Weniger Fluchtzuwanderung nach Deutschland – trotz steigender Asylantragszahlen
In den ersten sieben Monaten des Jahres sind weniger Schutzsuchenden nach Deutschland gekommen als im Vorjahreszeitraum. Dies liegt insbesondere an einer niedrigeren Zahl von neuankommenden
So wurden in Deutschland im Zeitraum Januar bis Juli 2023 Externer Link: 175.272 Erstanträge auf Asyl gestellt – 78,1 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum (Januar bis Juli 2022: 98.395). In dieser Zahl enthalten sind 13.808 Asylanträge von in Deutschland geborenen Kindern im Alter von unter einem Jahr. Unter den Erstantragstellenden dominierten junge männliche Personen: 71,5 Prozent der Asylantragstellenden waren jünger als 30 Jahre, 71,4 Prozent waren männlich. Die meisten Erstantragstellenden kamen aus
Im laufenden Jahr hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) 153.912 Entscheidungen über Asylanträge getroffen. In 79.503 Fällen gewährte die Asylbehörde einen
Geflüchtete aus der Ukraine müssen in Deutschland kein Asylverfahren durchlaufen, um einen Schutzstatus zu erhalten. Stattdessen gewährt ihnen die EU-Richtlinie für temporären Schutz (
Studie zur Integration ukrainischer Kriegsflüchtlinge
Immer mehr nach Deutschland geflohene Ukrainer:innen leben in privaten Wohnverhältnissen und besuchen Sprach- und Integrationskurse. Die Integration in den Arbeitsmarkt schreitet nur langsam voran. Zu Externer Link: diesen Ergebnissen kommt die zweite Erhebungswelle der Externer Link: Studie „Geflüchtete aus der Ukraine in Deutschland“, die zwischen Januar und März 2023 vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), dem Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB), dem Forschungszentrum des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF-FZ) und dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) im Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) durchgeführt wurde.
Die Wohnverhältnisse haben sich im Vergleich zur ersten Befragung zwischen August und Oktober 2022 verbessert: So stieg Anfang 2023 der Anteil der ukrainischen Kriegsflüchtlinge, die in privaten Wohnungen oder Häusern leben statt in Gemeinschaftsunterkünften oder Unterkünften wie Hotels und Pensionen auf 79 Prozent (vorher: 74 Prozent).
Der Anteil von erwerbfähigen Geflüchteten ist zwischen den beiden Erhebungswellen nur geringfügig gestiegen. Waren es bei der ersten Befragung noch 17 Prozent gingen Anfang 2023 18 Prozent der erwerbsfähigen ukrainischen Kriegsflüchtlinge einer Erwerbstätigkeit nach. Davon arbeiteten 39 Prozent in Vollzeit, 36 Prozent in Teilzeit und 18 Prozent waren geringfügig beschäftigt. Der Anstieg der Erwerbstätigkeit geht vor allem auf geflüchtete Ukrainerinnen zurück: Der Anteil der erwerbstätigen Frauen stieg von 15 auf 17 Prozent, der Anteil der Männer lag erneut bei 22 Prozent. Der Externer Link: monatliche Verdienst der vollzeitbeschäftigten ukrainischen Geflüchteten lag mit 2.550 Euro fast 1.000 Euro unter dem durchschnittlichen Verdienst aller Vollzeitbeschäftigten in Deutschland. Viele Geflüchtete arbeiten in Berufen, für die sie formal überqualifiziert sind.
Ein Großteil der Geflüchteten besuchte zum Befragungszeitpunkt noch Sprach- und Integrationskurse und stand dem Arbeitsmarkt damit (noch) nicht oder nur eingeschränkt zur Verfügung. Insgesamt hatten drei Viertel der Befragten einen Sprachkurs besucht oder abgeschlossen und damit mehr als zum Zeitpunkt der ersten Befragung (51 Prozent). Gute bis sehr gute Deutschkenntnisse hatten nach eigener Einschätzung der Befragten nur wenige, auch wenn sich ihr Anteil im Vergleich zum Spätsommer 2023 auf acht Prozent verdoppelt hat. Knapp zwei von drei Befragten gaben an, „gar nicht“ oder „eher schlecht“ Deutsch zu sprechen – allerdings hat sich der Anteil derjenigen, die angaben, gar keine Deutschkenntnisse zu haben, mehr als halbiert (von 41 auf 18 Prozent). Eine Hürde für den Spracherwerb sind Kinderbetreuungspflichten. Zum Befragungszeitpunkt waren 58 Prozent der drei- bis sechsjährigen ukrainischen Flüchtlingskinder in einer Kindertagesbetreuung untergebracht.
44 Prozent der ukrainischen Kriegsflüchtlinge wollen längerfristig (für einige Jahre oder sogar für immer) in Deutschland bleiben. Ihr Anteil ist damit im Vergleich zur ersten Erhebung um fünf Prozentpunkte gestiegen. 38 Prozent beabsichtigen eine vollständige Rückkehr in die Ukraine. Insbesondere Geflüchtete, deren Partner:in nicht mit ihnen nach Deutschland gekommen ist, geben seltener an, für immer in Deutschland bleiben zu wollen. Hingegen erhöhen eine Erwerbstätigkeit oder Ausbildung, Deutschkenntnisse, Kontakte zu Deutschen sowie die Unterbringung in privaten Wohnungen oder Häusern (statt z.B. in Gemeinschaftsunterkünften) die Neigung, in Deutschland bleiben zu wollen.
An der als repräsentative Längsschnittstudie angelegten Befragung nahmen im Zeitraum Januar bis Anfang März 2023 6.754 nach Kriegsausbruch 2022 nach Deutschland geflüchtete Ukrainer:innen teil, von denen 6.581 zum Befragungszeitpunkt immer noch in Deutschland lebten. Etwas mehr als 80 Prozent davon waren Frauen; das Durchschnittsalter betrug knapp 40 Jahre.
Mehrheit der Inhaber einer Blauen Karte EU auch nach fünf Jahren noch in Deutschland
Der Großteil der ausländischen Fachkräfte, die zwischen 2012 und 2017 eine
Im Zuge der
Studien wie die Externer Link: OECD Indicators of Talent Attractiveness zeigen jedoch, dass Deutschland für ausländische Fachkräfte – insbesondere solche mit Universitätsabschluss – nur mäßig attraktiv ist. Von Befragten werden die vergleichsweise hohe Steuerlast für Topverdiener:innen, Versäumnisse bei der Digitalisierung (u.a. in Visaverfahren), schlechte Zukunftsaussichten mit Blick auf die Möglichkeiten zur Einbürgerung, eine hohe Rate an ausländischen Arbeitskräften, denen es nicht gelingt, einen ihren Qualifikationen entsprechenden Arbeitsplatz zu finden, sowie die mangelnde Akzeptanz von Migrant:innen in der Gesellschaft als Gründe für die mäßige Attraktivität Deutschlands als Zielland angegeben. Angesichts des wachsenden Zuspruchs für die
EU und Tunesien unterzeichnen Erklärung zur Kooperation in Migrationsfragen
Die EU und Tunesien wollen in Migrationsfragen enger kooperieren. Im Juli schlossen sie deshalb eine Externer Link: Vereinbarung (Memorandum of Understanding) für eine strategische und umfassende Partnerschaft. Diese sieht sowohl einen Ausbau der Wirtschafts- und Handelsbeziehungen vor als auch eine Zusammenarbeit zur Verringerung irregulärer Migration. Dabei stellt die EU mehr legale Migrationsmöglichkeiten für tunesische Staatsangehörige in Aussicht, beispielsweise durch Bildungs- und Ausbildungsprogramme für Jugendliche (z.B. Erasmus+), saisonale Arbeitsmigration, eine Talentpartnerschaft für (hoch-)qualifizierte Arbeitskräfte sowie Visaerleichterungen.
Im Gegenzug verspricht Tunesien, irreguläre Migration zu unterbinden – beispielsweise durch eine bessere Überwachung seiner Grenzen, die Bekämpfung von Schleusung und Menschenhandel, die Entwicklung eines Systems zur Identifizierung von Migrant:innen sowie zur Rückführung von Menschen, die sich unerlaubt in Tunesien aufhalten. Zudem sagt das Land die Rücknahme eigener Staatsangehöriger ohne Aufenthaltsrecht in der EU zu. Koordinierungsbemühungen soll es auch mit Blick auf Such- und Rettungsmissionen im Mittelmeer geben. Dazu will die EU die tunesische Küstenwache finanziell und technisch aufrüsten und ihre Ausbildung fördern – ähnlich, wie sie dies bereits im benachbarten Libyen praktiziert. Ebenso wie das Nachbarland ist Tunesien ein wichtiges Transitland für Menschen, die über das Mittelmeer nach Europa gelangen wollen. Im Vorfeld des Memorandum of Understanding hatte die EU Tunesien Externer Link: rund 105 Millionen Euro für Maßnahmen zur Reduzierung von irregulärer Migration in Richtung EU in Aussicht gestellt.
Menschenrechtsorganisationen, Migrationsforschende, aber auch Abgeordnete im EU-Parlament und die Menschenrechtskommissarin des Europarates kritisierten die Vereinbarung mit Tunesien vor dem Hintergrund von Menschenrechtsverletzungen und rassistischer Gewalt gegen Migrant:innen im Land.
Wenige Tage vor der Unterzeichnung der Absichtserklärung war es im Kontext der Tötung eines 41-jährigen Tunesiers in der Hafenstadt Sfax zu Auseinandersetzungen zwischen Bewohner:innen und Migrant:innen gekommen. Hunderte Migrant:innen flohen daraufhin in die Wüste oder wurden dorthin vertrieben. Nahe der libyschen Grenze harrten sie fast eine Woche ohne Wasser und Nahrung aus, bis der tunesische Rote Halbmond die Erlaubnis erhielt, die Menschen zu versorgen. Fast 200 weitere Migrant:innen wurden von libyschen Behörden aus der Wüste gerettet, nach Libyen gebracht und von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) versorgt. Sie berichteten, von tunesischen Sicherheitskräften in die Wüste gebracht und dort ausgesetzt worden zu sein.
In der ersten Augustwoche wurden nach Angaben der libyschen Regierung zudem 27 Leichen von Migrant:innen aus dem tunesisch-libyschen Grenzgebiet geborgen. Gesicherte Informationen darüber, wie viele Menschen sich tatsächlich im Grenzgebiet aufgehalten haben, ob die bekannten Todesfälle zu den vertriebenen Migrant:innen gehören und ob es weitere Todesfälle gab, liegen nicht vor.
Tunesiens Innenminister Kamel Fekih bestätigte Anfang August zwar, dass kleinere Gruppen von Migrant:innen aus Subsahara Afrika in die Wüste zurückgedrängt worden seien, widersprach aber Externer Link: Vorwürfen der Vereinten Nationen, völkerrechtswidrige kollektive Abschiebungen ohne Prüfung des Einzelfalls durchzuführen. Tunesien und Libyen einigten sich zuletzt auf die Aufnahme und Versorgung von 276 Menschen aus Subsahara-Afrika, die im Grenzgebiet beider Länder gestrandet waren: Tunesien übernahm 126 Migrant:innen, Libyen 150.
In Tunesien ist die Gewalt gegen Migrant:innen aus Ländern südlich der Sahara seit
Keine Einigung auf weitere Schritte zur Reform der EU-Asylpolitik
Den EU-Innenminister:innen ist es im Juni nicht gelungen, sich auf weitere Schritte zur
Ende Juni 2023 hatte die schwedische Ratspräsidentschaft zudem einen Externer Link: Kompromissvorschlag eingebracht, der nun auch auf Situationen der Instrumentalisierung von Migrant:innen eingeht. Demzufolge sollen die Mitgliedstaaten auch dann von Verfahrens- und Versorgungsstandards abweichen dürfen, wenn „ein Drittstaat oder ein nichtstaatlicher Akteur die Bewegung von Drittstaatsangehörigen an die Außengrenzen oder in einen Mitgliedstaat unterstützt oder erleichtert mit dem Ziel, die Union oder einen Mitgliedstaat zu destabilisieren“.
Im Dezember 2022 hatten sich die EU-Innenminister:innen nicht auf eine separate sogenannte Externer Link: Instrumentalisierungsverordnung einigen können, welche die EU-Kommission ein Jahr zuvor infolge eines
Externer Link: Menschenrechtsorganisationen wie Pro Asyl kritisieren, dass die Verordnung dazu führe, den Flüchtlingsschutz noch weiter auszuhöhlen, als dies bereits durch die
Auch die deutsche Bundesregierung hat Bedenken gegen die Krisenmanagementverordnung und dem Verordnungsentwurf insbesondere wegen der darin vorgesehenen Absenkung von Standards für die Aufnahme von Schutzsuchenden nicht zugestimmt. Zudem lehnt sie Forderungen der Mittelmeeranrainer Griechenland, Italien, Spanien, Malta und Zypern ab, im Falle einer „Migrationskrise“ Schutzsuchende ohne Prüfung ihres Asylantrags nach Nordeuropa weiterreisen lassen zu dürfen und ihre
Was vom Monat übrig blieb…
Die niederländische Regierung ist Anfang Juli 2023 an einem Streit über die Asylpolitik zerbrochen. Die vier Koalitionspartner um den langjährigen Ministerpräsident Mark Rutte konnten sich nicht auf eine gemeinsame Linie einigen, um die Asylzuwanderung abzuschwächen. Im ersten Halbjahr 2023 wurden Externer Link: in den Niederlanden 20.122 Asylanträge gestellt. Im gesamten Externer Link: Jahr 2022 waren rund 37.000 Asylanträge eingegangen – ein Höchststand seit 2015 (ca. 45.000). Die Neuwahl findet voraussichtlich am 22. November 2023 statt.
Die EU-Staaten dürfen Flüchtlingen, die wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt werden und als erhebliche Gefahr für die Allgemeinheit gelten, ihren Flüchtlingsstatus entziehen. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in drei Fällen aus Belgien, Österreich und den Niederlanden entschieden (Urt. v. 06.07.2023, Az. Externer Link: C-8/22, Externer Link: C-663/21, Externer Link: C-402/22). Das bedeutet jedoch nicht, dass sie auch abgeschoben werden dürfen. Sofern ihnen in ihrem Herkunftsland schwere Menschenrechtsverletzungen wie Folter drohen, dürfen sie nicht dorthin zurückgeführt werden.
Die seit April 2023
Interner Link: anhaltenden bewaffneten Auseinandersetzungen im Sudan haben bereits mehr als vier Millionen Menschen vertrieben. Seit deren Beginn sind Externer Link: rund 709.000 Menschen aus dem Land geflohen, zumeist nach Tschad und Ägypten. Rund 3,4 Millionen Menschen sind innerhalb des Landes auf der Flucht. Bereits vor Konfliktbeginn gab es im Sudan 3,7 Millionen Binnenvertriebene. Zudem beherbergte das Land 1,14 Millionen Asylsuchende und Flüchtlinge; viele von ihnen wurden nun erneut vertrieben. Im Sudan kämpfen Armeeeinheiten des Militärmachthabers Abdel Fattah al-Burhan und die von General Mohamed Hamdan Daglo angeführten Milizen der „Rapid Support Forces“ (RSF) um die Macht. Dabei geht es laut einer aktuellen Externer Link: Analyse der Heinrich-Böll-Stiftung auch um die Verteilung landwirtschaftlicher Flächen in einem Land, welches stark vom Klimawandel betroffen ist.