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Migrationspolitik – Juli und August 2024 | Migrationspolitik – Monatsrückblick | bpb.de

Migrationspolitik – Monatsrückblick Juni 2024 Migrationspolitik – Mai 2024

Migrationspolitik – Juli und August 2024

Vera Hanewinkel

/ 11 Minuten zu lesen

Nach einem tödlichen Messerangriff in Solingen will die Bundesregierung das Asylrecht verschärfen. Ein Gerichtsurteil stellt subsidiären Schutz für Syrer infrage.

Tor an der Einfahrt zum Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Nürnberg. (© picture-alliance, Geisler-Fotopress | Christoph Hardt)

Nach tödlicher Messerattacke: Bundesregierung will Asylrecht verschärfen

Die Bundesregierung Externer Link: hat sich auf ein sicherheitspolitisches Maßnahmenpaket geeinigt, das Verschärfungen bei der Migrations- und Asylpolitik vorsieht. Sie reagierte damit auf einen von einem syrischen Tatverdächtigen verübten, mutmaßlich islamistisch motivierten Terroranschlag auf einem Stadtfest im nordrhein-westfälischen Solingen. Die Tat hatte zu intensiven politischen Debatten um Abschiebungen und die Einschränkung des Asylrechts geführt.

Die nun von der Bundesregierung vorgestellten Maßnahmen zielen vor allem auf strengere aufenthaltsrechtliche Bestimmungen. So sollen Asylsuchende, die bereits in einem anderen EU-Land registriert wurden, das Interner Link: nach Dublin-III-Verordnung für das Asylverfahren zuständig wäre, in Deutschland keine Leistungen mehr erhalten. Zudem will die Bundesregierung eine Task Force von Bund und Ländern einrichten, damit zukünftig mehr dieser sogenannten Dublin-Fälle in die zuständigen EU-Staaten zurückgeführt werden. Bislang scheitern viele dieser Rückführungen. Zudem sollen Geflüchtete, die ohne zwingenden Grund (wie etwa die Beerdigung naher Angehöriger) in ihr Herkunftsland reisen, ihren Schutzstatus als Flüchtling oder subsidiär Schutzberechtigte in Zukunft verlieren. Daneben will die Bundesregierung auch das Waffenrecht verschärfen – insbesondere mit Blick auf das Mitführen von Messern – und den Sicherheitsbehörden zusätzliche Befugnisse einräumen, um Interner Link: Islamismus besser bekämpfen zu können.

Am 23. August hatte ein 26-jähriger Syrer auf dem Fest zum 650-jährigen Bestehen der Stadt Solingen mit einem Messer auf Besucher:innen eingestochen. Drei Menschen starben, acht weitere wurden zum Teil schwer verletzt. Der Tatverdächtige war 2022 nach Deutschland eingereist und hatte einen Asylantrag gestellt. Das zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hatte die inhaltliche Prüfung des Asylantrags zunächst abgelehnt, da der Mann zuvor schon in Bulgarien als asylsuchend registriert worden war. Nach den in der EU geltenden Dublin-Regeln wäre damit Bulgarien für die Bearbeitung des Asylantrags zuständig gewesen und der Mann hätte dorthin überstellt werden müssen. Der Syrer war von den Beamt:innen der zuständigen Ausländerbehörde aber nicht in seiner Unterkunft angetroffen worden. Ein weiterer Abschiebungsversuch war unter anderem wegen einer mangelnden Abstimmung zwischen verschiedenen deutschen Behörden nicht zustande gekommen, weshalb die vorgesehene Überstellungsfrist von sechs Monaten nicht auf maximal 18 Monate ausgeweitet worden und das Asylverfahren schließlich doch in Deutschland durchgeführt worden war. Der Mann hatte einen Schutzstatus erhalten. Er soll der Ideologie der Terrororganisation Interner Link: „Islamischer Staat“ (IS) nahestehen, die den Angriff für sich reklamierte. Der Tatverdächtige war vor der Tat weder beim Verfassungsschutz noch kriminalpolizeilich aktenkundig gewesen.

Erst Ende Mai hatte ein 25-jähriger Mann aus Afghanistan im baden-württembergischen Mannheim auf einer Kundgebung der islamkritischen Bewegung Pax Europa (BPE) fünf Personen mit einem Messer schwer verletzt und einen Polizisten getötet. Die Tat hatte eine intensive Debatte über Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan ausgelöst. Ende August gab es erstmals seit der Machtübernahme durch die Interner Link: radikal-islamischen Taliban im August 2021 wieder einen Abschiebeflug aus Deutschland nach Kabul. An Bord waren nach Angaben der Bundesregierung 28 afghanische Straftäter. Abgeschoben werden dürfen auch Straftäter:innen gemäß Völkerrecht nur dann, wenn ihnen im Herkunftsland keine Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht.

Gerichtsurteil stellt bürgerkriegsbedingten subsidiären Schutz für syrische Geflüchtete infrage

In Interner Link: Syrien bestehe aktuell „keine bürgerkriegsbedingte ernsthafte allgemeine Gefahr für Leib und Leben der Zivilbevölkerung“. Das Externer Link: hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) für das Land Nordrhein-Westfalen Ende Juli entschieden und damit die Praxis des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) infrage gestellt, syrischen Staatsangehörigen Interner Link: subsidiären Schutz zu gewähren.

Geklagt hatte ein syrischer Staatsangehöriger aus der im Nordosten Syriens gelegenen Provinz Hasaka. Er hatte 2014 eine befristete humanitäre Aufenthaltserlaubnis in Deutschland erhalten. 2015 wurde der Mann aufgrund eines österreichischen Haftbefehls in Deutschland verhaftet. Angesichts der drohenden Auslieferung nach Österreich stellte er einen Asylantrag. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) stellte das Asylverfahren ein, nachdem der Mann an Österreich ausgeliefert und dort wegen Schlepperei zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt worden war. Nach Entlassung aus der Haft stellte er 2017 erneut einen Asylantrag in Deutschland. Das BAMF erkannte zwar ein Abschiebehindernis an, schloss ihn aber mit dem Hinweis auf die von ihm begangene Straftat von der Zuerkennung von Asyl, der Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärem Schutz aus.

Gegen diese Entscheidung hatte der Syrer geklagt. Das zuständige Verwaltungsgericht verpflichtete daraufhin das BAMF, dem Mann die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen: Ihm drohe bei einer Rückkehr nach Syrien Verfolgung. Das BAMF legte gegen diese Entscheidung Berufung ein. Externer Link: Das OVG in Münster entschied nun, dass weder eine individuelle Verfolgung als Voraussetzung für die Flüchtlingseigenschaft gegeben sei, noch eine bürgerkriegsbedingte pauschale Gefährdung subsidiären Schutz rechtfertige. Zudem sei gemäß Asylrecht die Zuerkennung sowohl der Flüchtlingseigenschaft als auch des subsidiären Schutzes wegen der zuvor begangenen Straftat auszuschließen.

Welche Konsequenzen das Urteil für syrische Geflüchtete hat und ob sich die Entscheidungspraxis des BAMF grundlegend ändern wird, ist noch unklar. Neu einreisende Asylsuchende aus Syrien können nach Externer Link: Einschätzung des Sachverständigenrats für Integration und Migration (SVR) nun nicht mehr mit Hinweis auf eine allgemeine bürgerkriegsbedingte Gefährdungslage subsidiären Schutz erhalten. Bei bereits mit subsidiärem Schutzstatus in Deutschland lebenden Personen könnte das BAMF nun Verfahren zum Widerruf dieses humanitären Aufenthaltstitels anstreben – was aber mit einem hohen Aufwand verbunden wäre. Nach einer Externer Link: Analyse des Mediendienstes Integration habe das BAMF die Zuerkennung des subsidiären Schutzes in den vergangenen Jahren allerdings kaum noch mit der allgemeinen Bedrohung durch den Bürgerkrieg in Syrien begründet, sondern deutlich häufiger die Gefahr der „Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung und Bestrafung“ anerkannt, die Syrerinnen und Syrern im Land drohe.

AsylgesetzSubsidiärer Schutz, § 4 Absatz 1 und 2 AsylG

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht.

Als ernsthafter Schaden gilt:

  1. die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,

  2. Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder

  3. eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

  1. ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,

  2. eine schwere Straftat begangen hat,

  3. sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder

  4. eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

[...]

Quelle: Externer Link: https://www.gesetze-im-internet.de/asylvfg_1992/__4.html

In Deutschland lebten Ende 2023 rund 712.000 syrische Schutzsuchende. Die meisten davon (rund 562.000) hatten einen befristet anerkannten Schutzstatus. Rund 240.000 syrische Staatsangehörige waren subsidiär schutzberechtigt.

OECD bewertet Integration in Deutschland vergleichsweise positiv

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) bewertet viele Entwicklungen hinsichtlich der Integration in Deutschland als vergleichsweise positiv, macht aber auch auf einige Herausforderungen aufmerksam. Das geht aus einem Externer Link: Bericht der Organisation hervor. Demnach sei die Erwerbstätigenquote von Eingewanderten 2022 mit 70 Prozent deutlich höher gewesen als in den meisten anderen Vergleichsländern in der EU. Zudem hätten sich die Sprachkenntnisse von in Deutschland lebenden Eingewanderten stärker verbessert als in den meisten anderen EU-Staaten. Handlungsbedarf sieht die OECD hingegen bei Migrant:innen mit geringem Bildungsniveau. Nur die Hälfte der Eingewanderten, die höchstens über Grundschulbildung verfügen, sei erwerbstätig und nur gut ein Viertel von ihnen habe nach fünf Aufenthaltsjahren fortgeschrittene Deutschkenntnisse. Der Aus- und Weiterbildung von Erwachsenen müsse mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Ein Drittel der hochqualifizierten Eingewanderten arbeite zudem in Deutschland unterhalb ihres Qualifikationsniveaus. Dies liege auch daran, dass ihre Qualifikationen von Arbeitgeber:innen häufig nicht anerkannt würden. Darüber hinaus seien die Bildungsergebnisse von selbst zugewanderten Schüler:innen in Deutschland schlechter als in anderen Ländern. Auch hier sieht die OECD Nachbesserungsbedarf.

Externer Link: Den Ergebnissen der jüngsten Volkszählung zufolge lebten am 15. Mai 2022 15,6 Millionen eingewanderte Menschen in Deutschland. Das entsprach knapp 19 Prozent der Gesamtbevölkerung.

Britische Regierung stoppt Pläne für Abschiebungen nach Ruanda

Die Interner Link: neue britische Regierung unter dem sozialdemokratischen Premierminister Keir Starmer hat die von der konservativen Vorgängerregierung vorangetriebenen Pläne gestoppt, irregulär eingereiste Migrant:innen nach Ruanda abzuschieben. Eine Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten („offshore processing“) lehnt aber auch die neue Regierung nicht kategorisch ab. Externer Link: Premier Starmer will irreguläre Migration bereits in den Herkunftsregionen bremsen und für dieses Vorhaben 84 Millionen Pfund (knapp 99 Millionen Euro) zur Verfügung stellen. Außerdem kündigte er an, in Migrationsfragen zukünftig wieder enger mit der Europäischen Union zusammenzuarbeiten, Interner Link: aus der das Vereinigte Königreich zum 1. Februar 2020 ausgetreten war. So strebt er langfristig beispielsweise ein Rücknahmeabkommen mit der EU an, um die Interner Link: irreguläre Migration über den Ärmelkanal zu reduzieren. Außerdem will er zusammen mit europäischen Partnern und der europäischen Polizeibehörde Interner Link: Europol der Schleusung von Menschen entgegenwirken. Dazu sollen 100 neue Ermittlungsbeamt:innen eingesetzt werden. Dies kündigte die britische Innenministerin Yvette Cooper im August im Zuge der Externer Link: Vorstellung neuer Maßnahmen zur Verstärkung des Grenzschutzes an. Demnach will die britische Regierung mehr Abschiebungen durchsetzen, indem sie unter anderem die Abschiebehaftplätze aufgestockt. Auch sollen Arbeitgeber härter für illegale Beschäftigung bestraft werden.

Für das nun gestoppte Vorhaben, irregulär eingereiste Menschen nach Ruanda abzuschieben, hatte das Vereinigte Königreich bereits 270 Millionen Pfund (umgerechnet rund 321 Millionen Euro) an Ruanda überwiesen, keine einzige Person wurde jedoch tatsächlich dorthin verbracht. Der britische Supreme Court Interner Link: hatte die Abschiebepläne im November 2023 mit Verweis auf mögliche Verstöße gegen den Non-Refoulement-Grundsatz im Asylrecht gestoppt. Die Tory-Regierung unter Premier Rishi Sunak brachte als Reaktion auf die Gerichtsentscheidung ein Gesetz durchs Parlament, welches Ruanda zu einem sicheren Land erklärte und Abschiebungen dorthin ab Sommer 2024 ermöglichen sollte. Im Mai 2024 hatte Sunak überraschend Neuwahlen für den 4. Juli angekündigt. Interner Link: Bei der Wahl hatte die oppositionelle Labour-Partei die absolute Mehrheit erreicht.

BKA und Bundespolizei erfassen mehr Schleusungen von ausländischen Staatsangehörigen

In Deutschland wurden 2023 mehr Fälle der Einschleusung von ausländischen Staatsangehörigen verzeichnet als im Vorjahr. Das geht aus dem Externer Link: Bundeslagebild Schleusungskriminalität 2023 von Bundeskriminalamt und Bundespolizei hervor. Demnach registrierten die Sicherheitsbehörden insgesamt 7.924 Fälle der Schleusung und damit 60,5 Prozent mehr als 2022 (4.936). Die Zahl der Tatverdächtigen in diesem Bereich stieg ebenfalls, aber in geringerem Maße um 26,6 Prozent an – von 3.479 im Jahr 2022 auf 4.404 in 2023. Dies führen die Sicherheitsbehörden darauf zurück, dass bei Schleusungen zunehmend größere Gruppen von Migrant:innen transportiert werden und dafür verstärkt Kleintransporter genutzt werden.

In der Gesamtzahl der Schleusungen sind 765 Fälle enthalten, in denen die Behörden wegen des Straftatbestands „gewerbs- und bandenmäßiges Einschleusen“ ermittelten – was sich im Falle einer Verurteilung strafverschärfend auswirken kann. Auch hier stieg sowohl die Zahl der Fälle (um 25,0 Prozent) als auch der Tatverdächtigen (+39,1 Prozent) gegenüber 2022 an. Während die Tatverdächtigen bei anderen Schleusungsfällen zu 90 Prozent ausländische Staatsangehörige sind, hatte bei gewerbs- und bandenmäßigen Schleusungen jede:r vierte Tatverdächtige die deutsche Staatsbürgerschaft.

Bei Schleusungskriminalität handelt es sich um sogenannte „Kontrollkriminalität“: Ohne Kontrollen durch die Sicherheitsbehörden bleibt Schleusungskriminalität meist unentdeckt. Ein mehr an Kontrollen führt in der Regel auch zu höheren erfassten Fallzahlen von Schleusungsdelikten. Im Herbst 2023 waren an den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz wieder stationäre Kontrollen eingerichtet worden; an der Grenze zu Österreich gibt es diese bereits seit 2015. Seit dem 16. September 2024 gibt es Externer Link: vorübergehende Kontrollen auch an den deutschen Landesgrenzen zu Frankreich, Luxemburg, den Niederlanden, Belgien und Dänemark. Im Interner Link: sogenannten Schengen-Raum dürfen Grenzen nur in Ausnahmefällen und Externer Link: nur befristet kontrolliert werden.

Weniger Menschen gelangen über das Mittelmeer nach Europa

Die Zahl der irregulären Grenzübertritte an der EU-Außengrenze ist im ersten Halbjahr 2024 gegenüber dem Vorjahr um 30 Prozent gesunken. Das Externer Link: teilte die europäische Grenzschutzbehörde Frontex mit. Demnach wurden in den ersten sechs Monaten des Jahres nach vorläufigen Zahlen rund 94.000 irreguläre Grenzübertritte erfasst. Die Entwicklung ist aber nicht an allen Grenzen rückläufig. So gingen vor allem die Ankünfte über das zentrale Mittelmeer (25.653, -61 Prozent) und die westlichen Balkanstaaten (10.642, -72 Prozent) gegenüber dem ersten Halbjahr 2023 zurück. Mehr irreguläre Grenzübertritte wurden hingegen an den osteuropäischen Landgrenzen (6.725, +148 Prozent), im östlichen Mittelmeer (24.999, +75 Prozent) sowie auf der Migrationsroute zwischen der nordwestafrikanischen Küste und den zu Spanien gehörenden Kanarischen Inseln im Atlantik (19.636, +174 Prozent) verzeichnet.

Die rückläufige Zahl der Ankünfte über das zentrale Mittelmeer führt die EU vor allem auf eine verstärkte Kooperation mit nordafrikanischen Staaten zur Eindämmung irregulärer Migration zurück. Dennoch bleibt diese Route nach Externer Link: Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR mit rund 26.000 Ankünften die am stärksten frequentierte maritime Migrationsroute in die Europäische Union – und auch die tödlichste: Im ersten Halbjahr starben auf dieser Route mindestens 645 Menschen oder gelten als vermisst. Insgesamt starben auf dem Seeweg auf europäisches Festland 1.048 Menschen bzw. gelten als vermisst.

Die steigende Zahl der Ankünfte auf den Kanarischen Inseln stellt diese vor große logistische und humanitäre Herausforderungen. Dies gilt insbesondere für die kleinste der Inseln, El Hierro, auf der die meisten Boote anlegen. Bereits 2023 hatten die Kanarischen Inseln einen historischen Höchststand bei den Ankünften über den Seeweg verzeichnet, der in diesem Jahr noch überschritten werden könnte. Externer Link: Die UN führen die gestiegenen Ankunftszahlen auf die stärkere Überwachung und Kontrolle entlang der zwischen Nordafrika und Italien verlaufenden zentralen Mittelmeerroute zurück. Dies zwinge Migrant:innen und Flüchtende dazu, auf längere, weniger überwachte Routen auszuweichen.

Was von Juli und August übrig blieb…

Bei der Arbeitsmarktintegration von ukrainischen Geflüchteten liegt Deutschland im europäischen Mittelfeld. Das zeigt ein Externer Link: Forschungsbericht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Demnach lag die Beschäftigungsquote im ersten Quartal 2024 bei knapp 27 Prozent. Höhere Beschäftigungsquoten weisen vor allem Länder mit einer hohen Nachfrage nach gering qualifizierten Arbeitskräften auf. Auch eine gute Infrastruktur zur Kinderbetreuung und Zugang zur Gesundheitsversorgung sowie ausgeprägte Englischkenntnisse in der Bevölkerung lassen die Beschäftigungsquoten steigen. Sozialleistungen hätten hingegen nur einen „schwachen negativen Effekt“ auf die Beschäftigungsquoten.

