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Politische Partizipation von Menschen mit Einwanderungsgeschichte Migrationspolitik im Fokus

Vera Hanewinkel

/ 5 Minuten zu lesen

Am 23. Februar ist Bundestagswahl. Ein wachsender Teil der Wahlberechtigten hat eine Einwanderungsgeschichte. Was ist über die politische Partizipation dieser Menschen bekannt?

Bei der Bundestagswahl am 23. Februar 2025 haben rund 12 Prozent aller Wahlberechtigten eine Einwanderungsgeschichte. (© picture-alliance/dpa, Heiko Rebsch)

Wie viele Menschen mit Einwanderungsgeschichte sind wahlberechtigt?

In Deutschland haben rund 17,1 Millionen Menschen ab 18 Jahren eine Einwanderungsgeschichte. Das entspricht einem Viertel (25 Prozent) der volljährigen Bevölkerung. Davon sind als deutsche Staatsangehörige Externer Link: rund sieben Millionen Menschen wahlberechtigt. Sie dürfen im Februar 2025 an der Interner Link: Bundestagswahl teilnehmen. Damit haben 12 Prozent aller Wahlberechtigten zur diesjährigen Wahl des Deutschen Bundestags eine Einwanderungsgeschichte, drei Prozent mehr als zehn Jahre zuvor zur Wahl 2013. Die meisten Wahlberechtigten mit Einwanderungsgeschichte haben Herkunftsbezüge zu Polen, Kasachstan und der Türkei.

Demgegenüber haben rund zehn Millionen volljährige Menschen mit Einwanderungsgeschichte in Deutschland – aber ohne deutsche Staatsbürgerschaft – kein Wahlrecht bei Bundestagswahlen. Auch wenn sie teilweise schon seit Jahrzehnten in Deutschland leben, sind ihre politischen Mitbestimmungsmöglichkeiten in dieser Hinsicht eingeschränkt.

Die Externer Link: Zahl der Wahlberechtigten mit Einwanderungsgeschichte dürfte in Zukunft weiter steigen, da es gerade unter Kindern und Jugendlichen einen hohen Anteil an Personen mit Einwanderungsgeschichte gibt. Zudem hat die Interner Link: 2024 in Kraft getretene Reform des Staatsangehörigkeitsrechts die Mindestaufenthaltszeit in Deutschland gesenkt, die für eine Einbürgerung notwendig ist. Dies beschleunigt gerade für gut integrierte Zugewanderte den Weg zur deutschen Staatsangehörigkeit und damit zum Wahlrecht.

Wer zählt zur Bevölkerung mit Einwanderungsgeschichte?

Das Statistische Bundesamt zählt solche Personen zur Bevölkerung mit Interner Link: Einwanderungsgeschichte, die entweder selbst seit 1950 nach Deutschland zugewandert sind oder zwei Elternteile haben, auf die dies zutrifft. Daher wird auch von „Eingewanderten und ihren (direkten) Nachkommen“ gesprochen.

Was ist über die Wahlteilnahme von Eingewanderten und ihren Nachkommen bekannt?

Studien zeigen: In fast allen Ländern nehmen Eingewanderte und ihre Nachkommen seltener an Wahlen teil als Menschen ohne Einwanderungsgeschichte. In Deutschland hat sich dem Statistischen Bundesamt zufolge seit 2013 die Wahlbeteiligung von Wahlberechtigten mit Einwanderungsgeschichte kontinuierlich gesteigert und zuletzt an die von Wahlberechtigten ohne Einwanderungsgeschichte angenähert. So gaben in einer Nachwahlbefragung zur Bundestagswahl 2021 88,4 Prozent der befragten Wahlberechtigten mit Einwanderungsgeschichte an, gewählt zu haben. Unter Wahlberechtigten ohne Einwanderungsgeschichte traf dies auf 95,2 Prozent der Befragten zu. Damit lagen die Werte beider Gruppen vor vier Jahren nur noch 6,8 Prozentpunkte auseinander. Zum Vergleich: Bei der Bundestagswahl 2013 hatte die Differenz noch 28,2 Prozentpunkte betragen. Unterschiede zwischen verschiedenen Herkunftsgruppen lassen sich aus diesen Daten nicht ablesen.

