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Bei diesem Beitrag handelt es sich um eine aktualisierte Fassung des gleichnamigen Beitrags, der an dieser Stelle erstmals am 24.02.2023 erschienen ist.
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Seit Beginn des Kriegs gegen die Ukraine wurden viele Millionen Menschen innerhalb der Ukraine vertrieben oder flohen außer Landes. Ausblick: nach wie vor ungewiss.
Bei diesem Beitrag handelt es sich um eine aktualisierte Fassung des gleichnamigen Beitrags, der an dieser Stelle erstmals am 24.02.2023 erschienen ist.
Am 24. Februar 2022
Die
Ukraine - Physische Übersicht, Grenzen und Verkehr (mr-kartographie Gotha) Lizenz: cc by-nc-nd/4.0/deed.de
Die von der ukrainischen Regierung kontrollierten Gebiete hatten bei Kriegsausbruch eine Externer Link: Bevölkerung von etwa 39 Millionen; einschließlich der bereits 2014 besetzten Gebiete Donbass und Krim hatte die Ukraine rund 43 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner. Durch natürliche Alterung sowie Auswanderung war die Bevölkerung seit der Unabhängigkeit der Ukraine 1991 um etwa acht Millionen zurückgegangen.
Das kriegsbedingte Wanderungs- und Fluchtgeschehen in der Ukraine hat diverse Formen, verläuft in verschiedene Richtungen und ist dementsprechend sehr komplex. Da ukrainische Staatsangehörige seit 2017 ohne Visum in die EU einreisen dürfen, war die Flucht vor dem Krieg von Beginn an legal möglich. Die EU-Mitgliedstaaten Externer Link: beschlossen zudem kurz nach Kriegsausbruch, die 2001 ins Leben gerufene, bis dahin aber nie angewendete Richtlinie über den befristeten Schutz – in Deutschland als „Massenzustromrichtlinie“ bekannt – zu aktivieren. Dadurch erhalten Geflüchtete aus der Ukraine unbürokratisch einen befristeten Schutzstatus, der ihnen auch Zugang zum Arbeitsmarkt, zum Bildungssystem, zur Gesundheitsversorgung und zu sozialstaatlichen Leistungen gewährt. Diese Regelung wurde mehrfach verlängert und gilt Externer Link: noch bis März 2026. Allerdings fällt die Externer Link: Ausgestaltung dieser Rechte in den verschiedenen EU-Mitgliedstaaten ganz unterschiedlich und mehr oder weniger großzügig aus.
Zu Beginn des Überfalls Russlands auf die Ukraine flohen täglich bis zu 200.000 Menschen außer Landes. An den Grenzen bildeten sich teilweise bis zu 35 Kilometer lange Schlangen. Flüchtende harrten bis zu drei Tage aus, ehe ihnen die Ausreise gelang. Aufgrund der EU-seitigen Einreise- und Zollkontrollen sind die Externer Link: Wartezeiten an der Grenze auch bis heute noch lang. Bislang ungenügend gewürdigt wird die Tatsache, dass die Flucht Großteils in Form einer Externer Link: geordneten Evakuierung mit Bus und Bahn erfolgte, wodurch eine humanitäre Krise vermieden werden konnte. Der relativ geordnete Charakter der Fluchtbewegung setzte sich innerhalb der EU fort, wo die verschiedenen nationalen Eisenbahnen die Weiterreise zunächst kostenfrei anboten, seit Juni 2022 wurde aber schrittweise die Fahrkartenpflicht wieder eingeführt. In Deutschland ist die Externer Link: Einreise frei (Stand: Januar 2025), für Inlandreisen wird aber ein Fahrschein verlangt, der allerdings in den Erstaufnahmeeinrichtungen gebührenfrei ausgegeben wird (sogenanntes helpukraine-Ticket).
Männern (siehe unten) ist aufgrund des Kriegsrechts die Ausreise aus der Ukraine nur in Ausnahmefällen gestattet. Deshalb können sie die Ukraine überwiegend nur unerlaubt verlassen, etwa über die Berge der Karpaten oder den Fluss Tysa. Bis Mitte 2024 sind mehrere Zehntausend bei der irregulären Ausreise aufgegriffen worden, allein Externer Link: 23.000 in Moldawien (Stand: Juni 2024), die Dunkelziffer dürfte allerdings weitaus höher – bei mehreren Hunderttausend – liegen. Rund 40 Menschen sind dabei bis Anfang 2025 sogar Externer Link: ums Leben gekommen. Der anschließende Aufenthalt von geflüchteten ukrainischen Männern in den Aufnahmestaaten ist allerdings – wie bei schutzsuchenden Frauen aus der Ukraine auch – legal.
Die Bundesregierung führte im Oktober 2023 Externer Link: Kontrollen an den EU-Binnengrenzen ein, insbesondere auch zu Polen, um irreguläre Migration zu bekämpfen. Diese Kontrollen betreffen auch UkrainerInnen. So wurden allein in den Monaten Januar bis September 2024 Externer Link: nahezu 6.000 UkrainerInnen abgewiesen. Sie waren damit die größte einzelne Gruppe der Abgewiesenen. Demnach ist nicht allen UkrainerInnen die legale Einreise möglich, wobei die Externer Link: Rechtsgrundlage dieser Zurückweisungen unklar ist (Stand: 11.2.2025).
Die Mehrheit der Geflüchteten aus der Ukraine in der EU verließen das Land innerhalb der ersten zwei Monaten des Krieges, insgesamt 4 Millionen Menschen. Allein im ersten Kriegsjahr erfasste das UN-Flüchtlingshilfswerk (Externer Link: UNHCR) mehr als Externer Link: 18,8 Millionen Ausreisen aus der Ukraine. Allerdings wurden vom ersten Kriegsmonat an auch Einreisen in die Ukraine registriert, allein 340.000 im März 2022 und Externer Link: 10,4 Millionen bis Februar 2023. Inzwischen sind schätzungsweise Externer Link: 1,2 Millionen Menschen (Stand: April 2024) wieder dauerhaft in die Ukraine zurückgekehrt, darunter schätzungsweise 162.000 aus Deutschland, was etwa 12-14 Prozent der nach Deutschland geflüchteten Ukrainer:innen entspricht. Weitere rund Externer Link: 40 Prozent reisen öfter, teils sogar regelmäßig hin- und her, überwiegend Frauen, wodurch diese Bewegungen teilweise die Form einer Pendelmigration angenommen haben. Auch nach der Ausreise blieben viele UkrainerInnen mobil: So reisten die meisten Schutzsuchenden anfänglich aus den Erstaufnahmeländern Ungarn, Slowakei, Rumänien und Moldawien Externer Link: in andere Staaten weiter. Diese Mobilität hält bis heute an, insbesondere zwischen den EU-Mitgliedstaaten, so dass 2024 noch Externer Link: sieben Prozent angaben, zuvor in einem anderen Mitgliedstaat registriert gewesen zu sein (dies führt auch zu Doppelzählungen). Insgesamt hatten zeitweise über Externer Link: 4,8 Millionen UkrainerInnen einen befristeten Schutzstatus erhalten. Zwar sind rund 1,2 Millionen wieder in die Ukraine zurückgekehrt, dafür haben aber im Laufe des Jahres 2024 etwa Externer Link: 660.000 weitere UkrainerInnen in der EU Schutz gesucht, insbesondere Männer. Inzwischen und nach diversen Datenbereinigungen sind noch zwischen rund 4,1 (Externer Link: Eurostat) und 4,4 (Externer Link: EUAA) Millionen UkrainerInnen mit einem befristeten Schutzstatus registriert (Stand: Dezember 2024). Wie viele von ihnen sich auch tatsächlich in den europäischen Aufnahmestaaten aufhalten, lässt sich vor dem Hintergrund von Doppelmeldungen sowie Rückkehr- und Pendelbewegungen nicht mit Gewissheit sagen. So wurde die Externer Link: Zahl der UkrainerInnen in Deutschland zwischen Juni und Juli 2024 um rund 240.000 nach unten korrigiert. Nach der 2022 hohen Zahl an neueinreisenden Kriegsflüchtlingen sind die Gesamtzahlen von UkrainerInnen in der EU seit Mitte 2023 stabil.
Die verstärkten russischen Angriffe auf die ukrainische kritische Infrastruktur – Elektrizitäts- und Heizkraftwerke sowie Wasserreservoirs und Staudämme – ab Ende 2023 und in 2024 zielten darauf ab, die Ukraine unbewohnbar zu machen. Es gelang aber mittels Rationierung von Stromlieferungen, schnellen Reparaturen, technischer Hilfe durch die westlichen Verbündeten sowie dank des Imports von Energie, Solarpanels und Generatoren einen Externer Link: Zusammenbruch der Energieversorgung abzuwenden. Auch hat die Ukraine große Kohlereserven, die von vielen Haushalten (Externer Link: 28,6 Prozent) genutzt werden können, da sie noch Holz- und Kohleöfen haben, insbesondere auf dem Land. Deshalb blieb eine weitere große Fluchtbewegung im Winter 2024/25 aus.
Infolge des Angriffs auf das gesamte Gebiet der Ukraine wurden auch aus Russland zunächst Externer Link: 2,85 Millionen Einreisen aus der Ukraine gemeldet, die sich aber als Externer Link: verzerrte Darstellung von UNHCR-Daten erwiesen haben. Solche Zahlen entspringen vielmehr dem russischen Versuch, sich als Befreier der Ukraine und Schutzland von Flüchtenden zu präsentieren. Von den UkrainerInnen in Russland ist die überwiegende Mehrheit vermutlich Externer Link: nicht freiwillig dort, sondern wurde entweder evakuiert oder deportiert
Der größere Teil der vom Krieg betroffenen Menschen blieb – wie dies auch in anderen Konflikten beobachtet werden kann – als Binnenvertriebene innerhalb der Ukraine. Bei Kriegsausbruch flüchteten viele Menschen aufs Land in ihre Wochenendhäuschen oder in die Städte im Landesinneren und im Westen, etwa nach Lwiw, Winnyzja, Ternopil, Tscherniwzi und Iwano-Frankiwsk. Die Aufnahmekapazität von Binnenflüchtlingen wurde, so kann angenommen werden, auch vom Bevölkerungsrückgang seit der Unabhängigkeit der Ukraine begünstigt. Schätzungen zur Zahl der Binnenflüchtlinge schwankten je nach Quelle. So ging die ukrainische Demographin Ella Libanova im Juni 2022 von Externer Link: zwischen 3,5 und vier Millionen Binnenflüchtlingen aus, während die
Die sozio-ökonomische Lage der in der Ukraine verbleibenden Menschen und insbesondere der Binnenvertriebenen ist dramatisch: Externer Link: 21 Prozent haben ihren Arbeitsplatz verloren, 14,6 Millionen benötigen humanitäre Unterstützung, nur Externer Link: 8,5 Millionen hatten bis Dezember 2023 auch Hilfe erhalten. Im Jahr 2024 hat sich die wirtschaftliche Lage allerdings etwas verbessert und die Arbeitslosigkeit ist zurückgegangen, so dass noch Externer Link: 18,9 Prozent der Bevölkerung als arm galten.
Nicht alle Menschen wollen oder können aus den besetzen oder frontnahen Dörfern und Städten fliehen: Trotz Besatzung und Beschuss harren noch immer mehrere Millionen Menschen in den Großstädten Kharkiw, Saporischschja, Sumy, Chernigiv und vielen anderen Städten aus. Selbst in den umkämpften Gebieten der Provinz Donetzk sollen von einst 1,7 Millionen EinwohnerInnen trotz Evakuierungsbefehl noch etwa Externer Link: 318.000 geblieben sein (20 Prozent). Vor allem ältere Menschen, Behinderte und teils deren pflegende Angehörige, auch mit Kindern, sowie generell jene Externer Link: mit einem niedrigeren Einkommen zählen zu dieser eher immobilen Gruppe.
Nimmt man Binnenflüchtlinge und aus der Ukraine Geflüchtete zusammen, wurden im ersten Jahr des Angriffskriegs mindestens zehn bis zwölf Millionen Menschen vertrieben – über ein Viertel der gesamten ukrainischen Bevölkerung.
Als Reaktion auf die russische Invasion rief die ukrainische Regierung am 24. Februar 2022 das Kriegsrecht aus und ordnete die Generalmobilmachung an. Sie verbietet Männern zwischen 18 und 60 Jahren (mit einigen Externer Link: Ausnahmen wie Studierende, Alleinerziehende, Väter von drei oder mehr Kindern u.a.), das Land zu verlassen (das Einberufungsalter ist 25). Deshalb waren die ins Ausland Geflüchteten zunächst überwiegend erwachsene Frauen (etwa 65 Prozent), einschließlich der Mädchen waren 2022 über Externer Link: 80 Prozent der Kriegsflüchtlinge weiblich. Ab 2023 verließen allerdings auch immer mehr Männer das Land, entweder um sich nach langer Trennung ihren Familien im Ausland anzuschließen und/oder um dem Kriegsdienst zu entkommen. Ihr Anteil ist in Deutschland von rund Externer Link: 20 Prozent Anfang 2023 auf Externer Link: 37 Prozent Ende 2024 angestiegen. Insgesamt sind in Deutschland etwa ein Drittel der ukrainischen Geflüchteten Kinder und Jugendliche (Externer Link: 358.000, Stand: September 2024), deutlich mehr als im internationalen Vergleich, der bei 26,5 Prozent liegt. Demnach ist Deutschland als Fluchtziel überdurchschnittlich attraktiv für Frauen bzw. Familien mit Kindern. Das Durchschnittsalter der Erwachsenen liegt bei 40 Jahren – ein Anstieg um vier Jahre seit 2023, der vor allem auf den Zuzug erwachsener Männer zurückgeführt werden kann. Die in die EU Geflüchteten sind Externer Link: überdurchschnittlich gut gebildet, EU-weit haben Externer Link: 63 Prozent einen Hochschulabschluss (in Deutschland sind es sogar 72 Prozent) und weitere 13 Prozent einen Berufsabschluss.
Bei alledem ist zu berücksichtigen, dass die ukrainische Bevölkerung sehr divers ist; es gab vor Kriegsausbruch 130 Minderheiten im Land – RussInnen, BelarussInnen, MoldawierInnen, TatarInnen (Muslime), BulgarInnen, UngarInnen, Jüdinnen und Juden, Roma u.v.a.–, mit zusammen rund zehn Millionen Angehörigen.
Zudem
Vor dem Krieg lebten Externer Link: über zwei Millionen UkrainerInnen in der EU: ArbeitsmigrantInnen, Studierende und EhepartnerInnen von EU-BürgerInnen, darunter 150.000-200.000 in Deutschland. Diese bildeten ein bedeutendes Migrationsnetzwerk, welches einen wichtigen Anlaufpunkt für die bei Kriegsbeginn aus der Ukraine geflohenen Menschen darstellt. Die größte Gruppe von Geflüchteten aus der Ukraine (Externer Link: über 1,2 Millionen) fand Schutz in Deutschland, die zweitgrößte Gruppe (rund Externer Link: 993.000) hält sich in Polen auf (Januar 2025), wo bereits vor dem Krieg bis zu 1,4 Millionen ukrainische ArbeitsmigrantInnen lebten. Insgesamt haben in Polen seit Beginn der Invasion fast 1,8 Millionen UkrainerInnen einen Schutzstatus erhalten, sind aber teils weiter oder wieder ausgereist. Daneben haben auch andere EU-Staaten viele Menschen aus der Ukraine aufgenommen. Externer Link: Ende 2024/Anfang 2025 hielten sich rund 390.000 ukrainische Geflüchtete in Tschechien, gut 217.000 in Spanien und fast 172.000 in Italien auf. Außerhalb der EU hat in Europa vor allem das Vereinigte Königreich vielen UkrainerInnen Schutz gewährt (rund 254.000), zudem leben knapp 35.000 ukrainische Geflüchtete in der Türkei. Während Geflüchtete aus der Ukraine in den EU-Staaten den oben erwähnten temporären Schutzstatus mit Zugang zu Sozialhilfe und Arbeitsmarkt erhalten können, werden sie in anderen Staaten, wie der Externer Link: Türkei und Externer Link: Georgien, dagegen de facto nur toleriert, genießen aber keinen rechtsgültigen Status. In Polen können Geflüchtete aus der Ukraine, vorausgesetzt sie verdienen monatlich mindestens rund 1.000 Euro brutto, seit Juni 2024 eine Aufenthaltsgenehmigung beantragen. Sie fallen damit aus der Kategorie ‚Geflüchtete‘ heraus und sind nicht mehr als Personen mit temporärem Schutzstatus erfasst.
Je nach Quelle, Land und Befragungszeitpunkt machen die Schutzsuchenden leicht voneinander abweichende Angaben zu ihren Zukunftsplänen. Vor allem aber ändern sich diese Pläne mit dem Fortgang des Krieges und der zunehmenden Aufenthaltsdauer in den verschiedenen EU-Aufnahmestaaten. Im April 2022 wollten einer Externer Link: EU-weiten ukrainischen Umfrage zufolge noch zwei Drittel der Geflüchteten in die Ukraine zurückkehren, im September desselben Jahres gaben dagegen in Externer Link: Polen 64 Prozent an, bis auf Weiteres bleiben zu wollen, ebenso wollten laut einer Externer Link: Studie in Deutschland 37 Prozent der Geflüchteten „für immer oder mehrere Jahre“ im Land bleiben. Der Anteil der Unentschiedenen war in den jeweiligen Umfragen groß und lag bei mehr als ein Viertel. Anfang Externer Link: 2023 gaben in Deutschland bereits 44 Prozent an, für immer oder zumindest einige Jahre bleiben zu wollen, 33 Prozent wollten dagegen bald oder bei Kriegsende zurück, während nach wie vor 23 Prozent unentschlossen waren. Nach den letzten Externer Link: Umfragen in 2024 gaben EU-weit nur noch 34 Prozent der ukrainischen Geflüchteten an, zurückkehren zu wollen – in Deutschland sogar nur noch 24 Prozent. definitiv im Aufnahmeland bleiben wollten laut Externer Link: IfO-Institut 25 Prozent. Auch einer eigenen Externer Link: Prognosen zufolge könnten je nach Dauer und Ausgang des Krieges und abhängig von der Sicherheitslage, Geschwindigkeit des Wiederaufbaus, der wirtschaftlichen Erholung und der Jobsituation sowie dem ausländerrechtlichen Status zwischen 31 Prozent (1,3 Millionen) und 49 Prozent (1,89 Millionen) der geflüchteten UkrainerInnen dauerhaft in der EU bleiben und zusätzlich über den Familiennachzug schätzungsweise zwischen 335.000 bis 366.000 Personen aus der Ukraine nachholen. Allerdings zeigt sich, dass die Frage nach einem Verbleib im Zufluchtsland oder einer Rückkehr in die Ukraine keine schlichte Entweder-Oder-Entscheidung ist, sondern – wie oben gezeigt – mit einer intensiven Externer Link: Pendelbewegung einhergeht, die durch das visafreie Reisen ermöglicht wird.
Inzwischen ist die überwiegende Mehrheit der UkrainerInnen seit drei Jahren in ihren europäischen Aufnahmeländern, darunter Deutschland. Mit Blick auf die vorübergehende oder dauerhafte Integration der Geflüchteten sind deshalb insbesondere auch die Bildungssysteme und Arbeitsmärkte in den Aufnahmeländern gefordert.
In Deutschland gingen Mitte 2023 rund 62 Prozent der ukrainischen Kinder im Alter bis 6 Jahre in einen Externer Link: Kindergarten. Im vierten Quartal 2024 besuchten rund Externer Link: 221.000 junge ukrainische Geflüchtete eine Schule. Die Betreuung der Kinder und ihr Schulbesuch ist Voraussetzung für die Teilnahme der Eltern an Integrationsmaßnahmen und ihren Zugang zum Arbeitsmarkt. Erwachsene nehmen in der Regel zunächst an einem Integrationskurs teil, der auch einen Sprachkurs beinhaltet. Während die Externer Link: Wartezeit auf einen Integrationskurs in 2022 noch kurz war, betrug sie 2023 durchschnittlich mehr als 21 Wochen. Bis 2024 haben etwa 485.000 UkrainerInnen an Externer Link: Integrationskursen teilgenommen, allerdings haben nur 45,5 Prozent die Abschlusstests bestanden, so dass viele vor allem die Sprachkurse wiederholen mussten. Dennoch wird die Wirkung der Teilnahme an Integrationskursen positiv bewertet.
Laut einer Befragung des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung gelingt insbesondere die Externer Link: Arbeitsmarktintegration der geflüchteten UkrainerInnen „besser als bei anderen geflüchteten Gruppen. Dies liegt vor allem an dem überdurchschnittlich hohen Bildungs- und Qualifikationsniveau, dem erleichterten Zugang zum Arbeits- und Wohnungsmarkt sowie den schnellen Fortschritten beim Erlernen der deutschen Sprache auch dank der großen Zahl verfügbarer Integrations- und Sprachkurse“. In Externer Link: Deutschland waren demnach im Externer Link: Oktober 2024 bereits rund 275.000 UkrainerInnen beschäftigt (einschließlich 50.000 Minijobber), also 29,4 Prozent der UkrainerInnen im erwerbsfähigen Alter. Dies ist ein Anstieg von Externer Link: 17 Prozent gegenüber dem Jahresende 2022. In dem Maße, in dem UkrainerInnen die Integrations- und Sprachkurse beenden, steigen auch die Beschäftigtenzahlen an, um monatlich zwischen 5.000 und 10.000. In anderen Staaten sind die Erwerbsquoten allerdings teils deutlich höher, wie etwa in den Externer Link: Niederlanden, wo es 61 Prozent, oder in Externer Link: Polen, wo es Externer Link: bis zu 75 Prozent sind. Diese Diskrepanz wird der Externer Link: hohen Sprachbarriere sowie den langwierigen Anerkennungsverfahren ukrainischer Berufsabschlüsse zugeschrieben.
Eine Externer Link: ukrainische Umfrage unter Geflüchteten im Ausland ergab, dass sich in Deutschland 34 Prozent an das Leben im Land bereits angepasst hätten, bei 59 Prozent war dies nicht der Fall, 78 Prozent seien zufrieden und nur 23 Prozent nicht. EU-weit sieht es ähnlich aus.
Aufgrund der russischen Kriegspolitik haben auch RussInnen in großer Zahl das Land verlassen. Externer Link: Politisch motivierte Migration ist
Die EU hat im September 2022 die Externer Link: Visabestimmungen für russische Staatsangehörige verschärft, sogar von einem kompletten Einreistop war die Rede. Von Januar 2022 bis Dezember 2023 wurden in der EU, Norwegen und der Schweiz mehr als Externer Link: 32.000 Asylanträge russischer Staatsangehöriger registriert. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2021 hatten nur rund 4.400 RussInnen in den 27 Mitgliedstaaten der EU, Norwegen und der Schweiz einen Externer Link: Asylerstantrag gestellt.
Darüber hinaus lassen sich weitere indirekte oder langfristige Folgen des Krieges beobachten. Beispielsweise ist die Externer Link: zentralasiatische Arbeitsmigration nach Russland seit Ende 2024 teils beträchtlich zurückgegangen. Zum einen, weil auch die russischen Wirtschaftsaktivitäten zurückgegangen sind, zum anderen, weil die Menschen befürchten, unfreiwillig in die russische Armee eingezogen und in den Krieg geschickt zu werden. Der damit einhergehende Rückgang der für viele Haushalte wichtigen Externer Link: Rücküberweisungen könnte Millionen Menschen zwingen, sich neue Migrationsziele in Asien, der Türkei, den Golfstaaten oder der EU zu suchen. Die Externer Link: Schwächung Russlands im Kaukasus trug zudem dazu bei, dass Aserbeidschan die armenische Enklave Bergkarabach einnehmen konnte, wodurch rund Externer Link: 100.000 ArmenierInnen vertrieben wurden.
Dr. Franck Düvell ist leitender Wissenschaftler und Koordinator des Konsortiums Flucht und Flüchtlingsforschung: Vernetzung und Transfer (FFVT) am Institut für Migrationsforschung und interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück. Der geographische Fokus seiner Forschung liegt auf der EU und ihrer Nachbarschaft, insbesondere der Türkei, der Ukraine, Libyen und Russland.