundo González nach Spanien, wo er inzwischen Asyl erhalten hat.

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