Welchen Parteien geben Menschen mit Einwanderungsgeschichte ihre Stimme?

Genau wie in der Bevölkerung ohne Einwanderungsgeschichte sind die Parteipräferenzen von Eingewanderten und ihren Nachkommen heterogen, zumal sich die Parteienlandschaft in den vergangenen 30 Jahren deutlich verändert hat. Traditionell gaben (Spät-)Aussiedler:innen überproportional häufig der CDU/CSU ihre Stimme. Menschen aus den ehemaligen Anwerbeländern von Gastarbeiter:innen wie der Türkei und Italien bevorzugten die SPD. Externer Link: Dieses Muster ist weiterhin erkennbar, wenn auch nicht mehr so ausgeprägt. Stattdessen konnten zunächst die GRÜNEN und die FDP, später dann Die Linke und die AfD Stimmen aus den Reihen der Wahlberechtigten mit Einwanderungsgeschichte für sich gewinnen. Insgesamt haben Parteibindungen nachgelassen, das Wahlverhalten ist wie bei Menschen ohne Migrationshintergrund fluider/flexibler geworden. In einer Externer Link: Analyse von Befragungsdaten des DeZIM.panels, die im Zeitraum Dezember 2023 bis März 2024 erhoben wurden, hatten die SPD gefolgt von CDU/CSU sowohl unter den Befragten mit als auch ohne Interner Link: Migrationshintergrund das höchste Wähler:innenpotenzial, die AfD das niedrigste. Menschen mit Herkunftsbezügen zur MENA-Region/Türkei konnten sich in der Befragung am ehesten vorstellen, neben der SPD und der CDU/CSU die Parteien Die LINKE und BSW zu wählen. Bei Menschen mit Bezügen zur ehemaligen Sowjetunion führt die CDU/CSU das Feld vor der SPD an – während die AfD hier auf ihr größtes Wähler:innenpotenzial kommt und dennoch auch in dieser Gruppe das Schlusslicht ist. Die FDP hat über alle Gruppen hinweg im Vergleich geringe Unterschiede. Die GRÜNEN kommen bei Menschen mit Migrationshintergrund, die nicht aus EU-Staaten kommen, auf deutlich niedrigere Wähler:innenpotenziale als bei Befragten ohne Migrationshintergrund. Die Autor:innen der Studie schlussfolgern, dass Menschen mit Bezügen zur ehemaligen Sowjetunion eher zu (rechts-)konservativen Parteien neigen, während Menschen mit Herkunftsbezügen zur Türkei oder zu arabischen Staaten eher linke Parteien bevorzugen.

Was bedeutet Wählerpotenzial?

Befragungen zum Wählerpotenzial fragen Menschen danach, wie wahrscheinlich es ist, dass sie einer Partei bei einer Wahl ihre Stimme geben würden. Im DeZIM.Panel gab es dazu eine sieben-stufige Antwort-Skala, die von „Ich würde diese Partei mit Sicherheit wählen“ (7) bis hin zu „Ich würde diese Partei mit Sicherheit nicht wählen“ (1) reichte. Als Wählerpotenzial einer Partei sieht die Analyse des DeZIM.Panels jede befragte Person, die mindestens mit 3 oder höher auf dieser Skala geantwortet hat.

Wer zählt zur Bevölkerung mit Migrationshintergrund?

Der „Migrationshintergrund“ ist ein statistisches Konzept. In der Bevölkerungsstatistik des Statistischen Bundesamtes wird Personen ein Migrationshintergrund zugeschrieben, die selbst nicht seit Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen oder mindestens ein Elternteil haben, auf das dies zutrifft. Worin genau die Unterschiede zum statistischen Konzept der Bevölkerung mit Einwanderungsgeschichte liegen, erklären wir Interner Link: hier.

Welche Faktoren wirken sich positiv auf die Wahlteilnahme aus?

Mit Blick auf die Bevölkerung mit und ohne Einwanderungsgeschichte gibt es Externer Link: Faktoren, die sich positiv auf die Wahlteilnahme auswirken. Dazu zählen etwa (formale) Bildung, höheres Lebensalter, Einkommen und berufliche Integration, politische Bildung und politisches Wissen, Vertrauen in die Demokratie. Für Eingewanderte und ihre Nachkommen treten Externer Link: weitere Faktoren hinzu, unter anderem:

  • Deutschkenntnisse,

  • Aufenthaltsdauer,

  • soziale Einbindung und Kontakte zu Menschen, die zur Wahl gehen und darüber sprechen,

  • persönliche Ansprache durch Parteien/Kandidat:innen,

  • Sozialisation in einem demokratischen Land und

  • Gefühl der Zugehörigkeit zum Gemeinwesen.

