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Migrationspolitik – Mai 2020 | Migrationspolitik – Monatsrückblick | bpb.de

Migrationspolitik – Monatsrückblick Juni 2024 Migrationspolitik – Mai 2024

Migrationspolitik – Mai 2020

Vera Hanewinkel

/ 6 Minuten zu lesen

Was ist in der Migrations- und Asylpolitik im letzten Monat passiert? Wie haben sich die Flucht- und Asylzahlen entwickelt? Wir blicken zurück auf die Situation in Deutschland und Europa.

Beamte von Polizei und Ordnungsamt betreten in Schutzanzügen eine Unterkunft für Geflüchtete in Sankt Augustin bei Bonn. Zahlreiche Bewohnerinnen und Bewohner wurden im Mai positiv auf SARS-CoV-2 getestet. (© picture-alliance/dpa, Marcel Kusch)

Infektionsschutz gilt auch in Asylbewerberunterkünften

Mehrere deutsche Verwaltungsgerichte haben in Urteilen bekräftigt, dass die Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Interner Link: Ausbreitung des Coronavirus auch in Unterkünften für Asylantragstellende eingehalten werden müssen. Oft können die Hygiene- und Abstandsregelungen dort aber nur unzureichend umgesetzt werden – u. a. aufgrund der Unterbringung in Mehrbettzimmern, Warteschlangen bei der Essensausgabe und geteilter Sanitäranlagen. In einigen Flüchtlingsunterkünften etwa in Bremen, Mainz oder Berlin sind bereits zahlreiche Bewohnerinnen und Bewohner positiv auf SARS-CoV-2 getestet und weitreichende Quarantänemaßnahmen ergriffen worden. Flüchtlingshilfsorganisationen wie die Landesflüchtlingsräte, Pro Asyl und die Seebrücke-Bewegung haben Regierungen von Bund und Ländern mehrfach aufgefordert, die Unterbringung von Geflüchteten in Gemeinschaftsunterkünften zu beenden. In Nordrhein-Westfalen hatten verschiedene Bezirksregierungen entschieden, Geflüchtete vorübergehend in Jugendherbergen unterzubringen, um die beengte Wohnsituation in Sammelunterkünften zu entzerren.

Mehr rassistische, antisemitische und islamfeindliche Straftaten

Im Jahr 2019 ist die Zahl der Straftaten im Bereich Hasskriminalität auf 8.585 angestiegen (2018: 8.113). Das geht aus der im Mai vom Bundeskriminalamt (BKA) veröffentlichten Externer Link: Statistik zur Politisch motivierten Kriminalität (PMK) hervor. Zu Hasskriminalität zählt das BKA Straftaten, die durch gruppenbezogene Vorurteile motiviert sind. Darunter fallen rassistische, antisemitische und islamfeindliche Straftaten. Externer Link: Erfasst werden aber auch Straftaten, die z.B. als "deutschfeindlich" oder als "gegen die sexuelle Orientierung" gerichtet eingestuft werden. Einzelne Straftaten können dabei mehreren Kategorien zugeordnet werden. Zudem können sie sich inhaltlich überschneiden. So weist die PMK-Statistik auch "fremdenfeindliche" (2019: 7.909) und "ausländerfeindliche" Straftaten (3.703) separat aus.

Gegenüber 2018 ist die Zahl rassistischer Straftaten (2019: 2.078) um rund 20,5 Prozentgestiegen. Bei antisemitischen Straftaten (2.032) lag der Anstieg bei 13,0 Prozent und bei Straftaten mit islamfeindlichem Hintergrund (950) bei 4,4 Prozent. Rückläufig war die Zahl der Straftaten gegen Asylunterkünfte. Sie sank im Vergleich zum Vorjahr um 27,2 Prozent (2019: 126 Delikte; 2018: 173). 1.620 Straftaten waren laut BKA 2019 gegen Asylantragstellende und Flüchtlinge selbst gerichtet.

Insgesamt ist die Zahl politisch motivierter Straftaten verglichen mit 2018 um 14,2 Prozent auf 41.177 Delikte gestiegen. Das war die zweithöchste Zahl seit Beginn der Erfassung der PMK im Jahr 2001. Deutlich mehr als die Hälfte der politisch motivierten Straftaten (22.342, 54,3 Prozent) Externer Link: wurden aus einer "rechten" Ideologie heraus begangen, deren wesentliches Merkmal die Annahme der Ungleichheit bzw. Ungleichwertigkeit von Menschen ist. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) betonte bei der Vorstellung der Zahlen, dass vom Interner Link: Rechtsextremismus weiterhin "die größte Bedrohung" ausgehe. Sieben von 13 im Jahr 2019 erfassten politisch motivierten Tötungsdelikten (versuchte und vollendete) werden dem Phänomenbereich PMK -rechts- zugeordnet.

Insgesamt nahmen rechtsmotivierte Straftaten gegenüber dem Vorjahr um 9,4 Prozent zu. Im Phänomenbereich PMK-links fiel der Anstieg der Deliktzahl mit 23,7 Prozent zwar deutlich höher aus, die absolute Zahl der begangenen Delikte (9.849) lag jedoch deutlich niedriger als im Bereich rechtsmotivierter Straftaten. Im Phänomenbereich PMK -religiöse Ideologie- wurden 2019 425 Straftaten registriert. Das ist ein Rückgang um 27,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr (2018: 586). Die meisten Taten hatten dabei einen Interner Link: islamistischen Hintergrund.

Politisch motivierte Straftaten machten 2019 etwa ein Prozent aller in der Polizeilichen Kriminalitätsstatistik (PKS) erfassten Delikte aus. Insgesamt wurden in Deutschland 2019 rund 5,4 Millionen Straftaten Externer Link: erfasst. Das war der niedrigste Wert seit 1992 (rund 5,2 Millionen Fälle).

Bei der PMK handelt es sich um eine Eingangsstatistik: Straftaten werden bereits zu Beginn des Verfahrens ausgehend von den Motiven zur Tatbegehung und den Tatumständen einem Phänomenbereich zugeordnet.

Ungarn schließt Transitzonen für Asylsuchende

Ungarn schließt die umstrittenen Transitzonen für Asylsuchende an der Grenze zu Serbien. Damit reagiert das Land auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Dieser hatte Mitte Mai in einem Eilverfahren die Festsetzung von Asylantragstellenden in den Transitzonen als "Haft" Externer Link: eingestuft, die nicht mit EU-Recht vereinbar sei. Seit ihrer Einrichtung im Jahr 2015 müssen Asylsuchende in diesen umzäunten und bewachten Container-Lagern oft Monate auf eine Entscheidung über ihren Asylantrag warten. Sie dürften die Einrichtungen weder in Richtung Ungarn noch Serbien verlassen, weil beide Länder dies als rechtswidrig betrachten würden, so der EuGH. Kehren sie nach Serbien zurück, verlören sie zudem ihren Anspruch auf ein Asylverfahren in Ungarn. Zwar dürften gemäß EU-Recht Asylsuchende aus bestimmten Gründen inhaftiert werden. Diese Maßnahme müsse aber verhältnismäßig sein. Zudem dürfe in Grenzregionen eine Inhaftierung maximal vier Wochen dauern. Sei bis dahin keine Entscheidung über den Asylantrag getroffen worden, müsse Asylsuchenden die Einreise erlaubt werden.

Geklagt hatten ein Ehepaar aus Interner Link: Afghanistan sowie ein Vater und sein Sohn aus dem Iran. Sie hatten in Ungarn 2018 bzw. 2019 erfolglos Asyl beantragt und sollten nach Serbien zurückgeschickt werden. Das Land hatte ihre Aufnahme jedoch verweigert, weshalb die ungarischen Behörden dann eine Rückführung in die Herkunftsländer angestrebt hatten. Unterstützt wurden die Kläger durch die Menschenrechtsorganisation Helsinki-Komitee.

Die EU-Kommission hatte wegen der Transitlager bereits im Dezember 2018 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn eingeleitet. Das Urteil des EuGH dazu steht aber noch aus. Erst im November 2019 wies der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die Beschwerde von zwei Asylbewerbern aus Bangladesch ab, die nach 23 Tagen Aufenthalt in der ungarischen Transitzone in Röszke nach Serbien zurückgebracht worden waren. Die Richterinnen und Richter hatten damals argumentiert, dass der Aufenthalt in der Transitzone freiwillig und damit kein Freiheitsentzug gewesen sei, da die Männer das Lager jederzeit in Richtung Serbien hätten verlassen können. Anders als im aktuellen Fall der beiden Familien hatte Serbien ihnen eine Aufnahme nicht verweigert.

Mehr Ankünfte von Migranten und Schutzsuchenden in Italien

In den ersten fünf Monaten des Jahres sind deutlich mehr Menschen über das Mittelmeer nach Italien gekommen als im Vorjahreszeitraum. Das geht aus Externer Link: Daten des UNHCR hervor. Demnach wurden dort zwischen dem 1. Januar und dem 31. Mai 2020 insgesamt 5.119 Ankünfte registriert; im Vorjahreszeitraum waren es 1.561.

Nach Medienberichten, die den Chef der Staatsanwaltschaft im Süden Siziliens, Luigi Patronaggio, zitieren, haben sich die Migrationsrouten verschoben. Demnach würden Menschen aus Ägypten und Interner Link: Libyen nach Interner Link: Tunesien gebracht, um von dort in Fischerbooten an Italiens Küsten zu gelangen. Neben der Mittelmeerinsel Lampedusa sei vor allem die sizilianische Küste Ziel der Überfahrten.

Während sich die Zahl der von Januar bis Mai in Italien angelandeten Migranten und Schutzsuchenden im Vergleich zum Vorjahreszeitraum verdreifacht hat, ist die Zahl der über den Seeweg nach Griechenland gekommenen Menschen Externer Link: gesunken – von 9.748 in den ersten fünf Monaten 2019 auf 7.819 im gleichen Zeitraum 2020. Der Großteil davon traf zwischen Januar und März in Griechenland ein. Im April und Mai wurden hingegen nur insgesamt 267 Ankünfte registriert (Stand: 31. Mai).

In Spanien wurden bis zum 31. Mai insgesamt 6.271 Ankünfte über den Seeweg Externer Link: erfasst – 22 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Insgesamt kamen seit Jahresbeginn Externer Link: 20.846 Schutzsuchende und Migranten über das Mittelmeer nach Europa. 182 Menschen kamen beim Versuch der Überfahrt ums Leben oder werden seither vermisst (Stand: 5. Juni).

Was vom Monat übrig blieb...

Externer Link: Nach Angaben des Statistischen Bundesamts lebten 2019 1,2 Millionen deutsche Staatsangehörige im europäischen Ausland. Die meisten von ihnen hatten ihren Wohnsitz in der Schweiz (306.000), in Österreich (192.000) und im Vereinigten Königreich (142.000).

Ab dem 1. Januar 2021 haben Arbeitskräfte aus EU-Staaten sowie aus Island, Liechtenstein, Norwegen und der Schweiz keinen freien Zugang zum britischen Arbeitsmarkt mehr. Ein entsprechendes Gesetz zur Beendigung der Freizügigkeit hat das britische Unterhaus im Mai beschlossen. Bereits im Interner Link: Februar hatte die britische Regierung einen Vorschlag vorgelegt, wonach die Zuwanderung ins Vereinigte Königreich zukünftig über ein Punktesystem gesteuert werden soll.

Das Mixed Migration Centre hat 2.110 Schutzsuchende und Migranten in Asien, Lateinamerika, Nord- und Westafrika zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf ihre Migrationsprojekte Externer Link: befragt. Über 60 Prozent von ihnen beklagten den Verlust von Arbeit und Einkommen. Dadurch ist es vielen von ihnen auch nicht mehr möglich, Interner Link: Geld an am Herkunftsort verbliebene Familienangehörige zu schicken. Vor allem Befragte in Interner Link: Westafrika gaben an, dass es schwieriger geworden sei, Grenzen zu überqueren.

Fussnoten

Vera Hanewinkel ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück.
E-Mail: E-Mail Link: vera.hanewinkel@uni-osnabrueck.de