Als Grenz- und Kontaktraum zwischen dem Schwarzen Meer und dem Kaspischen Meer ist die Region Südkaukasus (Georgien, Armenien und Aserbaidschan) schon immer ein Ort der grenzüberschreitenden Mobilität und des Austausches gewesen. Die Migration aus Russland in den Südkaukasus geht auf die kolonial-imperiale Vergangenheit des russischen Zarenreiches zurück, die politische und wirtschaftliche Dimensionen der Migration aus Russland nach Georgien und Armenien bis heute beeinflusst.
Migration aus Russland nach Georgien und Armenien
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Seit Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine sind hunderttausende russische Staatsangehörige ausgewandert, viele von ihnen nach Georgien und Armenien. Wer sind diese „neuen“ Migrant*innen?
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Wer kommt gegenwärtig nach Georgien und Armenien?
Der Beginn des
In zwei quantitativen Erhebungen (OutRush, Krawatzek et al.) stellte sich heraus, dass die meisten russischen Migrant*innen wirtschaftlich unabhängig, jung und gebildet sind und ein urbanes Konsumverhalten haben.
Die moderaten Lebenshaltungskosten in Georgien und Armenien und das geringe Ausmaß rechtlicher Regelungen im wirtschaftlichen und sozialen Bereich machen die Ankunft für Russ*innen und die Anpassung an das Leben einfacher als in Europa. Viele Neuankömmlinge können entweder aus der Ferne arbeiten (IT-Bereich) oder verfügen über ausreichende Ersparnisse, um sich eine Zeit lang auch ohne Einkommen zu finanzieren. Erhebungen zufolge ist jedoch nicht klar, ob russische Migrant*innen längerfristig in Georgien und Armenien bleiben werden: Die meisten eingewanderten Russ*innen betrachten ihre Zufluchtsorte als Transitländer für eine mögliche weitere Emigration nach Europa, in die USA oder nach Lateinamerika.
Viele der neuen Migrant*innen sind nicht nur jung und gut gebildet, sondern auch politisch interessiert und gesellschaftlich engagiert.
Die meisten politisch aktiven russischen Migrant*innen ziehen es vor, in den Ankunftsgesellschaften unsichtbar zu bleiben und nicht an öffentlichen Protesten in Georgien und Armenien teilzunehmen. Sie wollen sich nicht in innere Angelegenheiten beider Länder einmischen. Entsprechend ist die Bereitschaft, lokale Sprachen zu lernen, sehr niedrig. Gleichzeitig entstehen in Tiflis und Jerewan sichtbare russische „Enklaven“ und Communities, die Migrant*innen eigene Co-Working Spaces, Cafés, Restaurants, Läden, Schulen und Treffpunkte anbieten.
In Anbetracht der Tatsache, dass Georgien und Armenien bis vor Kurzem überwiegend Abwanderungsländer waren (Arbeits-, Bildungs- und Fachkräftemigration), stehen beide Länder angesichts der Zuwanderung von Russ*innen derzeit vor großen Herausforderungen. Während Georgiens Regierung eine tolerante Haltung gegenüber dem Zuzug russischer Migrant*innen zeigt und es ablehnt, Wirtschaftssanktionen gegen Russland zu verhängen, steht die Mehrheit der georgischen Bevölkerung den Neuankömmlingen eher skeptisch gegenüber. Etwas anders stellt sich die Situation in Armenien dar. Armenien wird von russischen Staatsbürger*innen generell als ein ihnen gegenüber freundliches und sicheres Land betrachtet. Die Beziehungen zu Russland haben sich zuletzt allerdings aufgrund der fehlenden militärischen Unterstützung angesichts des
Die Reaktion der Ankunftsgesellschaft
Die Ankunft Hunderttausender russischer Bürger*innen nach Beginn der russischen Invasion in der Ukraine hat in den Zielländern wie Georgien und Armenien unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen. Generell ist die Einstellung der einheimischen Bevölkerung gegenüber den Neuankömmlingen in Georgien überwiegend negativ, in Armenien hingegen eher positiv.
In beiden Ländern wurden die russischen Migrant*innen innerhalb kurzer Zeit zu wichtigen wirtschaftlichen Akteuren und Verbrauchern, was sich auf die lokale Wirtschaft im Allgemeinen und auf die Mietpreise im Besonderen auswirkte: 2022 führte etwa der Zuzug russischer Migrant*innen zu spürbaren Engpässen auf dem Wohnungsmarkt und extremen Mietpreissteigerungen in Tiflis, was
Laut einer repräsentativen Umfrage des International Republican Institute 2022 stellt Russland für fast 90 Prozent der georgischen Befragten eine Bedrohung dar.
In Georgien löste die Migration aus Russland Ängste aus: Viele sehen darin die Gefahr, dass der Kreml – wie auch in der Ukraine geschehen – Georgien militärisch angreifen könnte, um russische Staatsbürger*innen im Ausland vermeintlich „zu schützen“.
Die kritische Haltung gegenüber der Anwesenheit von Russ*innen in Tiflis spiegelt sich z. B. in zahlreichen städtischen Graffiti in englischer und russischer Sprache wider, etwa „Russia kills“ und „You are not welcome“. Da die Migrant*innen aus Russland zum wirtschaftlich stärkeren Bevölkerungsteil zählen, tragen sie zusätzlich zur sozialen Verunsicherung und Ungleichheit in Georgien (aber auch in Armenien) bei.
Dieser Text wurde am 02.07.2024 aktualisiert. Es wurden Fußnoten überarbeitet und zusätzliche Literaturangaben ergänzt.
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PD Dr. Tsypylma Darieva ist Senior Researcher am Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien (ZOiS), wo sie den Forschungsschwerpunkt „Migration und Diversität“ leitet. Darieva lehrt an der Humboldt Universität zu Berlin am Institut für Asien- und Afrikawissenschaften. Ihre Forschungsinteressen umfassen: Anthropologie der Migration, transnationale Diasporagemeinschaften, Transformation urbaner Kulturen und religiöser Vielfalt in post-sowjetischen Gesellschaften Eurasiens. Sie ist Mitbegründerin des ZOiS Caucasus Network.
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