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Migrationspolitik – Dezember 2017 | Migrationspolitik – Monatsrückblick | bpb.de

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Migrationspolitik – Dezember 2017

Vera Hanewinkel

/ 6 Minuten zu lesen

Was ist in der Migrations- und Asylpolitik im letzten Monat passiert? Wie haben sich die Flucht- und Asylzahlen entwickelt? Wir blicken zurück auf die Situation in Deutschland und Europa.

Geflüchtete demonstrieren im November 2017 vor dem Innenministerium in Berlin und fordern den Familiennachzug. (© picture-alliance/dpa, Silas Stein)

Zahl der Asylanträge in Europäischer Union und Deutschland stark rückläufig

Die Zahl der zwischen Januar und Ende September in der Europäischen Union gestellten Asylanträge liegt deutlich unterhalb derjenigen des Vorjahreszeitraums. Das geht aus aktuellen Externer Link: Daten der Europäischen Statistikbehörde (Eurostat) hervor. Demnach haben die 28 EU-Mitgliedstaaten in den ersten drei Quartalen 2017 insgesamt rund Externer Link: 479.650 Erstanträge von Asylsuchenden registriert – rund 50 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum (Externer Link: 997.820). Die meisten Asylbewerber stammen wie 2016 aus Syrien. Deutschland ist weiterhin das Hauptzielland Asylsuchender in der Europäischen Union, gefolgt von Italien. Nach Externer Link: Angaben des Interner Link: Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge wurden in der Bundesrepublik zwischen Anfang Januar und Ende November 2017 207.157 Asylanträge gestellt, darunter 184.796 Erstanträge. Die meisten Asylbewerber kommen aus Syrien, Irak und Afghanistan. Lag die Gesamtschutzquote für Asylbewerber im Zeitraum Externer Link: Januar bis November 2016 noch bei 63,3 Prozent, so sank sie im selben Zeitraum des Jahres 2017 auf 43,6 Prozent. Der Trend sinkender Schutzquoten zeigt sich EU-weit: Im 3. Quartal 2016 wurden noch Externer Link: 63 Prozent der Asylanträge positiv beschieden, es wurde also ein Schutzstatus gewährt. Im 3. Quartal 2017 lag die Schutzquote nur noch bei Externer Link: 43 Prozent.

Urteil: Beim Familiennachzug ist Kindeswohl entscheidend

Beim Nachzug von Familienmitgliedern zu Interner Link: in Deutschland lebenden minderjährigen Geflüchteten zählt allein das Kindeswohl. Das hat das Berliner Verwaltungsgericht entschieden und gab damit dem Kläger Recht, einem 16-jährigen Syrer, der 2015 nach Deutschland geflohen war und unter einer Interner Link: posttraumatischen Belastungsstörung leidet. Sein Vormund hatte mehrfach vergeblich versucht, die für Minderjährige beim Familiennachzug geltende Härtefallregelung gegenüber dem Auswärtigen Amt geltend zu machen. Anfang 2016 hatte sich die große Koalition auf die Aussetzung des Familiennachzugs für Geflüchtete mit Interner Link: subsidiärem Schutzstatus geeinigt, dabei aber auch vereinbart, in bestimmten Fällen minderjährigen Flüchtlingen das Nachholen ihrer Familien zu gewähren. Nach Externer Link: Recherchen der ARD ist diese Härtefallregelung jedoch in der Praxis nie umgesetzt worden. Die Frage der Verlängerung des Familiennachzugsverbots über März 2018 hinaus ist weiterhin Streitthema zwischen den Unionsparteien und der SPD, die derzeit über eine Regierungsbildung verhandeln.

Mehr erfolgreiche Klagen gegen Asylbescheide

Immer mehr Flüchtlinge klagen gegen ihre Asylbescheide. Von Januar bis September 2017 wurden gegen 272.000 Entscheidungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Klage eingereicht – und damit fast gegen jeden zweiten Asylbescheid. Das berichtet die ARD. 2016 wurde nur gegen jeden vierten Asylbescheid geklagt. In mehr als 27 Prozent der Fälle bekamen die Kläger 2017 Recht, 2016 waren es nur rund 13 Prozent. Vor allem syrische Asylbewerber gehen zunehmend vor Gericht, weil sie eine Interner Link: Flüchtlingsanerkennung erwirken wollen. Oft spricht das BAMF ihnen nur den subsidiären Schutz zu, der derzeit ein Verbot des Familiennachzugs beinhaltet. Verliert die Bundesbehörde das Verfahren, muss sie die Prozesskosten tragen. Bis Ende November 2017 beliefen sich diese Kosten für das BAMF auf mehr als 19 Millionen Euro (2016: mehr als 11 Millionen Euro). Wohlfahrtsorganisationen weisen regelmäßig auf Mängel im Interner Link: Asylverfahren hin. Die Zunahme der Klagen gegen Asylbescheide ist aber auch auf eine bessere Rechtsberatung von Asylbewerbern zurückzuführen, die unter anderem von zivilgesellschaftliche Organisationen angeboten wird.

Abschiebestopp nach Syrien bis Ende 2018 verlängert

Der bereits im September 2017 ausgelaufene Abschiebestopp nach Syrien wird bis Ende 2018 verlängert. Darauf einigten sich die Innenminister von Bund und Ländern im Dezember auf ihrer Konferenz in Leipzig. Der Entscheidung war ein Streit zwischen CDU/CSU und SPD vorausgegangen. So hatten die Unions-Innenminister Sachsens und Bayerns beantragt, wieder nach Syrien abschieben zu dürfen. Zudem hatte sich unter anderem der innen- und rechtspolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, Michael Frieser, Externer Link: dafür ausgesprochen, den Abschiebestopp nur bis Ende Juni 2018 zu verlängern. Die SPD stellte sich gegen dieses Vorhaben. So sagte etwa Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius gegenüber der Presse, dass die Forderung der unionsgeführten Innenressorts "zynisch" wirke, "angesichts der nach wie vor aussichtslosen Lage des Landes mit vielen Toten und der Zerstörung in Syrien". Die Innenminister einigten sich auf ihrer Konferenz darauf, dass der Bund die Interner Link: Sicherheitslage in Syrien neu bewerten solle, bevor man über Möglichkeiten einer Abschiebung bestimmter Personengruppen wie sogenannte Gefährder oder Schwerstkriminelle entscheide. Das Verbot von Abschiebungen nach Syrien gilt seit 2012 und ist bislang jährlich verlängert worden. Seit Beginn des Bürgerkriegs in Syrien 2011 sind etwa Externer Link: 700.000 Menschen aus Syrien nach Deutschland geflohen.

Europäische Union: Weiterhin Streit um verbindliche Aufnahmequoten

Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union streiten weiter über ein Quotensystem, das zu einer gerechteren Verteilung von Asylsuchenden beitragen soll. Im Vorfeld eines EU-Gipfels im Dezember hatte Ratspräsident Donald Tusk in einem Einladungsschreiben, aus dem die Medien zitieren, ein solches Instrument als "unwirksam" und "höchst spaltend" bezeichnet. Hintergrund ist unter anderem die ernüchternde Bilanz des im Herbst 2015 von den EU-Mitgliedstaaten beschlossenen Umsiedlungsprogramms, das eine Verteilung von 160.000 Asylsuchenden aus Griechenland und Italien auf andere Mitgliedstaaten vorsieht. Rund 54.000 der Externer Link: Relocation-Plätze wurden später für Aufnahmen im Rahmen des Interner Link: EU-Flüchtlingsabkommens mit der Türkei umgewidmet. Bis zum 4. Januar 2018 wurden allerdings gerade einmal Externer Link: 11.436 Geflüchtete aus Italien und 21.704 Geflüchtete aus Griechenland auf andere Staaten der EU und des Europäischen Wirtschaftsraums verteilt. Insbesondere einige osteuropäische Länder wehren sich gegen ein verbindliches Quotensystem zur Aufnahme von Asylsuchenden. Da Ungarn und Polen bislang keinen einzigen und Tschechien lediglich zwölf Asylsuchende aus Griechenland oder Italien aufgenommen haben, leitete die EU-Kommission im Dezember ein Externer Link: Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof Externer Link: gegen diese Länder ein. Allerdings hat außer Malta kein einziger EU-Staat seine Zusagen im Relocation-Programm erfüllt. So nahm beispielsweise Österreich bis Januar 2018 nur 17 Asylsuchende aus Italien auf. Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), der sich für einen restriktiven migrationspolitischen Kurs einsetzt, lehnt verbindliche Verteilungsquoten ab. Die deutsche Bundesregierung hingegen unterstützt ein solches System und fordert mehr Solidarität der EU-Staaten bei der Flüchtlingsaufnahme. Deutschland hat Externer Link: bislang rund 10.000 Flüchtlinge aus Italien und Griechenland aufgenommen, liegt damit aber ebenfalls unter seiner Externer Link: Selbstverpflichtung, rund 28.000 Asylsuchende aus beiden Ländern aufzunehmen.

Studie: Europas muslimische Bevölkerung wächst

Einer Externer Link: Studie des renommierten US-amerikanischen Pew Reserach Centers zufolge wird die Zahl der in Europa lebenden Muslime zukünftig deutlich steigen. Selbst wenn die Zuwanderung von muslimischen Menschen vollständig gestoppt würde, würden Muslime 2050 7,4 Prozent der europäischen Gesamtbevölkerung (von 481,7 Millionen) stellen. 2016 waren es infolge der Zuwanderung von rund 3,7 Millionen Muslimen im Zeitraum 2010 bis 2016 4,9 Prozent (europ. Gesamtbevölkerung 2016: 520,8 Millionen). Würde sich die Zuwanderung wie im genannten Zeitraum auch zukünftig fortsetzen, könnten 2050 75 Millionen Interner Link: Muslime in Europa leben, was einem Anteil von 14 Prozent der Gesamtbevölkerung des Kontinents (538,6 Millionen) entspräche. Die an der Studie beteiligten Forscher räumen allerdings ein, dass dieses Szenario angesichts der derzeit stark rückläufigen Fluchtzuwanderung aus muslimisch geprägten Ländern eher unwahrscheinlich ist. Ihr Szenario, das von einer mittleren Zuwanderung ausgeht, prognostiziert, dass sich der Anteil der Muslime an der europäischen Gesamtbevölkerung (516,9 Millionen) zwar bis 2050 gegenüber 2016 mehr als verdoppelt, allerdings unter 14 Prozent bleibt. Neben der Zuwanderung ist auch die höhere Geburtenrate muslimischer Frauen für das Wachstum der muslimischen Bevölkerung verantwortlich. Für Interner Link: Deutschland prognostiziert die Studie bei mittlerer Zuwanderung einen Anstieg der muslimischen Bevölkerung von derzeit 6,1 Prozent auf 10,8 Prozent. Auch wenn die Islamwissenschaftlerin Riem Spielhaus dieses Szenario durchaus für realistisch Externer Link: hält, mahnt sie dennoch zur Vorsicht bei der Interpretation der Studie. Die Herkunft aus einem muslimischen Land sage noch nichts über die Religiosität der Zugewanderten aus. Zudem bedeute der Anstieg der Zahl der in Deutschland lebenden Muslime nicht automatisch eine Zunahme gesellschaftlicher Spannungen, wie von rechten Parteien häufig behauptet. So zeigt beispielsweise der Externer Link: Religionsmonitor 2017 der Bertelsmann-Stiftung deutliche Fortschritte bei der Integration der rund Externer Link: 4,7 Millionen in Deutschland lebenden Muslime.

UN-Flüchtlingspolitik: USA kündigen Mitarbeit am globalen Migrationspakt auf

Die USA haben sich aus der Mitarbeit an einem Externer Link: globalen Flüchtlings- und Migrationspakt zurückgezogen. Zur Begründung sagte die UN-Botschafterin der USA, Nikki Haley, dass jedes Land selbst über seine Einwanderungspolitik entscheiden müsse und eine globale Herangehensweise "nicht mit der Souveränität der Vereinigten Staaten vereinbar sei". Die Vereinten Nationen (UN) arbeiten derzeit an einem globalen flüchtlings- und migrationspolitischen Abkommen, das bis Ende 2018 ausgehandelt werden soll, aller Voraussicht nach aber kein bindendes Rechtsinstrument darstellen wird. Gerahmt wird der Migrationspakt durch die Externer Link: Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung, die unter anderem die Kooperation für eine "sichere, geordnete und reguläre Migration" vorsieht. Die 193 UN-Mitgliedstaaten hatten sich am 19. September 2016 auf eine bessere internationale Zusammenarbeit im Bereich Flucht und Migration verständigt und die Ausarbeitung des globalen Migrationspakts beschlossen. Mit der Absage an eine Kooperation in Migrationsfragen ziehen sich die Interner Link: USA weiter aus der internationalen Zusammenarbeit heraus. Zuvor hatten sie bereits ihre Mitgliedschaft in der Interner Link: Kultur- und Bildungsorganisation der Vereinigten Staaten (UNESCO) beendet und waren aus dem internationalen Interner Link: Klimaabkommen von Paris ausgetreten.

Fussnoten

Vera Hanewinkel ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück.
E-Mail: E-Mail Link: vera.hanewinkel@uni-osnabrueck.de