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Rückkehr nach Syrien? | Migrationspolitik – Monatsrückblick | bpb.de

Migrationspolitik – Monatsrückblick Juni 2024 Migrationspolitik – Mai 2024 Rückkehr nach Syrien?

Rückkehr nach Syrien? Migrationspolitik im Fokus

Vera Hanewinkel

/ 5 Minuten zu lesen

Seit dem Sturz des Assad-Regimes in Syrien gibt es in vielen Ländern eine Debatte zur Rückkehr syrischer Geflüchteter. Was ist über die syrische Bevölkerung in Deutschland bekannt?

Nach dem Sturz des Assad-Regimes in Syrien stellt sich für viele Syrer/-innen die die Frage: Gehen oder bleiben? Viele der nach Deutschland Geflüchteten sprechen inzwischen Deutsch und gehen einer Beschäftigung nach – hier ein Auszubildender bei den Stadtwerken Flensburg. (© picture-alliance/dpa, Christian Charisius)

Nach 13 Jahren Bürgerkrieg in Syrien ist das Regime des langjährigen Diktators Baschar al-Assad Anfang Dezember 2024 von Rebellen unter Führung der islamistischen Miliz Hajat Tahrir al-Scham (HTS) Interner Link: gestürzt worden. Seither gibt es in Deutschland und vielen anderen Ländern eine Debatte über den Umgang mit geflüchteten syrischen Staatsangehörigen.

Flucht vor dem syrischen Bürgerkrieg

Als 2011 der Interner Link: „Arabische Frühling“ auch in Syrien friedliche Proteste auslöste, wurden diese vom Assad-Regime brutal niedergeschlagen. In der Folge brach in Syrien ein Interner Link: Bürgerkrieg aus, in den sich über die Jahre auch ausländische Akteure wie die Türkei, Russland und Iran einmischten. Der Krieg trieb Millionen Menschen zur Flucht: Externer Link: Mehr als sieben Millionen Syrerinnen und Syrer galten Ende 2023 als Binnenvertriebene. Weitere Externer Link: 6,5 Millionen Menschen waren aus Syrien geflüchtet und hatten in anderen Ländern Schutz gesucht. Allein in Syriens Nachbarländern lebten Ende 2023 rund fünf Millionen syrische Flüchtlinge, insbesondere in der Türkei (3,2 Millionen), Libanon (784.900) und Jordanien (649.100).

Syrerinnen und Syrer in Deutschland

Außerhalb der Region hat sich Deutschland – mit Blick auf absolute Zahlen – zu einem der Hauptaufnahmeländer syrischer Schutzsuchender entwickelt. Zehn Jahre lang (2014-2024) war Syrien durchgehend das Hauptherkunftsland von Asylsuchenden in Deutschland.

Ende 2023 waren nach Angaben des Statistischen Bundesamtes rund Externer Link: 712.000 syrische Schutzsuchende im Ausländerzentralregister erfasst, zwölf Prozent davon waren in Deutschland geboren worden. Insgesamt hatten 88 Prozent der syrischen Schutzsuchenden einen anerkannten Schutzstatus, darunter rund 279.000 Personen mit einem Flüchtlingsstatus nach der Interner Link: Genfer Flüchtlingskonvention (39 Prozent aller syrischen Schutzsuchenden) und rund 240.000 mit subsidiärem Schutz (34 Prozent). Syrische Staatsangehörige stellen nach Ukrainer:innen die zweitgrößte Gruppe Schutzsuchender in Deutschland.

Bei Schutzsuchenden handelt es sich um ausländische Staatsangehörige, die sich unter Berufung auf völkerrechtliche, humanitäre oder politische Gründe in Deutschland aufhalten. Nicht erfasst in diesen Zahlen sind syrische Staatsangehörige, die mit einer anderen Aufenthaltserlaubnis in Deutschland leben, etwa mit einem Aufenthaltstitel zu Erwerbszwecken. Insgesamt lebten daher Ende 2023 rund Externer Link: 972.000 syrische Staatsangehörige in der Bundesrepublik – 80.505 davon besaßen ein unbefristetes Aufenthaltsrecht.

Ebenfalls nicht erfasst in den Zahlen zu Schutzsuchenden sind syrische Geflüchtete, die inzwischen die deutsche Staatsangehörigkeit haben. Allein 2023 ließen sich mehr als 75.000 Syrerinnen und Syrer in Deutschland einbürgern, Externer Link: in den vergangenen 10 Jahren waren es rund 165.000.

Insgesamt lebten laut Mikrozensus 2023 knapp 1,3 Millionen Menschen in Deutschland, die selbst (82 Prozent) oder deren beide Elternteile (18 Prozent) aus Syrien stammen. Von ihnen besaßen rund 214.000 einen deutschen Pass.

Die syrische Bevölkerung ist deutlich jünger als die Gesamtbevölkerung: Externer Link: Der Altersdurchschnitt lag Ende 2023 bei 26,2 Jahren (Externer Link: Gesamtbevölkerung: 44,6 Jahre). Externer Link: 57 Prozent der in Deutschland lebenden syrischen Bevölkerung sind Männer.