Das Fehlen dieser Ressourcen sowie Diskriminierungserfahrungen können sich hingegen negativ auf die Wahlteilnahme auswirken.

Was ist über die parlamentarische Repräsentation von Eingewanderten und ihren Nachkommen bekannt?

In Parlamenten werden zentrale politische Entscheidungen getroffen. Politische Integration bedeutet auch, an diesen Entscheidungsprozessen teilzuhaben.

Der Anteil von Abgeordneten mit Migrationshintergrund in Deutschland ist seit 1990 stetig gestiegen – sowohl in den Landesparlamenten als auch im Deutschen Bundestag. Auf dieses Ergebnis kommt eine Externer Link: Studie im Auftrag der Robert-Bosch-Stiftung. Ende 2021 hatten demnach rund elf Prozent der Abgeordneten im Bundestag einen Migrationshintergrund, in den Landesparlamenten waren es etwas mehr als sieben Prozent. Das ist deutlich geringer als der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund an der Gesamtbevölkerung (2021: 27,2 Prozent).

Im Deutschen Bundestag hatte Interner Link: 2021 die Fraktion Die Linke den höchsten Anteil von Abgeordneten mit Migrationshintergrund (28,2 Prozent), gefolgt von den Fraktionen der SPD (17,0 Prozent), der GRÜNEN (14,4 Prozent), der AfD (7,2 Prozent) und der FDP (5,4 Prozent). Den niedrigsten Anteil hatte die CDU/CSU-Fraktion (4,6 Prozent). In den Parlamenten der Stadtstaaten Hamburg (21,1 Prozent), Bremen (19,0 Prozent) und Berlin (17,0 Prozent) gab es einen höheren Anteil an Abgeordneten mit Migrationshintergrund als in den Landtagen der westdeutschen Flächenstaaten (Anteile zwischen 11,7 Prozent in Baden-Württemberg und 2,0 Prozent im Saarland). In den ostdeutschen Bundesländern war der Anteil an Abgeordneten mit Migrationshintergrund mit 1,5 Prozent am niedrigsten (1,3 Prozent in Mecklenburg-Vorpommern, 0,8 Prozent in Sachsen). Allerdings gibt es in den Bevölkerungen der ostdeutschen Bundesländer auch deutlich niedrige Anteile von Menschen mit Migrationshintergrund.

Welche Themen bewegen Menschen mit Einwanderungsgeschichte vor der Bundestagswahl 2025?

Wirtschaft und Inflation sind gesellschaftliche und politische Themen, die sowohl Menschen mit als auch ohne Migrationshintergrund 2024 am stärksten bewegt haben, wie das oben bereits erwähnte Externer Link: DeZIM.panel zeigt. Auch Migration und der soziale Zusammenhalt werden übergreifend als wichtige Themen genannt. Von Menschen mit Bezügen zur MENA-Region/Türkei wird zudem Rechtsextremismus als dritthäufigstes „größtes politisches Problem in Deutschland“ genannt. Menschen mit Migrationshintergrund machen sich im Vergleich häufiger Sorgen um die eigene wirtschaftliche und Wohnsituation, ihre Altersversorgung und darum, Opfer von Kriminalität zu werden.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Die Zahlen leiten sich aus dem Mikrozensus 2023 ab. Es handelt sich um Näherungswerte, weil neuere Zahlen z.B. aus dem Mikrozensus 2024 noch nicht vorliegen.

  2. MENA steht für „Middle East and North Africa”, also für eine Region, die Staaten des Nahen Ostens und Nordafrikas umfasst.

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Dieser Text ist unter der Creative Commons Lizenz "CC BY-NC-ND 4.0 - Namensnennung - Nicht kommerziell - Keine Bearbeitungen 4.0 International" veröffentlicht. Autor/-in: Vera Hanewinkel für bpb.de

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Vera Hanewinkel ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück.