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Migrationspolitik – Februar 2020 | Migrationspolitik – Monatsrückblick | bpb.de

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Migrationspolitik – Februar 2020

Vera Hanewinkel

/ 7 Minuten zu lesen

Was ist in der Migrations- und Asylpolitik im letzten Monat passiert? Wie haben sich die Flucht- und Asylzahlen entwickelt? Wir blicken zurück auf die Situation in Deutschland und Europa.

Die griechische Polizei geht mit Wasserwerfern gegen Migranten an der türkisch-griechischen Grenze bei Edirne vor, um sie an einem Grenzübertritt zu hindern. (© picture-alliance/dpa, Yasin Akgul)

Der Februar im Überblick:

*Die Zahlen des BAMF waren zum Zeitpunkt der Veröffentlichung nicht verfügbar. Wir haben sie nachträglich ergänzt, 23.04.2020.

Asylanträge: Aktuelle Entwicklung*

Im Februar hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) 11.928 Asylanträge Externer Link: entgegengenommen: 10.140 Erstanträge und 1.788 Folgeanträge. Rund die Hälfte der Erstanträge (45,6 Prozent) wurde dabei von Geflüchteten aus Interner Link: Syrien, Interner Link: Irak und Interner Link: Afghanistan gestellt. Insgesamt wurden in den ersten beiden Monaten des Jahres in Deutschland 27.264 Asylanträge registriert, was einen Rückgang um 16,1 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum (32.510 Asylanträge) bedeutet. Von den 23.432 Erstantragstellenden waren 4.782 (20,4 Prozent) in Deutschland geborene Kinder im Alter von unter einem Jahr. Das BAMF traf im Januar und Februar zusammengenommen 29.104 Interner Link: Entscheidungen über Asylanträge. 11.092 Personen wurde ein Interner Link: Schutzstatus zugesprochen. Die Gesamtschutzquote belief sich damit auf 38,1 Prozent und verzeichnete einen Anstieg um 1,4 Prozent gegenüber dem Vorjahreswert (Gesamtschutzquote: 36,7 Prozent). 1.195 Asylsuchende wurden in den ersten beiden Monaten des Jahres im Rahmen des Interner Link: Dublin-Verfahrens in andere Mitgliedstaaten überstellt. Gleichzeitig nahm Deutschland 995 Asylsuchende über dieses Verfahren aus anderen Mitgliedstaaten auf.

Die Hälfte der Geflüchteten in Arbeit

In den Jahren 2013 bis 2018 stieg die Zahl der Menschen mit Fluchthintergrund in Deutschland um 1,2 Millionen – fast jeder zweite von ihnen (49 Prozent) war fünf Jahre nach dem Zuzug erwerbstätig. Das ergab eine Externer Link: Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Von den erwerbstätigen Geflüchteten arbeiteten rund 68 Prozent in Vollzeit- oder Teilzeit, 17 Prozent befanden sich in einer bezahlten Ausbildung, zwölf Prozent waren geringfügig beschäftigt, drei Prozent machten ein bezahltes Praktikum. Dabei arbeiteten 44 Prozent der erwerbstätigen Geflüchteten in einem Helferberuf, 57 Prozent waren als Fachkraft oder in Tätigkeitsbereichen mit höherem Anforderungsniveau beschäftigt. Geflüchtete Frauen waren fünf Jahre nach ihrem Zuzug deutlich seltener (29 Prozent) erwerbstätig als männliche Geflüchtete (57 Prozent). Die Forscher führen das vor allem auf die Familiensituation und Kinderbetreuung zurück, die in der Regel von Frauen übernommen wird.

Die Erwerbstätigenquote steigt deutlich, je länger Geflüchtete in Deutschland sind: Während Geflüchtete im ersten Jahr nach dem Zuzug kaum in Arbeit kommen (drei Prozent), ist im dritten Jahr schon mehr als jeder Dritte in Voll- oder Teilzeit erwerbstätig (37 Prozent). Insgesamt verläuft die Interner Link: Eingliederung in den Arbeitsmarkt etwas schneller als bei Geflüchteten, die seit den frühen 1990er Jahren bis 2013 nach Deutschland zugezogen sind. Von ihnen waren fünf Jahre nach der Einreise 44 Prozent erwerbstätig. Die schnellere Arbeitsmarktintegration der seit 2013 zugezogenen Geflüchteten führen die Forscher auf die niedrigere Arbeitslosigkeit, das höhere Beschäftigungswachstum sowie ein breiteres Angebot an Sprachkursen und anderen Integrationsmaßnahmen zurück.


Lage an der türkisch-griechischen Grenze spitzt sich zu

Die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex) hat die Alarmstufe für alle EU-Grenzen zur Türkei auf "hoch" gesetzt. Hintergrund ist die Ankündigung der türkischen Regierung, Schutzsuchende und Migranten Externer Link: nicht länger von einem Grenzübertritt in die EU abhalten zu wollen. Externer Link: Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) warten mindestens 13.000 Menschen im türkisch-griechischen Grenzgebiet auf eine Gelegenheit, in die EU einzureisen. Die griechische Polizei setzte Tränengas und Wasserwerfer ein, um Menschen an einem Grenzübertritt zu hindern. Die griechische Regierung kündigte an, einen Monat lang keine neuen Asylanträge entgegenzunehmen. Frontex schickte zusätzliches Personal nach Griechenland, um das Land beim Grenzschutz zu unterstützen. Bisher gelang hunderten Menschen die Überfahrt auf die griechischen Inseln. Frontex erwartet, dass sich die Lage an der Grenze weiter zuspitzt.

Die Türkei hatte im März 2016 mit der EU Interner Link: vereinbart, Schutzsuchende und Migranten an der Weiterreise in die EU zu hindern und sollte im Gegenzug bis zu sechs Milliarden Euro erhalten, um die rund 3,6 Millionen im Land lebenden syrischen Flüchtlinge zu versorgen. Zudem sagte die EU zu, über Interner Link: Resettlement-Programme syrische Flüchtlinge aus der Türkei aufzunehmen – Externer Link: bis März 2019 waren es rund 20.300. Die türkische Regierung betont jedoch seit längerem, dass sie von der EU mehr Unterstützung erwartet – zumal aufgrund einer militärischen Eskalation im Nordwesten Syriens, an der auch die Türkei beteiligt ist, immer mehr Menschen auf der Suche nach Schutz an die türkische Grenze drängen.

Syrien: Hunderttausende auf der Flucht

Seit Anfang Dezember sind Externer Link: nach Auskunft der Vereinten Nationen rund 950.000 Menschen im umkämpfen Nordwesten Syriens vertrieben worden. Mehr als 80 Prozent davon sind Frauen und Kinder. Der Konflikt im Nordwesten Syriens wird derzeit vor allem zwischen Rebellengruppen und syrischen Regierungstruppen um die Stadt Idlib ausgetragen. Sowohl Russland an der Seite des syrischen Regimes als auch die Türkei, die islamistische Milizen unterstützt, beteiligen sich militärisch an den Kampfhandlungen. Externer Link: Aus Idlib fliehen immer mehr Menschen vor der näher rückenden syrischen Armee. Angaben des Amts der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) zufolge herrscht ein akuter Mangel an Unterkünften und Nahrungsmitteln zur Versorgung der Geflüchteten. Rund Externer Link: 82.000 von ihnen müssten bei Temperaturen um den Gefrierpunkt unter freiem Himmel schlafen. Insgesamt beläuft sich die Zahl der Vertriebenen im Nordwesten Syriens auf Externer Link: mehr als vier Millionen Menschen.

EGMR billigt Spaniens Abschiebepraxis

Spanien darf Menschen, die illegal die Grenzzäune seiner Enklave Melilla in Nordafrika überqueren, umgehend nach Marokko zurückweisen. Das hat der Interner Link: Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg Externer Link: entschieden. Geklagt hatten zwei Geflüchtete aus Mali und der Elfenbeinküste, denen es im August 2014 zusammen mit anderen Migranten gelungen war, mehrere meterhohe Zäune der Grenzanlage in Melilla zu überwinden. Beide Männer waren jedoch umgehend von der spanischen Grenzpolizei nach Interner Link: Marokko zurückgebracht worden, ohne dass ihnen die Möglichkeit gegeben wurde, ein Asylgesuch vorzubringen (sogenanntes "Push Back").

Die Menschenrechtsorganisation Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) unterstützte die Kläger im Verfahren. Gemeinsam argumentierten sie, dass Spanien gegen das Verbot der kollektiven Ausweisung (Artikel 4 des Protokolls Nr. 4 zur Externer Link: Europäischen Menschenrechtskonvention) verstoßen und zudem das Recht auf einen ordentlichen Rechtsweg (Artikel 13 der Konvention) verletzt habe. Die Vertreter Spaniens betonten demgegenüber vor Gericht, dass kein Ausländer das Recht habe, illegal ins Land einzureisen und die spanische Grenzpolizei diese Praxis daher unterbunden habe. Der EGMR gab nun der spanischen Seite recht: Die Kläger hätten legale Einwanderungswege nach Spanien nicht genutzt, daher läge bei der Zurückweisung kein Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention vor. Das Urteil hat auch für andere EU-Staaten Bedeutung, da an der EU-Außengrenze immer wieder Menschen konsequent zurückgedrängt werden – etwa in Externer Link: Ungarn, Externer Link: Kroatien oder Externer Link: Griechenland.

Externer Link: Flüchtlingshilfsorganisationen und Externer Link: Migrationsrechtler zeigten sich angesichts des Urteils enttäuscht, da es in der Praxis an jenen legalen Zugangsmöglichkeiten zum Stellen eines Asylantrags fehle, auf die der EGMR in seiner Urteilsbegründung verwies. Geflüchteten bliebe daher in den meisten Fällen nichts anderes übrig, als illegal in ein Zufluchtsland einzureisen, um dann ein Asylgesuch vorbringen zu können.

Ende der EU-Operation "Sophia"

Ende März läuft das Mandat der im Juni 2015 begonnenen Externer Link: EU-Militäroperation "Sophia" zur Bekämpfung von Menschenschmuggel und Schleuseraktivitäten im südlichen und zentralen Mittelmeer endgültig aus. Der Einsatz von Marineschiffen war bereits im Interner Link: März 2019 eingestellt worden, nachdem die Schiffe mehrere zehntausend Bootsflüchtlinge Interner Link: aus Seenot gerettet hatten. Zwar wird es eine neue EU-Mission geben, bei der auch Marineschiffe zum Einsatz kommen sollen. Diese soll sich aber auf die Unterbindung des Waffenschmuggels nach Interner Link: Libyen konzentrieren und nicht auf den Routen operieren, auf denen Geflüchtete versuchen über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen. Eine zivile europäische Seenotrettungsmission ist derweil nicht in Sicht.

Britische Regierung will Einwanderungsrecht verschärfen

Die britische Regierung unter Premierminister Boris Johnson (Conservative Party) will die Zuwanderung von geringqualifizierten Arbeitskräften Externer Link: massiv einschränken und stattdessen gezielt Fachkräfte anwerben. Innenministerin Priti Patel kündigte ein Punktesystem an, das Sprachkenntnisse, Bildungsqualifikationen, Gehälter und Berufe bewerten und somit nur noch bestimmten Zuwanderern wie Wissenschaftlern, Ingenieuren und Fachkräften die Einwanderung erlauben soll. Potenzielle Migranten sollen beispielsweise einen Job mit einem Jahresgehalt von 25.600 Pfund (etwa 30.100 Euro) vorweisen, um in Großbritannien beschäftigt werden zu dürfen. Ausnahmen soll es lediglich für Personen geben, die ein niedrigeres Gehalt durch andere Qualifikationen ausgleichen können, etwa durch eine abgeschlossene Promotion oder einen Arbeitsvertrag in einem Mangelberuf. Die neuen Regelungen sollen ab dem 1. Januar 2021 sowohl für EU-Staatsangehörige als auch für Bürger anderer Staaten gelten. Dadurch soll sich auch die jährliche Einwanderung insgesamt verringern. Der Wanderungssaldo – d.h. die Differenz aus Zu- und Abwanderung – Externer Link: belief sich im Zeitraum Juni 2018 bis Juni 2019 auf rund 212.000 Personen. Wirtschafts- und Gewerkschaftsvertreter äußerten massive Kritik an den Plänen der Regierung, da viele Branchen im Vereinigten Königreich – z.B. Lebensmittelverarbeitung, Landwirtschaft und Gesundheitswesen – auf niedrigqualifizierte Arbeitskräfte angewiesen seien. Da die Konservative Partei die Mehrheit im britischen Unterhaus hat, gilt es als sicher, dass die Pläne der Regierung vom Parlament gebilligt werden.

Was vom Monat übrig blieb...

Das Bundesverfassungsgericht hat die Beschwerde einer hessischen Rechtsreferendarin gegen das Verbot, bei bestimmten dienstlichen Tätigkeiten wie Verhandlungen vor Gericht ein Kopftuch zu tragen, Externer Link: zurückgewiesen. Der Eingriff in die Glaubensfreiheit sei hier verfassungsrechtlich gerechtfertigt, da u.a. die Verpflichtung des Staates zur weltanschaulich-religiösen Neutralität höher wiege.

Eine Externer Link: Studie des Joint Research Centre (JRC) der Europäischen Kommission ergab, dass die Zustimmung für Parteien mit restriktiver Haltung gegenüber Einwanderung stärker mit sozioökonomischen Faktoren wie Alter sowie niedrigem Bildungsstand und Einkommen zusammenhängt als mit der tatsächlichen Anwesenheit von Migranten im eigenen Umfeld. Auch seien vor allem Menschen in dünn besiedelten Regionen geneigt, für Antieinwanderungsparteien zu stimmen.

In Interner Link: Indien halten massive Proteste gegen ein im Dezember verabschiedetes Staatsbürgerschaftsgesetz an. Es erleichtert die Einbürgerung von Migranten aus Afghanistan, Bangladesch und Pakistan, die bis Ende 2014 nach Indien eingereist waren, um religiöser Verfolgung in ihren Herkunftsländern zu entgehen. Muslimische Migranten sind vom Recht auf Einbürgerung allerdings explizit ausgenommen.

Fussnoten

Vera Hanewinkel ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück.
E-Mail: E-Mail Link: vera.hanewinkel@uni-osnabrueck.de