Zahl der in Deutschland gestellten Asylanträge rückläufig
Im ersten Halbjahr 2024 sind in Deutschland weniger
Flucht weltweit: steigende Zahlen und vergessene Krisen
Seit Jahren steigt die Zahl der Menschen auf der Flucht an – weil mehr Menschen fliehen und gleichzeitig für vergleichsweise wenige Geflüchtete eine dauerhafte Lösung in Erstaufnahme- oder Drittländern gefunden wird oder sie in ihre Herkunftsländer zurückzukehren können. Ende 2023 gab es weltweit nach Externer Link: Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) 117,3 Millionen Menschen, die vor Verfolgung, Gewaltkonflikten oder Menschenrechtsverletzungen geflohen waren. Das entsprach etwa 1,5 Prozent der Weltbevölkerung. Die meisten davon – 68,3 Millionen –
Die Externer Link: Hauptherkunftsländer von Flüchtlingen, Menschen in flüchtlingsähnlichen Situationen und Geflüchteten mit Bedarf an internationalem Schutz waren
Einige der Fluchtkrisen finden regelmäßig Beachtung in den Medien, andere erhalten hingegen kaum Aufmerksamkeit. Damit bleibe häufig eine ausreichende finanzielle und politische Unterstützung für die akute Versorgung der Flüchtlinge aus, wie der Norwegian Refugee Council (NRC) feststellt. Der NRC veröffentlicht jährlich eine Externer Link: Liste der zehn am wenigsten beachteten Flucht- und Vertreibungskrisen. 2023 waren demnach – neben
Nettozuwanderung nach Deutschland gesunken
Die Nettozuwanderung nach Deutschland war 2023 deutlich niedriger als 2022 – insgesamt fiel sie um 55 Prozent geringer aus. Externer Link: Das teilte das Statistische Bundesamt mit. Demnach sind 2023 rund 663.000 Menschen mehr nach Deutschland eingewandert als ausgewandert.
Eine Million ausländische Staatsangehörige weniger als bislang angenommen
In Deutschland lebten im Jahr 2022 rund eine Million ausländische Staatsangehörige weniger als bis dahin angenommen. Das hat die Bevölkerungszählung (Zensus) ergeben, deren erste Ergebnisse das Statistische Bundesamt im Juni veröffentlicht hat. Demnach hatte Deutschland 2022 Externer Link: rund 82,7 Millionen Einwohner:innen und damit gut 1,4 Millionen weniger als auf der Basis der Bevölkerungsfortschreibung seit dem Zensus 2011 angenommen. Die Differenz ergibt sich vor allem mit Blick auf die ausländische Bevölkerung: Mit rund 10,9 Millionen Menschen lebten zum Stichtag eine Million ausländische Staatsangehörige weniger in Deutschland als angenommen. Das Statistische Bundesamt erklärt die überdurchschnittliche Abweichung von der Bevölkerungsfortschreibung bei der ausländischen Bevölkerung zum einen mit der häufig fehlenden Erfassung von Fortzügen ins Herkunftsland und Weiterwanderungen in ein anderes Land. Zum anderen seien Schutzsuchende zum Zensus-Stichtag (15. Mai 2022) „vielleicht noch nicht melderechtlich als Einwohnerin oder Einwohner erfasst“ gewesen.
Das behalten wir im Blick: Asylverfahren in Drittstaaten
Das Bundesinnenministerium hat einen Externer Link: Sachstandsbericht zur Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten vorgelegt. Im November 2023 hatten die Ministerpräsident:innen der 16 Bundesländer die Bundesregierung dazu aufgefordert, zu prüfen, „ob die Feststellung des Schutzstatus von Geflüchteten unter Achtung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention zukünftig auch in Transit- oder Drittstaaten erfolgen kann.“ Der nun vorgelegte Bericht beruht auf der Einschätzung von mehr als 20 deutschsprachigen und internationalen Sachverständigen. Diese sollten zu drei unterschiedlichen Modellen der Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten Stellung nehmen:
Extraterritorialisierung der Schutzgewährung
(„Ruanda-Modell“)
Schutzsuchende, die in Deutschland ankommen, würden bei diesem Modell in einen kooperationswilligen Drittstaat überstellt. Dieser wäre dann nach seinem nationalen Recht unter Achtung völkerrechtlicher Verpflichtungen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig, ebenso für die Rückführung abgelehnter Asylbewerber:innen sowie die Aufnahme und den Schutz von Asylsuchenden, denen ein Schutzstatus gewährt wird. Deutschland könnte dem Drittstaat auf freiwilliger Basis anerkannte Flüchtlinge abnehmen (
Extraterritorialisierung der Asylverfahren
(„Italien-Albanien-Modell“)
Nach Deutschland eingereiste Asylsuchende würden in einen kooperationswilligen Drittstaat überstellt. Dort würden in einer Art Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Asylverfahren nach deutschem Recht stattfinden. Asylsuchende, denen Schutz gewährt wird, dürften dann nach Deutschland einreisen. Abgelehnte Asylsuchende sollen aus dem Drittstaat heraus in ihr Herkunftsland zurückgeführt werden.
„Hinwegmodell“
In Ländern entlang wichtiger Migrationsrouten würden Möglichkeiten geschaffen, einen Asylantrag zu stellen und ein Asylverfahren zu durchlaufen. Das Modell ähnelt den von der
Die befragten Expert:innen zweifeln mehrheitlich an der Umsetzbarkeit der verschiedenen Modelle: Die Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten sei mit zahlreichen rechtlichen Hürden, praktischen Schwierigkeiten sowie finanziellen und ethischen Risiken verbunden. Der Bericht schlussfolgert: „Mit Blick auf Deutschland ist erkennbar geworden, dass extraterritoriale Modelle wie das sogenannte britische Ruanda-Modell und das sogenannte Italien-Albanien-Modell unter den gegebenen rechtlichen und praktischen Rahmenbedingungen in dieser Form nicht übertragbar wären.“ Trotz dieser Einschätzung beauftragten die Bundesländer bei einem Treffen der Ministerpräsident:innen mit Bundeskanzler Olaf Scholz die Bundesregierung im Juni 2024 damit, konkrete Modelle für die Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten zu entwickeln.
Ähnliche Diskussionen gibt es auch in anderen EU-Staaten. Bereits im Mai hatten 15 Mitgliedstaaten die EU-Kommission in einem Externer Link: gemeinsamen Brief aufgefordert, mehr Länder zu „sicheren Drittstaaten“ zu erklären und Vereinbarungen zu schließen, die es ermöglichen, Asylsuchende in diese Länder zu überstellen. Derweil hat die
Weiterführende Informationen
Alle Externer Link: Stellungnahmen der vom Bundesinnenministerium befragten Sachverständigen sind auf der Website des BMI abrufbar.
Eine Externer Link: Übersicht über aktuell zur Diskussion stehende Modelle der Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten bietet der Mediendienst Integration.
Rund Externer Link: 60 wissenschaftliche Beiträge zur Externalisierung von Asylverfahren trägt die Website externalizingasylum.info zusammen.
Verstoß gegen Unionsrecht im Asylbereich: Ungarn muss hohe Geldstrafe zahlen
Der Europäische Gerichtshof hat Ungarn wegen einer „außergewöhnlich schwere[n] Verletzung des Unionsrechts“ im Asylbereich Externer Link: zu einer hohen Geldstrafe verurteilt. Das Land muss einen Pauschalbetrag von 200 Millionen Euro zahlen. Hinzukommt ein Zwangsgeld von einer Million Euro für jeden Tag, den das Land erforderliche Maßnahmen zur Umsetzung eines
Der Externer Link: Gerichtshof hat entschieden, dass Frauen einen Flüchtlingsstatus erhalten können, wenn ihnen bei einer Rückkehr ins Herkunftsland Verfolgung drohe, weil sie sich aufgrund eines langfristigen Aufenthalts in der EU mit dem Grundwert der Gleichheit von Frauen und Männern identifizieren. Im konkreten Fall ging es um zwei Irakerinnen, die sich seit 2015 als Minderjährige in den Niederlanden aufhalten und gegen die Ablehnung ihrer Asylanträge geklagt hatten.
Staatenlose palästinensischer Herkunft, die beim
Interner Link: UN-Hilfswerk für Palästina-Flüchtlinge (UNRWA) registriert sind, könnenExterner Link: laut Urteil vom 13. Juni 2024 in der EU einen Flüchtlingsstatus erhalten, wenn festgestellt wird, dass UNRWA ihnen keine „menschenwürdige[n] Lebensbedingungen und ein Mindestmaß an Sicherheit mehr gewährleisten kann“. Bislang waren beim UNRWA registrierte Personen gemäß EU-Qualifikationsrichtlinie grundsätzlich von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen. Ein bulgarisches Gericht hatte den EuGH zur Auslegung der Richtlinie angerufen.Der Externer Link: Gerichtshof hat die Auslieferung von Personen in ihr Herkunftsland untersagt, wenn ihnen die Flüchtlingseigenschaft in einem EU-Staat gewährt und nicht aberkannt wurde. Im konkreten Fall geht es um einen türkischen Staatsangehörigen, der 2010 in Italien als Flüchtling anerkannt wurde. Die Türkei hatte Deutschland um dessen Auslieferung wegen des Verdachts einer schweren Straftat ersucht.
Der Externer Link: EuGH hat zudem entschieden, dass ein EU-Mitgliedstaat nicht verpflichtet ist, eine Person automatisch als Flüchtling anzuerkennen, nur weil ihr die Flüchtlingseigenschaft zuvor in einem anderen EU-Staat zuerkannt worden ist. In dem Fall ging es um eine syrische Staatsangehörige, die in Griechenland als Flüchtling anerkannt worden war, später in Deutschland erneut einen Antrag stellte, aber nur subsidiären Schutz gewährt bekommen hat.
Was vom Monat übrig blieb…
Die EU-Staaten haben den temporären Schutz für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine bis März 2026 verlängert. Aufgrund dieser Sonderregelung müssen diese kein Asylverfahren durchlaufen, sondern haben unmittelbar das Recht auf Sozialleistungen, Bildung, Unterkunft und eine Arbeitserlaubnis. Externer Link: In den 27 EU-Staaten, Norwegen und der Schweiz waren Ende 2023 insgesamt 4,4 Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine mit temporärem Schutzstatus registriert. Deutschland hat davon in absoluten Zahlen – aber nicht im Verhältnis zur Bevölkerungsgröße – die meisten aufgenommen.
Die griechische Küstenwache soll für den Tod von mindestens 43 Migrant:innen im Zeitraum 2020-2023 verantwortlich sein. Externer Link: Diesen Vorwurf erhebt der britische Nachrichtensender BBC. Nach Recherchen des Senders seien mehrere Menschen von griechischen Grenzschützer:innen ins Meer geworfen, andere in defekten Schlauchbooten ausgesetzt worden. Der griechischen Küstenwache werden regelmäßig völkerrechtswidrige
U.S.-Präsident Joe Biden hat Externer Link: die Möglichkeit eingeschränkt, in den USA Asyl zu suchen. Ein neuer präsidentieller Erlass sieht vor, dass illegal über die Grenze mit Mexiko in die USA eingereiste Menschen keinen Asylantrag mehr stellen dürfen, wenn die Gesamtzahl der illegalen Grenzübertritte einen durchschnittlichen Tageswert von 2.500 überschreitet. Erst wenn die Zahl der Grenzübertritte über einen Zeitraum von 14 Tagen im Sieben-Tages-Durschnitt auf unter 1.500 fällt, können wieder Asylanträge gestellt werden. Hintergrund der Anordnung ist eine hohe Zahl an Menschen, die irregulär über die Südgrenze in die USA einreisen, aber auch die Tatsache, dass sich Demokraten und Republikaner im Kongress seit Monaten nicht auf schärfere Zuwanderungsregeln einigen können.