Wie viele Menschen mit Einwanderungsgeschichte sind wahlberechtigt?
In Deutschland haben rund 17,1 Millionen Menschen ab 18 Jahren eine Einwanderungsgeschichte.
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Am 23. Februar ist Bundestagswahl. Ein wachsender Teil der Wahlberechtigten hat eine Einwanderungsgeschichte. Was ist über die politische Partizipation dieser Menschen bekannt?
In Deutschland haben rund 17,1 Millionen Menschen ab 18 Jahren eine Einwanderungsgeschichte.
Demgegenüber haben rund zehn Millionen volljährige Menschen mit Einwanderungsgeschichte in Deutschland – aber ohne deutsche Staatsbürgerschaft – kein Wahlrecht bei Bundestagswahlen. Auch wenn sie teilweise schon seit Jahrzehnten in Deutschland leben, sind ihre politischen Mitbestimmungsmöglichkeiten in dieser Hinsicht eingeschränkt.
Die Externer Link: Zahl der Wahlberechtigten mit Einwanderungsgeschichte dürfte in Zukunft weiter steigen, da es gerade unter Kindern und Jugendlichen einen hohen Anteil an Personen mit Einwanderungsgeschichte gibt. Zudem hat die
Das Statistische Bundesamt zählt solche Personen zur Bevölkerung mit
Studien zeigen: In fast allen Ländern nehmen Eingewanderte und ihre Nachkommen seltener an Wahlen teil als Menschen ohne Einwanderungsgeschichte. In Deutschland hat sich dem Statistischen Bundesamt zufolge seit 2013 die Wahlbeteiligung von Wahlberechtigten mit Einwanderungsgeschichte kontinuierlich gesteigert und zuletzt an die von Wahlberechtigten ohne Einwanderungsgeschichte angenähert. So gaben in einer Nachwahlbefragung zur Bundestagswahl 2021 88,4 Prozent der befragten Wahlberechtigten mit Einwanderungsgeschichte an, gewählt zu haben. Unter Wahlberechtigten ohne Einwanderungsgeschichte traf dies auf 95,2 Prozent der Befragten zu. Damit lagen die Werte beider Gruppen vor vier Jahren nur noch 6,8 Prozentpunkte auseinander. Zum Vergleich: Bei der Bundestagswahl 2013 hatte die Differenz noch 28,2 Prozentpunkte betragen. Unterschiede zwischen verschiedenen Herkunftsgruppen lassen sich aus diesen Daten nicht ablesen.
Genau wie in der Bevölkerung ohne Einwanderungsgeschichte sind die Parteipräferenzen von Eingewanderten und ihren Nachkommen heterogen, zumal sich die Parteienlandschaft in den vergangenen 30 Jahren deutlich verändert hat. Traditionell gaben (Spät-)Aussiedler:innen überproportional häufig der CDU/CSU ihre Stimme. Menschen aus den ehemaligen Anwerbeländern von Gastarbeiter:innen wie der Türkei und Italien bevorzugten die SPD. Externer Link: Dieses Muster ist weiterhin erkennbar, wenn auch nicht mehr so ausgeprägt. Stattdessen konnten zunächst die GRÜNEN und die FDP, später dann Die Linke und die AfD Stimmen aus den Reihen der Wahlberechtigten mit Einwanderungsgeschichte für sich gewinnen. Insgesamt haben Parteibindungen nachgelassen, das Wahlverhalten ist wie bei Menschen ohne Migrationshintergrund fluider/flexibler geworden. In einer Externer Link: Analyse von Befragungsdaten des DeZIM.panels, die im Zeitraum Dezember 2023 bis März 2024 erhoben wurden, hatten die SPD gefolgt von CDU/CSU sowohl unter den Befragten mit als auch ohne
Befragungen zum Wählerpotenzial fragen Menschen danach, wie wahrscheinlich es ist, dass sie einer Partei bei einer Wahl ihre Stimme geben würden. Im DeZIM.Panel gab es dazu eine sieben-stufige Antwort-Skala, die von „Ich würde diese Partei mit Sicherheit wählen“ (7) bis hin zu „Ich würde diese Partei mit Sicherheit nicht wählen“ (1) reichte. Als Wählerpotenzial einer Partei sieht die Analyse des DeZIM.Panels jede befragte Person, die mindestens mit 3 oder höher auf dieser Skala geantwortet hat.
Der „Migrationshintergrund“ ist ein statistisches Konzept. In der Bevölkerungsstatistik des Statistischen Bundesamtes wird Personen ein Migrationshintergrund zugeschrieben, die selbst nicht seit Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen oder mindestens ein Elternteil haben, auf das dies zutrifft. Worin genau die Unterschiede zum statistischen Konzept der Bevölkerung mit Einwanderungsgeschichte liegen, erklären wir
Mit Blick auf die Bevölkerung mit und ohne Einwanderungsgeschichte gibt es Externer Link: Faktoren, die sich positiv auf die Wahlteilnahme auswirken. Dazu zählen etwa (formale) Bildung, höheres Lebensalter, Einkommen und berufliche Integration, politische Bildung und politisches Wissen, Vertrauen in die Demokratie. Für Eingewanderte und ihre Nachkommen treten Externer Link: weitere Faktoren hinzu, unter anderem:
Deutschkenntnisse,
Aufenthaltsdauer,
soziale Einbindung und Kontakte zu Menschen, die zur Wahl gehen und darüber sprechen,
persönliche Ansprache durch Parteien/Kandidat:innen,
Sozialisation in einem demokratischen Land und
Gefühl der Zugehörigkeit zum Gemeinwesen.
Das Fehlen dieser Ressourcen sowie Diskriminierungserfahrungen können sich hingegen negativ auf die Wahlteilnahme auswirken.
In Parlamenten werden zentrale politische Entscheidungen getroffen. Politische Integration bedeutet auch, an diesen Entscheidungsprozessen teilzuhaben.
Der Anteil von Abgeordneten mit Migrationshintergrund in Deutschland ist seit 1990 stetig gestiegen – sowohl in den Landesparlamenten als auch im Deutschen Bundestag. Auf dieses Ergebnis kommt eine Externer Link: Studie im Auftrag der Robert-Bosch-Stiftung. Ende 2021 hatten demnach rund elf Prozent der Abgeordneten im Bundestag einen Migrationshintergrund, in den Landesparlamenten waren es etwas mehr als sieben Prozent. Das ist deutlich geringer als der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund an der Gesamtbevölkerung (2021: 27,2 Prozent).
Im Deutschen Bundestag hatte
Wirtschaft und Inflation sind gesellschaftliche und politische Themen, die sowohl Menschen mit als auch ohne Migrationshintergrund 2024 am stärksten bewegt haben, wie das oben bereits erwähnte Externer Link: DeZIM.panel zeigt. Auch Migration und der soziale Zusammenhalt werden übergreifend als wichtige Themen genannt. Von Menschen mit Bezügen zur MENA-Region/Türkei wird zudem Rechtsextremismus als dritthäufigstes „größtes politisches Problem in Deutschland“ genannt. Menschen mit Migrationshintergrund machen sich im Vergleich häufiger Sorgen um die eigene wirtschaftliche und Wohnsituation, ihre Altersversorgung und darum, Opfer von Kriminalität zu werden.
Vera Hanewinkel ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück.