Historischer Hintergrund zur Erklärung der Gegenwart
Der langwierige Konflikt in der Westsahara ist Ergebnis der Dekolonisierung und der Verweigerung des Selbstbestimmungsrechts des Volkes der Sahraui. Mit einer Fläche von 266.000 km2 ist die Westsahara nach wie vor ein Territorium ohne Selbstverwaltung (Non-Self-Governing Territory),
In der von November 1884 bis Februar 1885 tagenden sogenannten Kongo-Konferenz in Berlin wurde Spanien das Gebiet der Westsahara zugeteilt. Daraufhin begann Spanien mit der Kolonisierung der Region, obwohl es bis 1934 keine effektive Kontrolle über das Gebiet ausübte. Über Jahrzehnte unterdrückten spanische Streitkräfte die aufkommende antikoloniale Bewegung der sahrauischen Bevölkerung. 1973 wurde noch während der spanischen Kolonialzeit die Volksfront zur Befreiung von Saguia el-Hamra und Rio de Oro (Polisario-Front) gegründet. Gleichzeitig erhoben die benachbarten Staaten Marokko und Mauretanien Ansprüche auf das Gebiet. Am 6. November 1975 rief Marokkos König Hassan II. 350.000 Marokkaner/-innen auf, die Grenze zur Westsahara im Rahmen des sogenannten
Diese Ereignisse führten zum Ausbruch eines bewaffneten Konflikts in der Westsahara, in dem Marokko und die Polisario-Front die zentralen Akteure waren. Am 27. Februar 1976 rief die Polisario-Front die Demokratische Arabische Republik Sahara (SADR) aus und gründete wenige Tage später eine Exilregierung in Algerien. Mauretanien zog sich 1979 aus dem Gebiet zurück, woraufhin marokkanische Truppen auch den südlichen Teil der Westsahara besetzten. Der Krieg zwischen der Polisario-Front und Marokko dauerte noch bis 1991, als ein Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet wurde.
Ein in vier Teile geteiltes Volk, das über 45 Jahre auf der Flucht überlebt
Während des Krieges begann Marokko 1981 mit der Errichtung einer mittlerweile 2.700 Kilometer langen, verminten und befestigten Sand- und Steinmauer (Berm), die die Westsahara in zwei Hälften teilt. Das Volk der Sahraui ist heute in vier geographisch verstreute Gruppen zersplittert: diejenigen, die in dem von Marokko besetzten Gebiet leben, diejenigen, die in den von der Polisario-Front kontrollierten Gebieten wohnen, diejenigen, die in Flüchtlingslager in Algerien geflohen sind, und die saharauische Diaspora in anderen Teilen der Welt, hauptsächlich in Europa.
2014 veröffentlichten Daten zufolge sind von den 530.000 Einwohner/-innen des von Marokko besetzten Gebiets in der Westsahara 180.000 (34 Prozent) Angehörige des marokkanischen Militärs, 245.000 sind marokkanische Zivilist/-innen (46 Prozent) und 105.000 gehören zum Volk der Saharaui (20 Prozent).
In den während des Krieges befreiten und nun von der Polisario-Front kontrollierten Gebieten (sogenannte "Freie Zone") leben schätzungsweise 49.000 Einwohner/-innen, während die saharauische
Als sie vor über 45 Jahren Tindouf erreichten, ließen sich die saharauischen Flüchtlinge in vier großen Lagern (Wilayas) nieder: El Aaiún, Smara, Dajla und Ausert, benannt nach den großen Städten der Westsahara; ein fünftes Lager mit Namen "27. Februar" (heute Bojador genannt) wurde eingerichtet, um die Institutionen der sahrauischen Exilregierung unterzubringen. Jedes Lager wurde in mehrere Gemeinden oder Dairas und jede Daira wiederum in vier Stadtteile oder Gruppen von Zelten (Haimas) unterteilt. Diese administrative Aufteilung besteht bis heute fort. Die Lager werden von der Polisario-Front und der Exilregierung verwaltet. Die SADR ist Vollmitglied der Afrikanischen Union und verfügt über eine eigene Polizei und Armee, ein eigenes religiöses sowie juristisches System und andere öffentliche Infrastruktur. Das Besondere mit Blick auf die sahrauische Situation ist, dass es sich um einen Staat im Exil handelt, dessen Basis die Flüchtlingslager sind.
Die Rolle von Frauen in sahrauischen Flüchtlingslagern
Seit der Gründung der Flüchtlingslager haben Saharaui-Frauen führende Rollen mit Blick auf die zivile Organisation und die Aufrechterhaltung der Lager gespielt. Dies hat dazu beigetragen, dass die Sahrauis im Exil heute als eines der international am meisten beachteten Beispiele für die Fähigkeit von Flüchtlingsfrauen gelten, sich zu organisieren. Sahraui-Frauen organisierten und übernahmen Führungspositionen in den fünf Grundversorgungskomitees, die in jedem Viertel in den Lagern zu finden sind: Bildung, Gesundheit, Verteilung und Ernährung, Produktion sowie Justiz und Soziales. Die Nationale Union der Saharaui-Frauen (Unión Nacional de Mujeres Sahrauis, UNMS), die 1974 als grundlegender Teil der Struktur der Befreiungsbewegung gegründet wurde, förderte die Selbstorganisation der Frauen während und nach dem Krieg gegen die marokkanische Besatzung. Sie versucht, internationale Unterstützung für die Saharauis zu organisieren und setzt sich für die Rechte der Frauen und ihren Einfluss auf politische Entscheidungen in der Demokratischen Arabischen Republik Sahara ein. In den 2000er Jahren eröffnete die UNMS in jedem Flüchtlingslager ein sogenanntes "Haus der Frauen". Diese Häuser dienen als Begegnungs- und Ausbildungszentren für Frauen mit dem Ziel, ihre soziale, politische und wirtschaftliche Teilhabe in der saharauischen Gesellschaft zu stärken. Eine der aktuellen Herausforderungen für die UNMS ist es, die Verbindungen zu organisierten Frauen in den durch Marokko besetzten Gebieten in der Westsahara zu stärken. Dies könnte dazu beitragen, das Engagement der Sahraui-Frauen für Menschenrechte besser zu artikulieren.
Selbstbestimmung als einzige Perspektive
In den sahrauischen Flüchtlingslagern ist die Abhängigkeit von ausländischer Hilfe in so grundlegenden Bereichen wie der Versorgung mit Nahrungsmitteln und Wasser, Bildung und Gesundheit sehr hoch. Da sich die Lager in der Wüste befinden, ist Landwirtschaft praktisch unmöglich. Im Laufe der Jahre sind kommerzielle Aktivitäten
Die Lösung des Westsahara-Konflikts genießt keine Priorität in der internationalen Politik, zudem wurden die ausländischen Hilfen für die saharauischen Flüchtlinge vor allem im letzten Jahrzehnt immer weiter reduziert. Infolgedessen müssen die Sahrauis die harten Lebensbedingungen des Flüchtlingsalltags in der Wüste fast allein bewältigen. Zwei Generationen von Sahrauis wurden in den Lagern geboren und sie kennen kein anderes Leben als das im Exil. Humanitäre Hilfe und Entwicklungsprojekte tragen dazu bei, das Überleben in einer Umgebung zu ermöglichen, in der sich Flüchtlingen keine Möglichkeit bietet, frei über ihr Leben zu entscheiden.
Seit den 1970er Jahren haben sich im internationalen Flüchtlingsschutz
Übersetzung aus dem Englischen: Vera Hanewinkel
Dieser Text ist Teil des
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