Syrerinnen und Syrer am deutschen Arbeitsmarkt und im Bildungssystem

Im September 2024 waren nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit rund 287.000 syrische Staatsangehörige beschäftigt, davon 236.000 sozialversicherungspflichtig. Sie machen damit rund 4,5 Prozent der in Deutschland beschäftigten ausländischen Staatsangehörigen aus. Ihre Beschäftigungsquote lag bei 41,7 Prozent (zum Vergleich: durchschnittliche Beschäftigungsquote der ausländischen Bevölkerung: 56 Prozent). Die Beschäftigung steigt mit zunehmender Aufenthaltsdauer. Externer Link: Sie unterscheidet sich stark nach Geschlecht: Sieben Jahre nach ihrem Zuzug übten 73 Prozent der geflüchteten syrischen Männer eine bezahlte abhängige oder selbstständige Tätigkeit aus – bei den geflüchteten syrischen Frauen waren es nur 29 Prozent. Zum Vergleich: Durchschnittlich waren 2023 rund 72 Prozent aller Frauen in Deutschland erwerbstätig.

Die Unterschiede zwischen den Geschlechtern lassen sich unter anderem darauf zurückführen, dass geflüchtete Frauen häufiger familiäre Sorgearbeit (zum Beispiel für Kleinkinder im Haushalt) übernehmen und seltener Sprachekurse sowie Bildungs- und Beratungsangebote in Anspruch nehmen. Zudem waren sie Externer Link: im Herkunftsland seltener erwerbstätig als Männer und haben häufig in Berufen gearbeitet, die sie in Deutschland nur ausüben dürfen, wenn ihre Berufserfahrungen als gleichwertig mit einem deutschen Abschluss anerkannt werden (z. B. im Erziehungs- und Bildungswesen).

Sechs von zehn der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Syrer:innen üben eine qualifizierte Tätigkeit aus – also eine Tätigkeit, die eine akademische oder Berufsausbildung erfordert. Die meisten von ihnen arbeiten in Produktions- und Herstellungsberufen, im Verkehr- & Logistikbereich- sowie in Gesundheitsberufen. 53.600 Syrerinnen und Syrern arbeiteten im Mai 2024 in Berufen, in denen dringend Fachkräfte benötigt werden (sogenannte Engpassberufe), vor allem in der Fahrzeugtechnik, im öffentlichen Nahverkehr oder im medizinischen Bereich. Syrer:innen bilden nach Angaben der Bundesärztekammer mit Externer Link: 5.758 Personen inzwischen die größte Gruppe unter in Deutschland tätigen ausländischen Ärzten (Stand: 31.12.2023).

Im Schuljahr 2023/2024 besuchten knapp Externer Link: 1,4 Millionen ausländische Schüler:innen allgemeinbildende Schulen in Deutschland, darunter waren rund 206.000 syrische Kinder und Jugendliche. Weitere gut Externer Link: 56.100 syrische Staatsangehörige besuchten eine berufsbildende Schule.

Rückkehr nach Syrien?

Seit 2012 gab es keine Abschiebungen aus Deutschland nach Syrien, weil die Bundesregierung weder diplomatische Beziehungen mit dem Assad-Regime unterhielt, noch die menschenrechtliche und sicherheitspolitische Situation in Syrien Rückführungen zuließen. Zudem haben die meisten syrischen Geflüchteten einen Schutzstatus und damit ein humanitäres Aufenthaltsrecht in Deutschland erhalten. Nach dem Sturz des syrischen Regimes Ende 2024 hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Entscheidungen über Asylanträge von syrischen Staatsangehörigen vorübergehend ausgesetzt.

Das Auswärtige Amt und das Bundesinnenministerium beobachten und bewerten derzeit die Entwicklungen in Syrien. Auf der Basis eines solchen Lagebilds kann das BAMF dann auch prüfen, ob im jeweiligen Einzelfall die Gründe für einen erteilten Schutzstatus weiterhin existieren. Ist das nicht der Fall, kann der Schutzstatus widerrufen werden. Dies ist nicht kurzfristig möglich, denn ein Widerruf setzt nach dem Externer Link: Asylgesetz voraus, dass die Veränderung der Umstände im Herkunftsland „nicht nur vorübergehend“ ist. Das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) Externer Link: sieht die Voraussetzungen für einen Entzug etwa des Flüchtlingsstatus derzeit nicht gegeben und ruft die Staaten weiterhin dazu auf, syrische Staatsangehörige vorerst nicht abzuschieben. UNHCR Externer Link: rechnet im Zeitraum Januar bis Juni 2025 dennoch mit gut einer Million Rückkehrer:innen insbesondere aus den direkten Nachbarländern Syriens.

Aktuelle Entwicklungen in Syrien

Infolge des langen Bürgerkriegs sind weite Teile Syriens zerstört, die Wirtschaft liegt am Boden. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind rund Externer Link: 16,7 Millionen Menschen (90 Prozent der Bevölkerung) auf humanitäre Hilfe angewiesen. Nach dem Ende der 50-jährigen Herrschaft des Assad-Clans sind viele Fragen zur politischen Zukunft des Landes noch ungeklärt. Die neuen syrischen Machthaber unter Ahmed al-Scharaa , dem Anführer der islamistischen HTS-Miliz, geben sich aktuell betont gemäßigt und haben damit begonnen, eine Übergangsregierung zu bilden. In welche Richtung sich die Situation in Syrien entwickelt, ist derzeit noch völlig offen.

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Vera Hanewinkel ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück.