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Migrationspolitik – Januar 2024 | Migrationspolitik – Monatsrückblick | bpb.de

Migrationspolitik – Monatsrückblick Juni 2024 Migrationspolitik – Mai 2024

Migrationspolitik – Januar 2024

Vera Hanewinkel

/ 7 Minuten zu lesen

Deutschlands Bevölkerung wächst nur durch Zuwanderung. Die meisten Zuwandernden kommen aus Europa. Die Bundesländer führen Bezahlkarten für Asylsuchende ein.

Fußgängerzone Königstraße in der Innenstadt von Stuttgart, Baden-Württemberg (Aufnahmedatum 21.12.2023): Zuwanderung war auch 2023 die alleinige Ursache für das Bevölkerungswachstum in Deutschland. (© picture-alliance)

Deutschland setzt Finanzhilfen für Palästinenserhilfswerk der Vereinten Nationen aus

Deutschland und weitere Geberländer haben ihre finanzielle Unterstützung für das Interner Link: Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) ausgesetzt. Hintergrund sind Berichte Israels, wonach zwölf Mitarbeiter des Hilfswerks am Interner Link: Überfall der islamistischen Terrororganisation Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 beteiligt gewesen sein sollen. Das Auswärtige Amt und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung teilten daraufhin mit, dass Deutschland bis zum Ende der Aufklärung dem Hilfswerk in Gaza keine neuen Mittel bewilligen werde.

UNRWA-Generalkommissar Philippe Lazzarini hatte nach Bekanntwerden des Berichts die beschuldigten Mitarbeiter entlassen und eine Untersuchung angekündigt. Er bat die Geberländer, ihre Entscheidung, die Hilfen für das Hilfswerk einzustellen, zu überdenken. Das 1949 gegründete UNRWA beschäftigt Externer Link: ca. 30.000 Mitarbeiter:innen, laut eigenen Angaben handelt es sich bei der überwiegenden Mehrheit um palästinensische Flüchtlinge. Rund 13.000 davon arbeiten im Gazastreifen. Damit ist UNRWA dort nicht nur der größte Arbeitgeber, sondern auch ein zentraler Akteur für die humanitäre Versorgung der Bevölkerung. Das Verhältnis zwischen Israel und UNRWA ist seit langem angespannt. Israel wirft dem Hilfswerk vor, kein neutraler humanitärer Akteur zu sein, sondern eine Vernetzungs- und Mobilisierungsplattform für Unterstützer:innen der politischen Ziele palästinensischer Gruppen, darunter auch gewalttätige wie die Hamas.

Nach Externer Link: Angaben von UNRWA hatte die Bundesregierung das Hilfswerk 2022 mit rund 202 Mio. US-Dollar (rund 188 Mio. Euro) unterstützt. Damit war Deutschland hinter den USA das wichtigste Geberland. 2023 seien Externer Link: laut Bundesregierung rund 221,5 Mio. Euro für UNRWA bereitgestellt worden. Um die Versorgung der Interner Link: notleidenden Bevölkerung des Gazastreifens weiter zu gewährleisten, hat sie die Mittel für das Rote Kreuz und das Kinderhilfswerk UNICEF aufgestockt.

Zuwanderung lässt Bevölkerung Deutschlands auf neuen Höchststand wachsen

Zuwanderung war auch 2023 die alleinige Ursache für das Bevölkerungswachstum in Deutschland. Externer Link: Das hat das Statistische Bundesamt auf Basis einer ersten Schätzung mitgeteilt. Demnach wuchs die Bevölkerung Deutschlands im Laufe des Jahres 2023 um gut 300.000 Personen und erreichte zum Jahresende einen neuen Höchststand von rund 84,7 Millionen. Diese Entwicklung ist auf eine geschätzte Nettozuwanderung von rund 700.000 Personen zurückzuführen, die die negative Bilanz der Geburten und Sterbefälle ausgleichen konnte: 2023 starben mindestens 320.000 Personen mehr als im selben Zeitraum geboren wurden.

Externer Link: Seit 1972 liegt in Deutschland die Zahl der Geborenen Jahr für Jahr unter der der Gestorbenen. In den meisten Jahren glich sich dieses Geburtendefizit durch Zuwanderung aus dem Ausland aus. Insbesondere in den 2010er Jahren gab es eine hohe Nettozuwanderung, die nicht nur zum Bevölkerungswachstum beigetragen hat, Externer Link: sondern auch die jüngeren Jahrgänge vergrößert und das Erwerbspersonenpotenzial verjüngt hat.

Dabei konzentrierte sich die Zuwanderung aus dem Ausland in den vergangenen Jahrzehnten stärker auf die westdeutschen als auf die ostdeutschen Bundesländer. Nicht in allen Regionen wächst die Bevölkerung. In Ost- und Westdeutschland Externer Link: schrumpft sie in vielen strukturschwachen ländlich-peripheren Regionen – auch aufgrund von Abwanderung in andere Regionen Deutschlands.

Zuwanderung nach Deutschland überwiegend europäisch

Die meisten Menschen, die 2022 nach Deutschland zuwanderten, kamen aus einem anderen europäischen Land. Das zeigt der Externer Link: Migrationsbericht der Bunderegierung 2022, der im Januar 2024 veröffentlicht wurde. Demnach kamen 76,2 Prozent der 2022 Zugewanderten aus anderen europäischen Ländern, gefolgt von Asien (12,4 Prozent), Amerika, Australien und Ozeanien (zusammen 2,8 Prozent) sowie Afrika (2,7 Prozent). Seit Jahren dominieren Europäer:innen das Migrationsgeschehen in Deutschland. 2022 ließ die Interner Link: Flucht vor dem Krieg in der Ukraine ihren Anteil an der Gesamtzuwanderung gegenüber dem Vorjahr nochmals deutlich ansteigen (2021: 63,9 Prozent).

Die Nettomigration nach Deutschland 2022 erreichte mit über 1,4 Millionen Personen den höchsten Wert seit Beginn der Aufzeichnung von Wanderungen im Jahr 1950. Die Ukraine war 2022 auch das Hauptherkunftsland: 41,2 Prozent der Zugewanderten kamen von dort, gefolgt von Rumänien (7,7 Prozent aller Zuzüge), Polen (4,0 Prozent), der Türkei (3,0 Prozent) und Bulgarien (2,7 Prozent). Insgesamt haben 611.744 EU-Bürger:innen von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht. Die wichtigsten Zuwanderungsgründe von Drittstaatsangehörigen waren die Suche nach Schutz (828.885 Aufnahmen aus der Ukraine und Interner Link: 217.774 Asylerstanträge), der Familiennachzug (93.960 Personen), Erwerbsmigration (73.065) und Bildungsmigration (60.395). Im europäischen Vergleich war Deutschland auch 2022 das Hauptziel von Migration. Insgesamt hatten 2022 23,8 Millionen Menschen in Deutschland (28,7 Prozent) einen Interner Link: Migrationshintergrund.

Bezahlkarte für Asylantragstellende soll (fast) bundesweit eingeführt werden

In 14 von 16 Bundesländern sollen Asylbewerber:innen zukünftig einen Teil der Asylbewerberleistungen als Guthaben auf einer Karte erhalten, mit der sie in Geschäften bezahlen können. Das teilte der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU), mit. Auf die Einführung der Bezahlkarte hatten sich Bund und Länder Interner Link: im November 2023 geeinigt; in einigen Kommunen war das Modell daraufhin getestet worden. Ein Teil der Asylbewerberleistungen muss Asylbewerber:innen nach geltender Rechtsprechung aber auch zukünftig in bar ausgezahlt werden. Über die Höhe des Barbetrags und weitere Zusatzfunktionen der Bezahlkarten – etwa die Beschränkung auf den Kreis, in dem ein Asylbewerber gemeldet ist –, entscheiden die jeweiligen Bundesländer.

Die Länder suchen nun nach einem gemeinsamen Dienstleister für die technische Infrastruktur, mit der großflächigen Einführung der Karte wird ab Sommer 2024 gerechnet. Bayern und Mecklenburg-Vorpommern beteiligen sich nicht an dem Vorhaben, sie wollen Bezahlkarten nach einem eigenen Modell einführen. Uneinigkeit herrscht bislang noch darüber, ob es eine Gesetzgebung des Bundes geben muss, die die Regelungen zur Bezahlkarte festhält. Die Länder dringen darauf, dass die Bezahlkarte ausdrücklich im Asylbewerberleistungsgesetz genannt werden soll.

Durch die Einführung der Bezahlkarten sollen einerseits Anreize für irreguläre Migration nach Deutschland gesenkt, andererseits aber auch Überweisungen an Familienmitglieder im Herkunftsland verhindert werden. Ob Sozialleistungen tatsächlich einen Anreiz für Zuwanderung bilden, ist in der Forschung umstritten. Andere Faktoren wie Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Wirtschaftskraft Externer Link: müssten stärker berücksichtigt werden, einfache Push-Pull-Modelle seien zudem zu unterkomplex, um Migration zu erklären.

Das behalten wir im Blick: Migrationsabkommen

Deutschland und andere europäische Staaten bemühen sich in Fragen von Migration und Migrationskontrolle verstärkt um eine enge Zusammenarbeit mit Drittstaaten. Diese sollen sowohl irreguläre Migration in Richtung Europa stärker unterbinden als auch Migrant:innen ohne Bleiberecht zurücknehmen. Diskutiert werden auch Möglichkeiten, Asylverfahren in Drittstaaten durchzuführen, um die Zahl der in Europa ankommenden Asylsuchenden zu senken. Zu den jüngsten Entwicklungen zählen:

Was vom Monat übrig blieb…

  • Bundestag und Bundesrat haben sowohl Einbürgerungs- als auch Abschiebungserleichterungen zugestimmt. So sollen Eingewanderte zukünftig bereits nach fünf (statt wie bislang nach acht) Jahren Aufenthalt unter bestimmten Bedingungen Interner Link: deutsche Staatsangehörige werden können; bei der Einbürgerung sollen sie ihre alte Staatsangehörigkeit beibehalten dürfen. Gleichzeitig sollen nicht aufenthaltsberechtigte Ausländer:innen Interner Link: leichter abgeschoben werden können, indem etwa das Ausreisegewahrsam von zehn auf 28 Tage ausgeweitet wird und die Polizei mehr Befugnisse zur Durchsuchung von Gemeinschaftsunterkünften erhält. Ebenfalls beschlossen wurde, dass bereits eingereiste Asylantragstellende zukünftig schneller eine Arbeit aufnehmen können. Der Bezug von Interner Link: Asylbewerberleistungen wird von 1,5 auf drei Jahre verlängert. Dadurch erhalten Asylantragstellende später als bislang Zugang zu Leistungen analog zu Sozialhilfe nach Interner Link: SGB XII.

  • Der Begriff „Remigration“ ist Externer Link: Unwort des Jahres 2023. Der in der Migrations- und Exilforschung für eine Rückkehr ins Herkunftsland gebräuchliche Begriff (auch Interner Link: Rückwanderung genannt), wird zunehmend von rechtspopulistischen und rechtsextremen Akteuren als Euphemismus für die Forderung nach massenhaften Vertreibungen und erzwungenen Rückführungen von Eingewanderten und ihren Nachkommen verwendet. Im Januar hatte das Externer Link: Recherche-Kollektiv Correctiv Berichte über ein Treffen in der Nähe von Potsdam veröffentlicht, auf dem unter anderem AfD-Abgeordnete aus Bund und Ländern und CDU-Mitglieder aus der konservativen Werteunion anwesend waren. Bei dem Treffen referierte der rechtsextreme österreichische Aktivist Martin Sellner über Pläne, wie Asylbewerber:innen, Ausländer:innen mit Bleiberecht und „nicht assimilierte“ Staatsbürger:innen Interner Link: unter dem Stichwort „Remigration“ aus Deutschland verdrängt werden könnten. Seit Bekanntwerden dieser Pläne sind deutschlandweit hunderttausende Menschen auf die Straße gegangen, um gegen Rechtsextremismus und für Solidarität und Demokratie zu demonstrieren.

  • Ein Feuer hat in Bangladesch Großteile eines Lagers für Interner Link: geflüchtete Rohingya zerstört. Bei dem Brand in der ersten Januarwoche wurden Externer Link: rund 7.000 Menschen obdachlos. Auch Teile der Infrastruktur wie Bildungs- und Gesundheitsfürsorgeeinrichtungen wurden beschädigt. In den überfüllten Flüchtlingslagern kommt es immer wieder zu Bränden. In Bangladesch leben fast eine Million geflüchtete Angehörige der muslimischen und Interner Link: staatenlosen Minderheit der Rohingya. Die meisten von ihnen sind 2017 aus dem Nachbarland Myanmar geflohen, wo sie massiven Repressionen und durch das Militär verübten Gräueltaten ausgesetzt waren, die unter anderem von den USA als Genozid anerkannt worden sind.

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Vera Hanewinkel ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück.
E-Mail: E-Mail Link: vera.hanewinkel@uni-osnabrueck.de