Was sind Smart Borders?
Unter Smart Borders – intelligenten Grenzen – wird ein Bündel an Maßnahmen und Technologien zur Überwachung der Grenzen des Schengenraumes verstanden. Das 2013 auf den Weg gebrachte Smart Borders Package soll aus Sicht der Interner Link: Europäischen Kommission (EK) ein besseres Management der Außengrenzen ermöglichen, effektiver Interner Link: irregulärer Migration entgegenwirken und einen "Beitrag zur Bekämpfung von Terrorismus und schwerer Kriminalität" leisten. Dazu werden Informationen über Nicht-EU-Bürger_innen (Drittstaatangehörige) gesammelt. Gleichzeitig sollen Grenzübertritte schneller vonstattengehen. Eine zentrale Rolle spielen dabei Informationssysteme wie das "Einreise-/Ausreisesystem" (Entry-Exit-System, EES), die zu einer Automatisierung der Grenzkontrollen beitragen sollen. In diesen Datenbanken können große Mengen an Informationen zusammengefasst werden, auf die Behörden in ganz Europa Zugriff haben.
Der Kontext: Bordermanagement
Die Smart Borders Initiative der EU vollzieht sich vor dem Hintergrund eines weltweiten Transformationsprozesses von Grenzen. Dabei treten neben Modelle einer klassischen souveränen Grenzsicherungspolitik (Interner Link: manifest im Bild einer Mauer) Konzepte des Grenzmanagements. Diese streben an, Sicherheitsrisiken abzuwenden, gleichzeitig aber ein hohes Maß an Mobilität aufrechtzuerhalten. Dies sei nötig, da eine prosperierende Gesellschaft auf ein hohes Maß an Mobilität und Zirkulation von Personen, Waren und Kapitel angewiesen sei. Aus dieser Offenheit gingen jedoch gleichzeitig Bedrohungen hervor, "da Terroristen und andere Kriminelle danach trachten, diese Freiheiten zu zerstörerischen und böswilligen Zwecken zu missbrauchen". Demnach müssten "Grenzen als Sortiermaschinen" oder wie eine "firewall" operieren und gefährliche Elemente aus dem komplexen Fluss transnationaler Zirkulation herausfiltern. Grenz- und Sicherheitspolitik richten ihren Fokus also verstärkt auf transnationale Mobilität.
Die EU setzt mit ihrem Konzept des "integrierten Grenzmanagements" auf die Zusammenarbeit mit Anrainerstaaten , etwa in Form von Mobilitätspartnerschaften , und den umfangreichen Informationsaustausch "zwischen Grenzschutzbehörden und anderen Strafverfolgungsbehörden". Dabei ruhen große Hoffnungen auf neuester Informations- und Kommunikationstechnologie.
Das Smart Borders Package
Das Smart Borders Package wurde erstmalig am 28. Februar 2013 von der damaligen EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström auf einer Pressekonferenz präsentiert. Dabei bezog sie sich auf Pläne der Kommission von 2008, worin bereits die Einführung eines Entry-Exit-Systems und die erleichterte Einreise für als vertrauenswürdig eingestufte und registrierte Vielreisende, das "Registered Traveller Programme" (RTP), gefordert wurden. Gegen Letzteres regte sich v.a. im Europäischen Parlament Widerstand, sodass es 2016 zurückgezogen wurde. Im Oktober 2017 stimmten das Europäische Parlament und der Rat der EU einer modifizierten Version des Entry-Exit-Systems zu, das bis 2020 vollständig implementiert sein und rund 480 Millionen Euro kosten sollte. Inzwischen wird mit einer operativen Inbetriebnahme im Jahr 2021 gerechnet.
Datenbanken
Innenkommissarin Malmström präsentierte die im Smart Borders Package vorgeschlagenen Technologien als Grundstein für ein "offeneres" und zugleich "sichereres" Europa. Das deutet bereits an, welche wichtige Rolle "einschlägigen Informationsinstrumenten" im Bereich des Grenzmanagements und der Sicherheitspolitik zugesprochen wird. Tatsächlich verfügt die EU über mehrere solcher "Informationssysteme", die "zusammengenommen ein komplexes Muster einschlägiger Datenbanken" bilden. Die drei bisher wichtigsten sind das Interner Link: Schengener Informationssystem (SIS), worin u.a. Personen- und Sachfahndungen (z.B. gestohlene Fahrzeuge) eingetragen sind, das Visa Information System (VIS) mit Daten über erteilte Visa für Kurzzeitaufenthalte und Interner Link: EURODAC, eine Datenbank, in der Fingerabdrücke von Personen gesammelt werden, die einen Asylantrag gestellt haben oder ohne legalen Aufenthaltsstatus in einem Mitgliedstaat aufgegriffen wurden.
Das Entry-Exit-System soll diese Informationssysteme ergänzen. Darin sollen sowohl Drittstaatsangehörige erfasst werden, die sich für einen Kurzaufenthalt im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten aufhalten dürfen, als auch Personen, denen Einreise und Aufenthalt verweigert wurden. Gespeichert werden Datum und Ort der Einreise sowie die Dauer des autorisierten Aufenthalts. Die zentrale Speicherung dieser Informationen soll v.a. dabei helfen, eingereiste "Overstayer" zu ermitteln, also Personen, die zwar mit einem gültigen Visum den Schengenraum betreten haben, aber ihn nach Ablauf des Visums nicht wieder verlassen. Im Entry-Exit-System werden neben Kenndaten einer Person auch biometrische Informationen erfasst, in diesem Falle vier Fingerabdrücke und ein Gesichtsbild. Dies soll Dokumentenfälschungen erschweren. Entry-Exit-System und Visa Information System sollen auch miteinander verknüpft werden, also den direkten Zugriff auf die jeweiligen Daten ermöglichen.
Kritik
Wie effektiv die angestrebten Maßnahmen tatsächlich sein werden, ist schwer einzuschätzen, da "Interner Link: Sicherheit" kaum messbar ist. Kritiker_innen bezweifeln, dass die Überwachung von Mobilität Terroranschläge wirksam verhindern kann, da nur wenige Attentäter_innen in der Vergangenheit von außerhalb des Schengenraums kamen oder im Zuge irregulärer Reisebewegungen unentdeckt nach Europa gelangt sind. Der Großteil der Kritik an Bestrebungen zur Errichtung einer Smart Border bezieht sich jedoch auf Interner Link: datenschutzrechtliche Probleme. Diese entstehen aus der massenhaften Erhebung, Speicherung, Verarbeitung und dem Austausch von personenbezogenen Daten: So sah beispielsweise 2013 der Europäische Datenschutzbeauftragte Verstöße gegen Artikel 7 (Achtung des Privat- und Familienlebens) und 8 (Schutz personenbezogener Daten) der EU-Grundrechtecharta. Ebenso gilt die Vermengung von sicherheits- und migrationspolitischen Fragen als problematisch. Dass dies durch die neuen Technologien forciert wird, zeigt das Beispiel der Praxis des "cross-referencing" von Datenbanken: Dadurch wird die ehemals auf Papierlisten geführte kleine Gruppe unerwünschter Personen – primär Terrorist_innen und Schwerkriminelle – mit der weitaus größeren Personengruppe in Verbindung gebracht, die wegen kleinerer Verstöße gegen Aufenthaltsrecht oder Visaüberschreitung erfasst wurden.
Dieser Artikel ist Teil des Kurzdossiers "Interner Link: Migration und Sicherheit".