Das Bundesinnenministerium will die Mittel für Resettlement und humanitäre Hilfe stark kürzen. Laut Externer Link: Entwurf für den Bundeshaushalt sollen sie von 70,5 Millionen (2024) Jahr auf 8,9 Millionen Euro (2025) sinken. Über das im Interner Link: Oktober 2022 gestartete Bundesaufnahmeprogramm für Afghanistan (BAP) sollten monatlich bis zu 1.000 gefährdete Menschen aus dem von den radikalislamischen Taliban regierten Land aufgenommen werden. Bis Mitte 2024 hätten demnach knapp über 20.000 Personen nach Deutschland kommen können. Bis Mitte Juli 2024 hatten nur rund 3.071 Personen eine Aufnahmezusage erhalten, tatsächlich eingereist waren insgesamt 540 Personen. Ein Grund sind Sicherheitsprüfungen, die seit dem Start des BAP deutlich ausgebaut worden sind und die Aufnahmeverfahren ausgebremst haben.

Die Schweiz bleibt das beliebteste europäische Auswanderungsziel von Deutschen. Externer Link: Das teilte das Statistische Bundesamt mit. Demnach lebten dort Anfang 2023 fast 316.000 deutsche Staatsangehörige. In der Schweiz lassen sich auch die meisten Interner Link: deutschen Auswanderer:innen einbürgern: 2022 waren es 8.960. Auf den Plätzen zwei und drei der beliebtesten europäischen Auswanderungsziele von Deutschen liegen Österreich und Spanien, wo 225.000 bzw. 126.000 deutsche Staatsangehörige 2023 ihren Wohnsitz hatten.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Stimmt der für das Asylverfahren zuständige Staat – in diesem Fall: Bulgarien – der Überstellung zu, muss diese innerhalb von sechs Monaten auch tatsächlich erfolgen. Die Überstellungsfrist kann auf zwölf Monate verlängert werden, wenn sich die betroffene Person in Haft befindet. Ist sie flüchtig, beträgt die Überstellungsfrist 18 Monate. Findet die Überstellung nicht innerhalb der Frist statt, geht die Zuständigkeit für das Asylverfahren auf den Staat über, der das Dublin-Verfahren angestrengt hat – in diesem Fall: Deutschland.

  2. Die Zahlen sind der Schutzsuchendenstatistik des Statistischen Bundesamtes entnommen (Tabelle 12531-0008). Sie beziehen sich auf den Stichtag 31.12.2023. Als Schutzsuchende gelten in der Statistik ausländische Staatsangehörige, die sich aus humanitären Gründen in Deutschland aufhalten. Unterschieden wird zwischen drei Kategorien: 1) Schutzsuchende mit offenem Schutzstatus: Dabei handelt es sich um Personen, die sich zur Durchführung ihres Asylverfahrens in Deutschland aufhalten, über deren Asylantrag aber noch nicht entschieden wurde. 2) Schutzsuchende mit anerkanntem Schutzstatus, d. h. Personen, die in Deutschland einen befristeten oder unbefristeten humanitären Aufenthaltstitel erhalten haben, etwa einen Flüchtlingsstatus oder subsidiären Schutz. 3) Schutzsuchende mit abgelehntem Schutzstatus: Hierunter fallen Personen, deren Asylantrag abgelehnt wurde oder die ihren humanitären Aufenthaltstitel verloren haben und deshalb ausreisepflichtig sind.

  3. Das Bundeslagebild unterscheidet Schleusungsfälle nach Straftatbeständen aus dem Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Während die überwiegende Mehrheit der Schleusungen unter § 96 AufenthG fallen, die das normale Strafmaß für Schleusungen festlegt, Externer Link: regelt § 97 zwei strafverschärfende Kriterien: das gewerbs- und bandenmäßige Einschleusen und das Einschleusen mit Todesfolge. Letztere spielen für das Fallaufkommen eine geringe Rolle: 2023 gab es laut Bundeslagebild keine ermittelten Fälle von Einschleusungen mit Todesfolge. 2019, 2021 und 2022 gab es jeweils einen Fall.

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Dieser Text ist unter der Creative Commons Lizenz "CC BY-NC-ND 4.0 - Namensnennung - Nicht kommerziell - Keine Bearbeitungen 4.0 International" veröffentlicht. Autor/-in: Vera Hanewinkel für bpb.de

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Vera Hanewinkel ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück.